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Mladic, der an UN-Tribunal überstellt werden soll, erhält Besuche

Von nachrichten.at/apa, 27. Mai 2011, 14:29 Uhr
Ratko Mladic
Bild: APA (Archiv/epa)

BELGRAD. Ein serbisches Gericht hat die Überstellung des mutmaßlichen Kriegsverbrechers Ratko Mladic an das UN-Tribunal für Ex-Jugoslawien in Den Haag genehmigt.

Der 69-Jährige sei in der Verfassung, vor Gericht gestellt zu werden, sagte eine Richterin am Freitag vor Journalisten in Belgrad nach der Anhörung. Der frühere Militärchef leide zwar an chronischen Erkrankungen, sei aber „gesundheitlich fähig (für die Auslieferung, Anm.)".

Mladic selbst verweigerte die Annahme der Anklageschrift des UN-Tribunals in Den Haag. „Ihr habt Milosevic gewählt und nicht ich, wer ist also Schuld“, sagte er nach Angaben einer Gerichtssprecherin am Freitag. Slobodan Milosevic, der 2003 im Tribunal an Herzinfarkt gestorben war, hatte als fast unumschränkter serbischer Politiker der 90er Jahre die Kriege zur Schaffung eines „Großserbien“ maßgeblich mit angezettelt. Der Serbe Mladic hatte in der serbisch-dominierten jugoslawischen Volksarmee eine steile Karriere hingelegt und war später zum Militärchef der bosnischen Serben im Bürgerkrieg (1992-1995) aufgestiegen.

Besuch von Frau und Sohn

Während einer Unterbrechung der Anhörung wurde Mladic von seiner Frau Bosiljka und Sohn Darko besucht, die laut Anwalt seit sieben Jahren keinen Kontakt zum früheren Militärchef hatten. Ihnen soll ein einstündiges, unbewachtes Gespräch ermöglicht worden sein, erklärte der Familienanwalt Milos Saljic, der selbst auch dabei war.

Während der Anwalt von der Unfähigkeit Mladic’ spricht, seine persönliche Daten anzugeben, widersprach Staatsanwalt Vekaric Augenzeugen, die Mladic als demenzkranken alten Mann mit eingeschränkter Zurechnungsfähigkeit dargestellt hatten. Die angebliche Gebrechlichkeit des 69-Jährigen sei nur ein Teil seiner Verteidigungstaktik, behauptete der Behördensprecher. Er habe Mladic als Mann erlebt, der seine Lage sehr wohl einschätzen und am Verfahren teilnehmen könne. Das Verhör war am Donnerstagabend abgebrochen worden, weil sich der Ex-Militärchef der bosnischen Serben als körperlich schwach präsentierte.

Der serbische Vize-Sonderstaatsanwalt für Kriegsverbrechen Bruno Vekaric sagte nach der ersten Anhörung von Mladic am Donnerstagabend, dass er dieselben Standpunkte wie in den 1990er Jahren vertreten habe. Die Anwälte des Haager Angeklagten behaupteten jedoch, dass er nicht vernehmungsfähig war. Er sei nicht einmal in der Lage gewesen, seine persönlichen Daten anzugeben, habe jedoch erklärt, dass er das Haager Tribunal nicht anerkenne, berichtete Milosa Saljic, der Anwalt von Mladic’ Familie.

Der wegen tausendfachen Mordes als Kriegsverbrecher gesuchte Mladic wurde am Donnerstag auf einem Bauernhof im Norden Serbiens gefasst. Er wird unter anderem für das Massaker von Srebrenica 1995 mit rund 8.000 Toten verantwortlich gemacht. Laut Justizministerium in Belgrad soll Mladic frühestens am kommenden Montag, spätestens am darauffolgenden Mittwoch nach Den Haag gebracht werden.

Nicht wiederzuerkennen

Mladic ist auf aktuellen Fotos nicht wiederzuerkennen. Die Medien veröffentlichten am Freitag in Belgrad Porträts des inzwischen 69-Jährigen, auf denen er abgemagert und mit ausgefallenem Haar erscheint. Er zeige zudem starke Demenzerscheinungen, berichteten die Belgrader Zeitungen.

