Flut am Balkan: Warnung vor Seuchen
SARAJEVO/BELGRAD. In den Hochwassergebieten von Serbien, Bosnien und Kroatien ist keine Entspannung in Sicht. Nachdem die Überflutungen in den drei Ländern bereits mehr als 40 Tote gefordert haben, steigt nun die Gefahr durch Landminen, darüber hinaus droht der Ausbruch von Seuchen. Von den Überschwemmungen besonders betroffen sind die Gebiete entlang der Save.
In Bosnien ist die Lage in Orasje besorgniserregend. An der Save wurde ein Schutzdamm aus zwei Millionen Sandsäcken errichtet, meldeten Medien. Im Gebiet von Zenica wurden unterdessen Dutzende Erdrutsche registriert. Im Dorf Serici, das nur mit Hubschraubern erreichbar ist, wurden mehrere Häuser von Schlammmassen mitgerissen. Allein in der nordbosnischen Stadt Doboj lagen bis Sonntag 20 Opfer in der städtischen Leichenhalle, wie Bürgermeister Obren Petrovic sagte.
Nach mehr als zwei Tagen drangen Rettungskräfte in die bosnische Stadt Samac vor. "Das ist die totale Verwüstung, es sieht vom Hubschrauber wie ein Meer aus", sagte Bürgermeister Savo Minic. Zwei Menschen seien tot, zwei weitere würden noch vermisst. Die Evakuierung verlaufe chaotisch. In der nordbosnischen Stadt Brcko begann gestern Nachmittag eine rasche Evakuierung von Einwohnern mehrerer umliegender Siedlungen. Zuvor war der Schutzdamm an der Save gebrochen. Milorad Dodik, Präsident der Republika Srpska, gab die finanziellen Auswirkungen unterdessen mit rund 500 Millionen Euro an.
Eine Million Menschen ohne Trinkwasser
Ein Viertel der Bevölkerung von Bosnien ist von den Überschwemmungen betroffen. Eine Million Menschen ist ohne Trinkwasser. Das sagte der Außenminister des 3,8-Millionen-Einwohner-Staates, Zlatko Lagumdzija, am Montag.
An die 100.000 Häuser und 230 Schulen und Gesundheitseinrichtung seien derzeit unbrauchbar, sagte Lagumdzija. Der Außenminister wollte bei einer Pressekonferenz in Sarajevo keine Angaben zu Opferzahl machen und wies darauf hin, dass diese noch nicht endgültig feststehen. Laut früheren Medienberichten wurden im kleineren Landesteil, der Republika Srpska, bisher 17 Todesopfer registriert, ein weiteres am Montag im größeren Landesteil, der Bosniakisch-Kroatischen Föderation.
Die Wasserflut habe allein in Doboj und Maglaj in nur drei Tagen Schäden in einem Ausmaß angerichtet, für den organisierte Streitkräfte laut Militärexperten monatelang brauchen würden, verdeutlichte der Außenminister.
Behörden warnen vor Seuchen
Wegen des Hochwassers befürchten die Behörden in Bosnien-Herzegowina nun den Ausbruch von Seuchen. Bei steigenden Temperaturen könnte von Tierkadavern verunreinigtes Wasser zum Ausbruch von Krankheiten wie Typhus oder Hepatitis führen, sagte der Leiter des Gesundheitsamts in Sarajevo.In erster Linie gehe es nun darum, eine sichere Wasserversorgung zu gewährleisten.
Bereits 19 Opfer in Serbien
Das Hochwasser in Serbien hat am Montag weitere Opfer gefordert. Nahe der Kleinstadt Sabac starben zwei Menschen, die sich geweigert hatten, die Siedlungen zu verlassen. Die Zahl der Hochwassertoten im Land ist damit auf 19 gestiegen. Einwohner weiter Teile Nordbosniens sowie West-, Ost- und Zentralserbiens warteten weiterhin auf eine Entspannung der Situation. Nach Angaben von Predrag Maric, Leiter des Dienstes für Ausnahmesituationen im Innenministerium, wurden in der Nacht auf Montag die Kohlekraftwerke bei Obrenovac und in Kostolac im Osten des Landes vor Überschwemmungen bewahrt. Auf die zwei Kraftwerke entfallen etwa drei Viertel der serbischen Stromproduktion. Die Überflutung der Anlagen hätte verheerende Folgen haben können. Bei Kostolac wurde der Fluss Mlava in einen neu errichteten Kanal abgeleitet.
Am Montagvormittag galt die größte Aufmerksamkeit der Situation in Sid und Sremska Mitrovica an der Grenze zu Kroatien, wo die Save, die in Kroatien über die Ufer getreten ist, die Region zu überschwemmen drohte. Hilfsmannschaften aus 17 Staaten, darunter Österreich, wurden in die Region entsandt. In Mali Zvornik, einer serbischen Kleinstadt an der Grenze zu Bosnien, drohte ein massiver Erdrusch den Grenzfluss Drina zu blockieren. Dadurch war auch die bosnische Stadt Zvornik am gegenüberliegenden Flussufer von Überflutungen bedroht.
In den Hochwassergebieten geht die Angst vor Plünderungen um. Innenminister Nebojsa Stefanovic kündigte ein rigoroses Vorgehen der Polizei an, um derartige Vorkommnisse zu verhindern. Sondereinheiten sind bereits in der größtenteils unter Wasser stehenden Stadt Obrenovac unterwegs, um Plünderer zu fassen. Die Bewohner werden erst zurückkehren können, wenn Militär und Gesundheitsdienste die gröbste Desinfektion vorgenommen haben. Veterinärdienste, die Tierkadaver beseitigen, sind seit Sonntag im Einsatz.
