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Amokfahrer: Ministerium und Anwälte verteidigen Urteil

Von nachrichten.at/apa, 03. Oktober 2016, 08:06 Uhr
Im Zentrum Amokfahrt Graz
Ist es Laienrichtern wirklich zumutbar, eine so schwierige Entscheidung zu treffen? Darüber diskutierten Experten Sonntagabend bei "Im Zentrum". Bild: Screenshot ORF TVthek

GRAZ/ WIEN. Mit einer Diskussion über Geschworenenprozesse hat der ORF Sonntagabend in der Sendung "Im Zentrum" mit Ingrid Thurnher das Urteil vom Grazer Amokfahrer-Prozess Revue passieren lassen.

Dabei wurde die geringe Bezahlung von Gerichtsgutachtern kritisiert. Einig waren sich die Diskussionsteilnehmer, dass der Gerichtsstandort Graz keine falsche Entscheidung war.

Gerhard Jarosch von der Vereinigung österreichischer Staatsanwälte fasste zusammen, warum Geschworenenprozesse schon öfter Kritik ausgesetzt waren und diskutiert wurden. Er nannte zwei "Pferdefüße": Zum einen werde den Laien eine große Verantwortung übertragen. Zum anderen müssen Geschworene nur einen Schuldspruch und keine Beweiswürdigung wie etwa die Berufsrichter vorlegen. Das mache es für den Obersten Gerichtshof schwerer, die Urteile anzufechten.

Bernhard Lehofer, Anwalt der Eltern eines Opfers der Amokfahrt, gab Jarosch in punkto Anfechtung recht, meinte aber, dass er in den Jahren bei Gericht immer den Eindruck hatte, "dass Geschworene wissen, was sie tun". Christian Pilnacek, Sektionschef für Strafrecht im Justizministerium, erklärte einen weiteren Vorteil von Geschworenenverfahren: Bei ihnen würde der Beweiswürdigung und den Befragungen mehr Zeit und Aufmerksamkeit geschenkt. "Diese Verfahren waren schon oft in Diskussion, aber sie sind Grundbestand der österreichischen Verfassung." Jarosch nannte als Alternative eine Mischform, etwa eine wie in Deutschland - dem großen Schöffensenat. Dabei würden die Laien auch bei der Urteilsfindung und nicht nur bei der Strafbemessung Hilfe von den Berufsrichtern bekommen.

"Mit der Stoppuhr kann man nicht arbeiten"

Psychiaterin Adelheid Kastner meinte auf die Frage von Thurnher, ob der Geisteszustand zum Tatzeitpunkt im Nachhinein nicht immer schwer einzuschätzen ist, dass Gutachten vor allem Zeit brauchen. Gerade das könnte aber ein Problem sein, denn das Honorar für eine Expertise liege bei unter 200 Euro. "Kann der Preis da nicht mit der Sorgfaltspflicht kollidieren?" wollte Thurnher wissen. Kastner meinte, wenn jemand Gutachter ist, dürfe das Honorar nicht ausschlaggebend sein: "Mit der Stoppuhr kann man nicht arbeiten." Dass sie als Sachverständige zum Beispiel 300 sorgfältige Gutachten pro Jahr macht, könne sie sich nicht vorstellen, obwohl sie oft auch abends und am Wochenende arbeite. Pilnacek meinte zu "dauerbeschäftigten" Gutachtern, dass es zu wenig Auswahl geben würde: "Das hängt von der Honorierung ab, aber auch von den Med-Unis." Diese würden zu wenig Fachärzte ausbilden.

Der Gerichtsstandort Graz war im Vorfeld und auch noch während des Prozesses von manchen kritisch betrachtet worden. Pilnacek erklärte, dass das Gesetz den Standort nach dem Tatortprinzip vorgibt: "Es gab keinen Anhaltspunkt, dass Stimmungen mitgeschwungen sind oder dass nicht in Graz verhandelt werden könnte." Ein anderer Standort sei auch für die zum teil gehbehinderten Opfer schwieriger zu erreichen gewesen. "Die Justiz hat sich nicht schlecht verhalten", hielt er fest. Jarosch unterstrich seine Ansicht: "Das Verfahren wurde einwandfrei geführt." Alen R.s Verteidigerin Liane Hirschbrich sagte, sie habe keinen anderen Standort beantragt, weil ihr Mandant bis zuletzt gehofft hatte, dass sich Zeugen melden, die damals ebenfalls Schüsse gehört haben und damit seine Verantwortung stützen.

Obwohl der vorsitzende Richter den sogenannten Wahrspruch der Geschworenen nicht aufgehoben hat - dazu hätte er rechtlich gesehen die Möglichkeit, wenn er meint, dass sie sich geirrt haben - liegt das Urteil demnächst beim Obersten Gerichtshof (OGH), denn Hirschbrich hat Nichtigkeitsbeschwerde angekündigt. Sie will ihren Mandaten nicht im Gefängnis, sondern in einer Anstalt sehen. Der OGH muss nun entscheiden, ob Formalmängel vorliegen. Er könnte das Urteil aufheben und die Verhandlung müsste von einem neuen Gericht wiederholt werden. Lehofer meinte aber, er halte die Nichtigkeit für wenig aussichtsreich.