Mladics rechter Arm sei nach einem Schlaganfall steif geblieben. Auf den letzten existierenden Fotos, die zehn Jahre alt waren, ist Mladic noch als lebensstrotzender fülliger Mann zu sehen.

Keine Belohnung für Ergreifung

Die zehn Millionen Euro, die der Staat für die Ergreifung von Ratko Mladic ausgelobt hatte, bleiben im Staatssäckel. Es gebe niemanden, der den entscheidenden Tipp gegeben habe, sagte der Staatssekretär im Justizministerium, Slobodan Homen, dem Belgrad TV-Sender B-92. Der 69-Jährige sei „im Rahmen der normalen operativen Arbeit der serbischen Sicherheitsorgane“ gefasst worden. „Die haben nur ihre Arbeit gemäß Verfassung und Gesetz gemacht“, begründete Homen am Freitag seine Position.

Besuch von Gesundheitsminister Stankovic

Mladic hat am Freitagnachmittag außerdem Besuch vom serbischen Gesundheitsminister Zoran Stankovic bekommen. Wie die Tageszeitung „Blic“ auf ihrem Internetportal berichtete, habe Mladic von Stankovic die Untersuchung durch einen Gerichtsmediziner gefordert.

Bevor Stankovic sein Ministeramt antrat, war er mir Vorwürfen konfrontiert gewsen, vor Jahren die Behandlung Mladics in einem Belgrader Militärkrankenhaus, an dessen Spitze er damals stand, genehmigt zu haben. Stankovic reagierte nicht auf die Vorwürfe, hatte aber wiederholt wissen lassen, dass seine Freundschaft zu Mladic auf das Jahr 1994 zurückgehen würde. Damals beging Mladics Tochter, die Medizinstudentin Ana, Selbstmord. Stankovic war zu dieser Zeit als Gerichtsmediziner in Belgrad tätig.

Benehmen wie ein Medienstar

Knapp 48 Stunden nach seiner Festnahme benimmt sich der einstige Militärchef der bosnischen Serben wie ein Medienstar. Und das Interesse ist ihm sicher. Andererseits versuchen seine Familienangehörigen, unter Berufung auf seine angeschlagene Gesundheit die Auslieferung an das UNO-Tribunal für Kriegsverbrechen im einstigen Jugoslawien (ICTY) hinauszuzögern. Bisher hat sich Mladic bei der Anhörung im Belgrader Sondergericht für Kriegsverbrechen offenbar geweiget, die Anklage entgegenzunehmen.

Während die Familie behauptet, dass Mladic Redeschwierigkeiten habe und seine rechte Körperhälfte infolge frühere Gehirnschläge gelähmt sei, legte der Haager Angeklagte im Sondergericht seine bekannten Charakterzüge an den Tag. So sickerte durch, dass er sogar im Gerichtssaal noch Befehle erteilte: „Gebt mir einen Stuhl!“, soll er laut der Tageszeitung „Blic“ forsch gefordert haben. Dem Wachdienst galt auch die Bemerkung „Wie meine Truppen“. Während der Anhörung bemerkte er: „Ihr habt (den einstigen jugoslawischen Präsidenten Slobodan) Milosevic gewählt, nicht ich. Wer hat also die Schuld?“.

Auch Spezialwünsche wie Erdbeeren, Bücher und ein Fernsehgerät für die Gefängniszelle, blieben nicht aus. Lieblingslektüre: einige Bücher von Nikolaj Gogol und Leo Tolstoj. Der Vize-Sonderstaatsanwalt für Kriegsverbrecher, Bruno Vekaric, sorgte für prompte Erfüllung der Wünsche.

