Jugendhaft: Justizministerin Karl steht unter Druck
WIEN. Justizministerin Beatrix Karl kommt nicht aus der Schusslinie. Nach den sexuellen Übergriffen nahmen zahlreiche Politikerkollegen am Mittwoch Stellung, auch Werner Faymann. "Die Zustände sind unhaltbar, man muss sie verbessern", so der Kanzler.
Der Leiter der von Justizministerin Beatrix Karl eingesetzten Task Force "Jugend U-Haft" will "über den Sommer" Neuerungen erarbeiten, die für jugendliche Tatverdächtige zu Verbesserungen führen und im Idealfall ihre U-Haft vermeiden, jedenfalls verkürzen sollen. Das kündigte Michael Schwanda, Sektionschef für den Strafvollzug im Justizministerium, am Mittwoch an. Bundeskanzler Werner Faymann sprach unterdessen der Justizministerin das Vertrauen aus, "diese Missstände zu beseitigen".
Nach den Vorstellungen Schwandas sollen zukünftig nach der Festnahme und Überstellung von Jugendlichen in eine Justizanstalt unverzüglich Vertreter der Jugendgerichtshilfe oder der Kinder-und Jugendanwaltschaft beigezogen werden. Sie sollen vor allem an den Einvernahmen der Beschuldigten durch den Staatsanwalt bzw. den Haft- und Rechtschutzrichter teilnehmen, der über die Verhängung der U-Haft entscheidet.
Damit sollen Fälle wie jener des in einer Zelle der Justizanstalt Wien-Josefstadt missbrauchten 14-Jährigen verhindert werden, der nach mehrwöchiger U-Haft und einer dabei erlittenen Vergewaltigung wegen verminderter geistiger Reife auf freien Fuß gesetzt wurde, nachdem ihm ein psychiatrisches Gutachten eine solche bescheinigt hatte.
"Die Experten sollen bei den Befragungen die Organe der Justiz auf allfällige Verhaltensauffälligkeiten der Beschuldigten hinweisen", betonte Schwanda. Grundsätzlich strebt der Leiter der Task Force "Jugend U-Haft" an, dass Verdächtige nach ihrer Festnahme vermehrt gegen gelindere Mittel auf freien Fuß gesetzt werden, "wobei wir dabei in Wien auf die Kooperation mit der Gemeinde Wien angewiesen sind". Schwanda möchte Möglichkeiten schaffen, jugendliche Straftäter bis zur Hauptverhandlung in betreuten Wohneinrichtungen bzw. im elektronisch überwachten Hausarrest unterzubringen.
Übergriffe in den Hafträumen
Die am Dienstagnachmittag öffentlich bekannt gewordenen sexuellen Übergriffe auf jugendliche Häftlinge der Justizanstalt Wien, Graz und Linz hatten jeweils in den Hafträumen stattgefunden. Das gab der Leiter der Vollzugsdirektion, Peter Prechtl, bekannt. Hinter dem Grazer Fall steht allerdings ein Fragezeichen: Bei den Vernehmungen habe das 17-jährige Opfer erklärt, dass die sexuellen Handlungen in gegenseitigem Einvernehmen mit dem gleichaltrigen Beschuldigten passiert seien, wie der Sprecher der Anklagebehörde, Hansjörg Bacher erklärte. Noch sei nicht klar, ob das vermeintliche Opfer bei diesen Angaben bleiben werde. Das Ermittlungsverfahren sei noch am Laufen.
In Linz soll die kontradiktorische Vernehmung des Opfers voraussichtlich Ende Juli durchgeführt werden. Damit sollten die Ermittlungen abgeschlossen und eine Entscheidung über eine Anklageerhebung möglich sein, hieß es seitens der Anklagebehörde.
Faymann: "Ich erwarte klare Änderungen"
"Die Zustände sind unhaltbar, man muss sie verbessern", bemerkte Bundeskanzler Faymann zum Jugendstrafvollzug. Die Vorkommnisse seien "nicht kleinzureden" und "es zeigt sich, es ist kein Einzelfall", meinte er in Richtung Justizministerin Karl. Die Missstände seien "ernst zu nehmen", Veränderungen herbeizuführen. Er sei "überzeugt, ein verantwortungsvolles Regierungsmitglied macht das auch so". Er, Faymann, "stehe da hinter ihr", aber "ich erwarte klare Änderungen", betonte der Kanzler.