Islamisten machten Druck: Forscher verliert Staatspreis

KAIRO. Der Gelehrte und Forscher Sayyid al-Kemni ist für einen offeneren Umgang mit dem Islam und gegen den Jihad (Heiligen Krieg). Jetzt wurde ihm deswegen der ägyptischer Staatspreis für Gesellschaftswissenschaften aberkannt, weil dieser nicht an "Gottesleugner" verschwendet werden solle.
Ein Richtergremium dürfte sich dem Druck der Islamisten gebeugt haben - das berichten arabische Internetseiten. Die mit 200.000 Ägyptischen Pfund (23.200 Euro) dotierte Auszeichnung war Al-Kemni im Jahr 2009 vom damaligen Kultusminister Faruk Hosni verliehen worden. Schon damals waren Religionsgelehrte und Islamisten gegen die Entscheidung Sturm gelaufen. Der 64-jährige Kemni spricht sich in seinen Werken für einen offenen Umgang mit dem Islam und seinen Quellen aus. Das Konzept des Jihad, des Heiligen Krieges, wie es auch von Fundamentalisten und Terroristen gebraucht wird, lehnt er ab - für ihn ist es ein nicht mehr zeitgemäßes und im heutigen Kontext "rassistisches" Gedankenkonstrukt. Unter anderen schrieb er die Bücher "Die Schöpfungsgeschichte" (Kissat al-Khaldk, 1999), "Islamische Traditionen" (Al-Islamiyat, 2001) und "Danke ... Bin Laden !!" (Shukran ... Bin Laden!!, 2004). Seine Gegner brandmarken ihn als "Ketzer", als "Beleidiger des Islams" und "Verteidiger eines dreckigen Säkularismus". Aus islamistischen Kreisen erhielt er mehrfach Todesdrohungen.
Erstarkte Islamisten in Ägypten konnten sich durchsetzen
Nach der Verleihung des Staatspreises an Kemni hatten islamistische Rechtsanwälte und Privatpersonen vor Gericht dagegen geklagt. Unter der Herrschaft des Präsidenten Hosni Mubarak blieben diese Schritte wirkungslos. Seit dem Abgangdes eher weltlich ausgerichteten autoritären Herrschers im Februar erstarken jedoch in Ägypten Islamisten und religiöse Eiferer. Der Staatsrat, ein hohes Richtergremium, das in Rechtsstreitigkeiten zwischen den Bürgern und staatlichen Institutionen entscheidet, schloss sich nun ihrer Einschätzung des abgestempelten Gelehrten an.
Die Schriften Kemnis würden "den Koran und die (überlieferte Tradition der) Sunna verletzen, die Propheten verächtlich machen und Gott beleidigen", begründete das Gremium in islamistischer Diktion seine Entscheidung. Da der Staatspreis aus Steuergeldern finanziert werde, "sollte er nicht an Gottesleugner und ihre Lehren verschwendet werden".