Damit war aber noch nicht genug. Er wolle seine Pension zurückbekommen, erklärte Mladic am Freitag. Die Auszahlung der Rente an seine Frau Bosiljka in der Höhe von 900 Euro wurde Ende 2005 eingestellt. Auf einem Sonderkonto der Pensionskasse liegen derzeit rund 47.000 Euro, ein Vermögen für die serbischen Verhältnisse.

Der Offizier in Ruhe habe den Anspruch auf die Pension, auch wenn er vor dem UNO-Tribunal verurteilt werde, versicherte Staatspräsident Boris Tadic am Freitag. Ein weiterer Wunsch von Mladic ist es auch, das Grab seiner Tochter Ana auf einem Belgrader Friedhof besuchen zu können, bevor er ausgeliefert wird.

Die serbische Medien befassen sich intensiv mit jeder Äußerung von Mladic. Ihr Interesse an der Haager Anklage oder gar an seinen mutmaßlichen seinen Opfern ist hingegen gering. Dabei wird sich Mladic vor dem Haager Gericht für den schwersten Massenmord in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg zu verteidigen haben.

Von seinen Truppen wurden nach der Einnahme der ostbosnischen UNO-Schutzzone Srebrenica im Juli 1995 rund 8.000 Männer vor Augen der Blauhelme aussortiert und ermordet. Der staatliche TV-Sender RTS brachte freilich schon einen Dokumentarfilm zu Srebrenica. Spät am Abend, schon in der Nacht auf Freitag...

Belgrad will Termin für Auslieferung Mladics geheim halten

Die serbischen Behörden wollen den genauen Termin für die Auslieferung Mladics an das UNO-Sondertribunal für Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien (ICTY) geheim halten. Arbeitsminister Rasim Ljajic begründete Medien gegenüber die Entscheidung mit dem Sicherheitsrisiko. Eine Destabilisierung des Landes wegen der Festnahme von Mladic würde allerdings nicht drohen, versicherte er laut der staatlichen Presseagentur Tanjug.

Erfahrungen mit der Auslieferung der Haager Angeklagten, die ein Sicherheitsrisiko darstellen könnten, hat Belgrad ausreichend. Als solche galten im Juni 2001 die Überstellung des ehemaligen jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic, später im Sommer 2008 auch jene des ehemaligen Präsidenten der Serbischen Republik in Bosnien-Herzegowina, Radovan Karadzic.

Schon am Donnerstag hatten sich die Behörden eines Tarnmanövers bedient. Der Angeklagte wurde nicht in einem Spezialwagen der Polizei, sondern in einem wesentlich weniger auffallenden einfachen Dienstwagen der Behörden ins Gericht überführt.

Die ultranationalistische Serbische Radikale Partei (SRS) von Vojislav Seselj rief für Sonntagabend im Belgrader Stadtzentrum zu einer Protestkundgebung auf. Eine Protestserie hatte am Freitagnachmittag in der bosnischen Serbischen Republik begonnen. Protestkundgebungen wurden in Pale, der ehemaligen Kriegshochburg der bosnischen Serben, Visegrad und einem von Serben bewohnten Stadtviertel von Sarajevo, Lukavica, abgehalten. Für Sonntag wurden Proteste in Kalinovik, dem Heimatort Mladics, angekündigt, am Dienstag soll auch ein Protest in Banja Luka, dem Verwaltungszentrum der Serbischen Republik, folgen. Proteste werden vom bosnisch-serbischen Altkämpferverband organisiert, der Belgrad vorwirft, Mladic und die Serbische Republik verraten zu haben.

Fahnder kamen Mladic dank Familie auf die Spur

Die serbischen Fahnder sind Mladic erst durch intensivere Observierung der engsten Familienangehörigen auf die Spur gekommen. Wie die Belgrader Tageszeitung „Danas“ am Samstag unter Berufung auf inoffizielle Quellen berichtete, seien die Telefongespräche der Familie Mladic fast ein Jahr lang mitgeschnitten worden, bis man zur konkreten Information über das Versteck des ehemaligen Militärchefs der bosnischen Serben, Ratko Mladic, gekommen sei.