Oberösterreicher im Hilfseinsatz
In der serbischen Stadt Sabac und der Ortschaft Sremska Mitrovica, die am hochwasserführenden Fluss Sava liegen, ist eine oberösterreichische Feuerwehreinheit im Hilfseinsatz. Zwei Männer des Landesfeuerwehrkommandos, drei Männer der Feuerwehr Schärding und drei Bootsführer der Feuerwehr Steyregg verstärken den Internationalen Katastrophenzug des Landes-Feuerwehrverbandes Salzburg. Die Einsatzkräfte arbeiten daran, ein Stahlwerk vor der Überflutung zu schützen. Die Feuerwehreinheiten sind mit vier Motorbooten, zwei Rettungszillen, einem Kommandofahrzeug und zwei Last-Fahrzeugen im Einsatz, um bei Personenrettungen und Evakuierungen zu helfen. Derzeit sind 57 österreichische Feuerwehrmitglieder mit 17 Fahrzeugen im Katastrophengebiet, meldet das Landes-Feuerwehrkommando Oberösterreich.
Gefahr durch Minen
In den Flutgebieten auf dem Balkan wächst die Gefahr durch Landminen. Die Minenaktionszentren in Bosnien, Kroatien und Serbien stellten ein Team zusammen, das die Gefahr der Sprengkörper aus dem Krieg in den 90er Jahren einschätzen soll. Das MAC warnte, dass die Minen von Wasser und Schlamm weggeschwemmt werden könnten. Eine Mine sei auch nach Jahren noch eine tödliche Gefahr, selbst wenn der Zündmechanismus feucht geworden sei. Das Hochwasser habe auch Schilder zerstört, die vor den Sprengkörpern warnten. Aus dem Krieg zwischen Serben, Kroaten und Muslimen liegen laut MAC noch etwa 120.000 Landminen in Bosnien-Herzegowina.
Dämme gebrochen
Im Osten Kroatiens sind etwa 15.000 Menschen vom Hochwasser bedroht, viele von ihnen haben ihre Häuser verlassen müssen. Am Wochenende starb ein Mann, zwei Menschen gelten als vermisst. Die Hochwassergefahr sei noch nicht gebannt, sagte Ivica Plisic, Generaldirektor der Wasserwirtschaftsbehörde "Hrvatske Vode". Evakuierungen sind noch im Gange.
In zahlreichen Ortschaften in Slawonien im Osten des Landes brachen die Dämme der Save. Bilder aus der Krisenregion zeigten, dass das Wasser ganze Orte verschluckt hat, teilweise, wie etwa in Gunja, ragten nur die Dächer hervor. In Slavonski Brod wurden in der Nacht auf Montag präventiv 715 Menschen in Sicherheit gebracht.
EU verstärkt Katastrophenhilfe
Die Europäische Union hat ihre Hilfe für die Opfer der Flutkatastrophe in Serbien und Bosnien-Herzegowina verstärkt. Die zuständige EU-Kommissarin Kristalina Georgiewa sagte, die Hilfe gehe mittlerweile über das hinaus, was ursprünglich von den beiden Ländern erbeten wurde. Derzeit hätten 14 Staaten Hilfe eingeleitet, etwa 450 Helfer aus den EU-Ländern seien bereits an Ort und Stelle. "Es ist schnell klar geworden, dass der Bedarf so riesig ist, dass wir die Hilfe aufstocken mussten", sagte sie.
Derzeit leiste die EU vor allem akute Nothilfe, doch werde es in Zukunft auch um den Wiederaufbau in den beiden Balkanstaaten gehen. Der Einsatz in Bosnien-Herzegowina sei "sehr komplex": Dies liege nicht nur an der Teilung des Landes in verschiedene ethnische Gruppen, sondern auch daran, dass die Schäden zum Teil in Gebieten entstanden seien, die bisher noch nicht von Landminen freigeräumt worden seien. Serbien, das ein potenzielles EU-Beitrittsland ist, könne Geld aus dem europäischen Solidaritätsfonds beantragen, falls die Schäden höher als 0,64 Prozent des Bruttoinlandsprodukts seien. Für Bosnien-Herzegowina würden andere Möglichkeiten der Finanzhilfe geprüft.
Hilfe für Opfer
Angesichts der Hochwasser-Katastrophe rufen österreichische Hilfsorganisationen zu Spenden auf. In den von Überflutungen betroffenen Regionen fehlt es praktisch an allem: Trinkwasser, Lebensmittel inklusive Babynahrung, Hygieneartikel, Desinfektionsmittel, Medikamente, Kleidung, Decken und Matratzen.
Die Hilfsorganisationen bitten um Spenden:
Caritas: Erste Bank IBAN: AT23 2011100001234560 BIC: GIBAATWWXXX, Kennwort: Hochwasser Südosteuropa
Diakonie: Erste Bank IBAN: AT85 2011128711966333 BIC: GIBAATWWXXX, Kennwort: Fluthilfe Südosteuropa
Hilfswerk Austria International BAWAG P.S.K. IBAN: AT71 6000 0000 9000 1002 BIC: OPSKATWW Kennwort: Hochwasser Bosnien