Aliyev-Prozess: Beweisanträge der Staatsanwaltschaft
ASTANA. Zu Beginn des vierten Verhandlungstags im Prozess um die Ermordung und Entführung der kasachischen Banker Zholdas Timraliyev und Aybar Khasenov hat Staatsanwalt Markus Berghammer mehrere Beweisanträge vorgelegt.
So will er jenen Agenten des kasachischen Geheimdiensts KNB hören, der dem angeklagten Ex-KNB-Chef Alnur Mussayev angeblich den späteren Fundort der Leichen bezeichnet haben soll.
Mussayev hatte in seiner Beschuldigteneinvernahme in der vergangenen Woche erklärt, der Agent habe ihm auf einer Landkarte den Ort gezeigt, an dem die toten Banker vergraben worden waren. Ihre sterblichen Überreste wurden erst im Mai 2011 - über vier Jahre nach ihrem Verschwinden - in der Remisovka-Schlucht bei Almaty entdeckt. Der Agent habe ihn vorher dazu bringen wollen, offiziell zu bestätigen, dass er Bescheid wisse, wo die Leichen liegen, so Mussayev. In Wahrheit habe er davon aber keine Kenntnis gehabt. Der Agent habe ihm außerdem ein Acht-Punkte-Programm vorgelegt, wie er sich zu verhalten habe, nachdem er sich in Österreich niedergelassen hatte.
Berghammer möchte auch die ehemalige Lebensgefährtin Mussayevs als Zeugin befragen, da der 61-Jährige behauptet, zum Zeitpunkt, als die Banker laut Anklage von ihm sowie dem ehemaligen kasachischen Botschafter in Wien, Rakhat Aliyev, und dessen Assistenten Vadim Koshlyak umgebracht wurden, zu Hause gewesen zu sein. Weiters will der Anklagevertreter jenen Beamten des Bundeskriminalamts hören, der Mussayev belastende Skype-Gespräche ausgewertet und verschriftlicht hatte. Der Ex-KNB-Chef behauptet, dieses Beweismaterial sei im Nachhinein manipuliert worden.
Nachdem sich in der ersten Verhandlungswoche bereits eine Ersatzgeschworene krankheitsbedingt entschuldigt hatte, ist in dem Schwurprozess nun auch eine Hauptgeschworene ausgefallen. Wie der Vorsitzende Andreas Böhm am Mittwoch im Straflandesgericht bekannt gab, hat ihn die Laienrichterin telefonisch unterrichtet, dass sie derart angeschlagen sei, dass sie das Haus nicht verlassen könne. "Ich hoffe, das passiert nicht noch öfter", konstatierte Böhm, der acht Haupt- und acht Ersatzgeschworene geladen hatte. Am Ende des Beweisverfahrens muss zumindest noch die Hälfte davon vorhanden sein, da das Gesetz acht Laienrichter vorsieht, die alleine die Schuldfrage zu klären und im Fall von Schuldsprüchen gemeinsam mit den drei Berufsrichtern das Strafausmaß festzulegen haben, das über die Angeklagten verhängt wird. Diesen drohen zehn bis 20 Jahre oder lebenslange Haft.
Mit dem früheren Nurbank-Vorstandsvorsitzenden Abilmazhen Gilimov ist am heutigen Verhandlungstag der erste Zeuge geladen. Aliyev, Koshlyak und weitere, für die österreichische Justiz nicht greifbare Mittäter sollen ihn Jänner 2007 entführt haben, nachdem es in der Nurbank zu finanziellen Unregelmäßigkeiten gekommen war. Gilimov soll - entsprechend unter Druck gesetzt - Anteile an der Bank an die damalige Ehefrau Aliyevs, die Tochter des kasachischen Staatschefs Nursultan Nasarbajew, überschrieben haben. Nachdem es ihm gelungen war, mit seiner Ehefrau in telefonischen Kontakt zu treten, wurde der Banker nach 24 Stunden wieder freigelassen.
Zunächst nahm Staatsanwältin Bettina Wallner aber noch Koshlyak ins Kreuzverhör. Sie stellte ihm eine Reihe von Fragen, die der Mann nicht beantworten konnte, weil er - wie er immer wieder geltend machte - nur Befehle Aliyevs ausgeführt und keine eigenen Entscheidungen getroffen habe. "Das ist wieder so eine Frage, die Sie nicht mir, sondern dem Herrn Aliyev hätten stellen sollen", bemerkte der 42-Jährige. Aliyev war Ende Februar erhängt in seiner Zelle im Landesgerichtlichen Gefangenenhaus aufgefunden worden. Die Justiz geht von Selbstmord, eine offiziell bestätigte Todesursache liegt allerdings nach wie vor nicht vor.