Innenminister Ivica Dacic sagte am Freitag, dass sich Mladic zumindest ein Jahr in Lazarevo, einer Ortschaft in der Vojvodina etwa 60 Kilometer nordöstlich von Belgrad, versteckt habe. Er wurde am Donnerstag im Haus seines Cousins festgenommen.

Ein im Belgrader Vorort Ripanj lebender Mann empfand die Festnahme Mladics nun als große Erleichterung. Endlich könne er ruhig auf die Straße gehen, erklärte Aleksandar Isailovic gegenüber der Tageszeitung „Blic“ am Samstag. Wegen seiner großen Ähnlichkeit mit Mladic war er vor zwei Jahren auf offener Straße festgenommen worden und war erst nach einer DNA-Analyse wieder freigekommen. Unter den Nachbarn ist Isailovic seitdem nur noch als „General“ bekannt.

Er ist allerdings nicht der einzige, der in den letzten Jahren Unannehmlichkeiten wegen der Ähnlichkeit mit Mladic hatte. Die Wiener Polizei hatte im November nach einem anonymen Hinweis, dass sich Mladic dort aufhalten solle, eine Wohnung in der Bundeshauptstadt aufgesucht. Es stellte sich heraus, dass es sich bei dem 62-jährigen Bosniaken lediglich um einen Doppelgänger handelte. Als falscher Mladic entpuppte sich zuvor in der belgischen Stadt Sint-Truiden ein pensionierter Maler. Der Mann, der im September ins Visier der Polizei gekommen war, hatte eine serbische Freundin und eine Zeitlang in Kroatien gelebt.

Ein Jahr zuvor war in Kenia ein 63-jähriger Kroate vorübergehend hinter Gitter gekommen, wieder einmal ein falscher Mladic.
 

 

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7  Kommentare
7  Kommentare
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( Kommentare)
am 28.05.2011 15:35

Mladić gehör gleich enthauptet, UNO soldaten aus Niederlande gehören vor gericht Rattenkinder haben nicht einmal gedacht hilfe
zu holen sind einfach davongelaufen Eine Schande Mladić ist nicht alleine Schuld UNO soldaten aus Niderlande sind Schuld und das
sollte jeder wissen warum Mladić verhaftet wurde Serbien hat sein Versteck gewusst und hat entscheiden müssen Mladić verhaften oder Kosovo anerkennen.

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feuerkogel (6.578 Kommentare)
am 28.05.2011 09:23

...haben sie bis jetzt nix mitgekriegt, dass in barcelona am plaza catalonia zustände herrschen wie erst vor kurzen in ägypten.
tausende jugendliche friedliche demonstranten werden von der polizei niedergeknüppelt.
dürfen oder wollen sie nichts darüber berichten.

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lennox (49 Kommentare)
am 27.05.2011 17:25

wird Mladic nicht nach Srebrenica ausgeliefert??? Das wäre fair!!!

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GunterKoeberl-Marthyn (17.956 Kommentare)
am 27.05.2011 13:28

für die Beitritsverhandlungen in die EU! Die Gerechtigkeit und der Frieden zieht dadurch zwischen den Ländern wieder langsam ein, wenn diese selbsternannten Generäle endlich "Rede und Antwort" stehen müssen!

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( Kommentare)
am 27.05.2011 10:57

Der war nicht viel besser was die höhe der verursachten Leichenberge betrifft!

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feuerkogel (6.578 Kommentare)
am 27.05.2011 12:54

...auf die frage von journalisten, dass sie die verantwortung von 500 000 toten kindern zwecks medizinischer versorgung und medikamenten im irakkrieg hat, sagte sie schlicht und einfach, "ja, aber es war notwendig".
und sowas läuft ungestraft umher. ich versteh die welt nicht mehr.

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oblio (24.786 Kommentare)
am 27.05.2011 08:23

Der wird doch in Brüssel ohnehin medizinisch
besser betreut als bis jetzt in seiner Heimat!
Direkt ein Hohn!

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