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Kasachischer Ex-Botschafter Aliyev tot: Zweifel an Selbstmord

Von nachrichten.at/apa   24.Februar 2015

Nach demTod des kasachischen Ex-Botschafters Rakhat Aliyev(Shoraz), der in seiner Zelle in der Justizanstalt Josefstadt in der Nacht auf Dienstag Selbstmord begangen haben soll, hat die Staatsanwaltschaft Wien die Obduktion des Leichnams angeordnet. "Es wurden unverzüglich Untersuchungsmaßnahmen gesetzt", gab Behördensprecherin Nina Bussek auf Anfrage der APA bekannt.

. Am Dienstagvormittag wurde die Zelle, in der am Morgen die Justizwache die Leiche entdeckt hatte, von einer Tatortgruppe des Landeskriminalamts untersucht. Auch der diensthabende Journalstaatsanwalt nahm an diesem Lokalaugenschein teil. Um die Frage zu klären, was sich in Aliyevs Haftraum - der frühere kasachische Botschafter in Wien war in einer Einzelzelle untergebracht, die über Nacht verschlossen war - abgespielt hat, wurden auf Betreiben der Staatsanwaltschaft auch erste Einvernahmen durchgeführt. Befragt wurden "Personen, die als Auskunftspersonen infrage kommen könnten", sagte Bussek.

Aliyev habe sich in der Nasszelle erhängt, teilte Peter Prechtl, Leiter der Vollzugsdirektion, der APA Dienstagfrüh mit. Dort wurde er um 7.20 Uhr entdeckt. Der Ex-Diplomat befand sich auf eigenen Wunsch in einer Einzelzelle der Sonderkrankenanstalt in der Justizanstalt Josefstadt. "Er galt nicht als selbstmordgefährdet", sagte Prechtl weiter. Im internen System lief Aliyev unter "Grün", was bedeutet, dass er ohne Bedenken alleine in einer Zelle liegen durfte.

"Er dürfte viel an seinen Akten gearbeitet haben", erklärte Prechtl weiter. Die Zelle Aliyevs wurde regelmäßig kontrolliert, allerdings ist die Nasszelle samt WC und Dusche dabei nicht einsehbar. In dieser erhängte sich der frühere Botschafter mit Mullbinden an einem Kleiderhaken.

Selbstmord "schwer vorstellbar"

Für Aliyevs Verteidiger, Manfred und Klaus Ainedter, ist es schwer vorstellbar, dass der 52-Jährige freiwillig aus dem Leben geschieden ist. "Ich habe daran erhebliche Zweifel, ohne jemanden beschuldigen zu wollen. Ich habe ihn gestern noch besucht. Es konnte überhaupt keine Rede von Suizidgefahr sein", sagte Klaus Ainedter, der gemeinsam mit seinem Vater Manfred Ainedter seit mehreren Jahren Aliyev strafrechtlich vertreten hat, gegenüber der APA. Jetzt gelte es, die Ermittlungen abzuwarten: "Wir vertrauen darauf, dass der Tod genauestens untersucht und die Todesursache eindeutig festgestellt wird.

Anwalt: Mord

Sein Anwalt Stefan Prochaska glaubt an Mord. "Die Vermutung ist, dass ihn jemand umgebracht hat", sagte Prochaska am Dienstag der APA. Der Zeitpunkt des Todes kurz vor Beginn der Hauptverhandlung gegen Aliyev sei "höchst auffällig". Offenbar sollte verhindert werden, dass die Anklage gegen ihn zusammenbreche.

Er glaube nicht daran, dass Aliyev Selbstmord verübt habe. "Das macht keinen Sinn." In den vergangenen Wochen und Monaten habe er viel Zeit mit seinem Mandanten verbracht, der alles andere als in Selbstmitleid zerflossen sei. "Er war eher der Fighter."

Man habe bei der Vorbereitung der Hauptverhandlung "viele Löcher in der Anklage gefunden", etwa Zeugen, die ihre Aussage vom Papier abgelesen und diese dann lächelnd mit den Worten "Was für ein interessantes Märchen" kommentiert hätten. Außerdem habe man Hinweise erhalten, dass viele Belastungszeugen geplant hätten, in Österreich Asyl zu beantragen. "Es ist höchst auffällig, dass er sich vor der Verhandlung, in der man das gesehen hätte, hätte umbringen sollen", sagte Prochaska.

Zu möglichen weiteren Schritten wollte sich Prochaska nicht äußern. Er sei "sehr geschockt". Er habe aber schon erreicht, dass bei der Untersuchung der Todesumstände "massiv hingeschaut" wird. Der Anwalt wies darauf hin, dass sich Aliyev in seiner Haftzeit auch mit der Justizverwaltung angelegt habe, und zwei Anzeigen erstattet habe, unter anderem wegen Erpressung.

Zeuge

Am heutigen Dienstag hätte Aliyev gegen zwei Mithäftlinge aussagen sollen, die laut Anklage den Ex-Botschafter erpresst haben sollen. Demnach erklärten sie Aliyev, wenn er überleben wolle, müsse er 3000 Euro bezahlen, ansonsten könne ihn jemand während des Waschens im Duschraum umbringen und dies wie einen Selbstmord aussehen lassen.

Derart in Furcht und Unruhe versetzt, soll Aliyev in weiterer Folge über seinen Anwalt tatsächlich 1000 Euro bezahlt haben, indem er eine entsprechende Überweisung auf das Konto des älteren Mitgefangenen veranlasste. Die angeblichen Schutzgeld-Erpresser weisen die gegen sie erhobenen Vorwürfe entschieden zurück.

Zwei Bankmanager ermordet?

Dem früheren kasachischen Botschafter in Wien soll der Prozess wegen der Ermordung zweier Bankmanager in seiner Heimat gemacht werden. Der Prozess am Wiener Landesgericht für Strafsachen war notwendig geworden, weil Österreich eine Auslieferung Aliyevs an den autoritären zentralasiatischen Staat abgelehnt hat.

Aliyev war der ehemalige Schwiegersohn des kasachischen Präsidenten Nursultan Nasarbajew, bei dem er wegen eines angeblichen Putschversuches in Ungnade fiel. Dem früheren kasachischen Botschafter in Wien (2002-2005; 2007) wurde vorgeworfen, in die Ermordung zweier Banker Anfang 2007 in Kasachstan verwickelt gewesen zu sein. In Kasachstan wurde Aliyev, der inzwischen den Namen seiner Ehefrau angenommen hatte und sich Shoraz nannte, 2008 wegen Mordes und Erpressung zu 40 Jahren Haft verurteilt.

In Österreich ermittelt die Justiz seit 2011 in dem Fall. Eine Auslieferung nach Kasachstan wurde wegen der dortigen Menschenrechtslage abgelehnt.

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