Kastner versuchte den Unterschied der Einweisungsformen zu veranschaulichen: "Das ist kein Vergleich Äpfel mit Birnen, sondern wie Äpfel mit Fahrrädern." Ist der Amokfahrer nicht zurechnungsfähig komme er in eine "spitalsanaloge" Einrichtung. Die sei ebenfalls eine geschlossene Einrichtung, im Vordergrund stehe der medizinische Aspekt. Wird Alen R. aber - wie nun von den Geschworenen - für den Tatzeitpunkt zurechnungsfähig erklärt, bekommt er eine Strafe und parallel zu ihr werden die Maßnahmen vollzogen. Das heißt, der Verurteilte kommt in eine Gefängnisstruktur mit therapeutischen Maßnahmen: "Die Justizwache ist da aber sehr präsent und bestimmt den Alltag. Medizinisches steht nicht im Vordergrund." Die Psychologin stellte auch klar, dass eine Schizophrenie nicht heilbar, sondern nur behandelbar ist.

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7  Kommentare
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observer (22.199 Kommentare)
am 05.10.2016 17:17

Wenn schwerwiegende Gründe vorliegen, dann kann der "Wahrspruch" der Geschworenen ausgesetzt und für ungültig erklärt werden - das passiert auh gelegentlich. Auch gibt es einen Instanzenzug und die Möglichkeit eines Berufungsverfahrens. Dass die Geschworenen ihr Urteil nicht begründen müssen ist nur zu begrüssen. Es soll ja gar nicht so sein, dass es dem Obersten Gerichtshof leicht gemacht wird, die Urteile aufzuheben, das soll ja nur in wirklichen Ausnahmefällen der Fall sein. Ansonsten pfuschen die obersten RichterInnen ja immer gerne hinein, indem sie Teilurteile aufheben - gleich wieder neuer Prozess oder die Strafen ermässigen. Vor Geschworenengerichten landen ja sowieso nur schwere Starftaten und da braucht die Position der Angeklagten wirklcih nicht noch weiter verbessert werden, auch wenn es in Österreich welche gibt, die andauernd die Strafandrohungen etc. von VerbrecherInnen ermässigen wollen - siehe Gültigkeit des Jugendstrafrechts bis 21 !!! Jahre. Danke Justizuminister B.!

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observer (22.199 Kommentare)
am 05.10.2016 17:24

Und der Hr. Justizminister B. hofft jetzt offensichtlcih auf eine "Reform´" sprich Zahnlosmachung und Entschärfung der Geschworenengerichte noch in dieser Legislaturperiode, damit Urteile leichter bekämpft werden können. Dieser Justizminister sollte in seinen Beruf als Strafverteidiger Zurückkehren oder zurückgeschickt werden. Bei den Gesetzen bzgl. Drogenkriminalität ist er ja auch schon strafmildernd in Erscheinung getreten, auch wenn er nachher etwas zurückrudern musste, weil die Dealer der Polizei auf der Nase herumgetanzt sind, ohne dass die was dagegen tun konnte. Er hat sein "Soll" also schon übererfüllt. Ich wünsche mir einen scharfen Justizminister, der seine Aufgabe darin sieht, das Verbrechen wirkunsvoll zu bekämpfen und strafmässig scharf zu ahnden, nicht einen, der es den VerbrecherInnen leichter machen will, Urteil auszuhebeln und niedrigere Strafen via Obersten Gerichtshof zu kriegen.

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kratzfrei (19.103 Kommentare)
am 04.10.2016 01:41

Es gibt sich schon wieder ein paar die bei diesem Urteil ein Haar in der Suppe finden wollen. Medialer öffentlicher Druck usw.
Die medizinischen Gutachten waren selbst so unterschiedlich, dass von dieser Seite sich Kritik erübrigt.
Und wenn man öffentlichen Druck ins Spiel bringt, dann führe man sich vor Augen was so alles gegenüber Grasser an rechtsstaatlich zumindest fragwürdigen Aktionen möglich war.
Oder gar Franz Fuchs, den wohl kaum ein medizinischer Gutachter Unzurechnungsfähigkeit zu attestieren gewagt hätte - alleine des medialen und öffentlichen Drucks wegen.

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kratzfrei (19.103 Kommentare)
am 04.10.2016 01:47

Ich erinnere mich als Anfang der 80-iger Jahre im Religionsunterricht von einem Computerspiel in den USA die Rede war, wo es darum ging möglichst viele Fussgänger auf einem Gehsteig zu überfahren.
So etwas befremdliches war damals eigentlich zu utopisch und daher zu absurd um es für real zu halten.
Jetzt ist es schon mehrfach zur Realität geworden und wenn man weiß, dass der Amokfahrer in Graz mit so einem Computerspiel trainiert hat, dann kann uns wohl keiner erzählen, dass diese Tat nicht geplant war.

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hepusepp (6.259 Kommentare)
am 03.10.2016 10:52

So ein Prozess muss ein gutes Geschäft sein, für Gutachter, Anwälte usw. sonst würde nicht so gerne gestritten, und das alles zum Schutz und Rechte des Täters, die Opfer sind halt selber schuld!

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mitreden (28.669 Kommentare)
am 03.10.2016 08:20

der ohg wird hoffentlich die nichtigkeitsbeschwerde ablehnen.
und dann soll schluss sein.....

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herst (12.755 Kommentare)
am 03.10.2016 11:14

ohg (Offene Handels Gesellschaft)??? wird hoffentlich die nichtigkeitsbeschwerde ablehnen. Ja,hoffent´lich is de a zuaschtendi...

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