Lawinenkatastrophe im Ersten Weltkrieg rekonstruiert

Von nachrichten.at/apa   12.Dezember 2016

Forscher der Uni Bern haben nun das damalige Extremwetter anhand von Messdaten und historischen Dokumenten rekonstruiert.

Nach einer Woche mit viel Neuschnee brachten warme und feuchte Luftmassen vom Mittelmeer wärmere Temperaturen und Regen bis in große Höhen. In der ganzen Region gingen zahlreiche Lawinen nieder, denen Schätzungen zufolge rund 2000 Menschen zum Opfer fielen.

Der als "Weißer Freitag" bezeichnete 13. Dezember 1916 - der eigentlich ein Mittwoch war - stand im Fokus von Klimaforschern und Historikern der Universität Bern. Deren Ergebnisse wurden kürzlich im Fachblatt "Geographica Bernensia" veröffentlicht. Dafür kombinierten die Wissenschafter Zeitzeugenberichte aus Tagebüchern und anderen historischen Dokumenten sowie die Berechnung des damaligen Wetters anhand von Vorhersagemodellen und den wenigen vorhandenen Messdaten.

"Ostatlantik-/Westrussland-Muster"

Demnach waren die Ereignisse des 13. Dezembers 1916 das Resultat von neun Tagen unablässigen Niederschlags, der durch eine "blockierte" atmosphärische Zirkulation zustande kam, das sogenannte "Ostatlantik-/Westrussland-Muster". Dieses sei eines der dominierenden Zirkulationsmuster in Europa, schreiben die Forscher.

Es führt in den südlichen Alpen oft zu Starkniederschlägen und ungewöhnlich hohen Temperaturen im Mittelmeerraum. Parallel zu den Starkniederschlägen im Alpenraum verzeichnete Griechenland ungewöhnlich hohe Temperaturen im Winter 1916. Außerdem steigt durch dieses Zirkulationsmuster die Wassertemperatur des Mittelmeers. Dieses wiederum ist die Hauptquelle von Wasserdampf für die südlichen Alpen.

Die Schneedecke an der alpinen Kriegsfront wuchs auf ein kritisches Gewicht an. Als dann die Schneefallgrenze stieg und Regen fiel, wurden die weißen Massen noch dichter und schwerer, was schließlich zu den Lawinenabgängen führte.

Die Geschehnisse waren durch historische Dokumente im Einzelfall bereits gut nachvollziehbar. "Es stellt sich aber bei solchen qualitativen Berichten immer die Frage, ob die Zeitzeugen das richtig wahrgenommen oder vielleicht auch übertrieben haben", meinte Studienautor Daniel Marc Segesser. So könnten die Soldaten bei der Berichterstattung ins Tal ja auch übertrieben haben.

"Durch die Wetterrekonstruktion können wir sagen, dass sie keineswegs übertrieben haben. Die Kommandanten vor Ort schätzten die Gefahr für ihre Truppen richtig ein und versuchten teils den Rückzug anzuordnen, was ihnen allerdings nicht immer gestattet wurde", beschreibt der Berner Historiker die Lage. "Die Offiziere im Tal konnten sich die Situation aus der sicheren Distanz gar nicht vorstellen und gaben diesen Rückzugsgesuchen nicht immer statt - 'Krieg ist Krieg'."