"Wir wurden herzlich empfangen"
Mit 14 Jahren kehrte Eva Fuchs 1956 ihrer ungarischen Heimat den Rücken. Bernhard Lichtenberger erzählte sie von ihrer Flucht nach Österreich.
Die Russen seien da, er könne nun nicht mehr reden, sagte der Radiosprecher. "Dann war nur noch das Schießen aus dem Lautsprecher zu hören", erinnert sich Eva Fuchs an den 4. November 1956. Sie hieß damals noch Eva Ban Korsós, war 14 Jahre alt und hatte eben die achtjährige Grundschule abgeschlossen.
Der ungarische Teenager aus Güns (Köszeg) war bei seinem um 15 Jahre älteren Bruder Alexander auf Besuch in Steinamanger (Szombathely), als an diesem Sonntag der magyarische Traum der Freiheit platzte, der die Menschen mit dem Aufstand vom 23. Oktober ergriffen hatte. "Zieht euch an, was ihr habt – wir gehen!" Mit diesen Worten entschied der Lehrer Alexander, angesichts der vorrückenden russischen Panzer mit seiner Frau Esther, der zweieinhalbjährigen Tochter Etelka und seiner minderjährigen Schwester Eva aus der Heimat zu fliehen.
Im Schlamm versunken
Ihre wenigen Habseligkeiten tragend, brachen sie zu Mittag in Richtung des Grenzortes Pernau (Pornóapáti) auf. An den Tagen davor hatte es geregnet, die Wege waren matschig. "Wir sind bei jedem Schritt im Schlamm versunken. Unterwegs hieß es, die Panzer seien schon auf dem Weg nach Pernau, wo eine Kaserne war. Die Pferde des Militärs grasten auf der Wiese, die Soldaten hatten ihre Posten verlassen und waren ebenfalls geflüchtet", sagt Eva Fuchs, deren Schicksal den zurück gebliebenen Eltern in Güns ausgerichtet wurde. "Unsere erste Station war Deutsch-Schützen. Wir wurden herzlich empfangen und bekamen gleich ein Schnitzel zu essen – obwohl es den Österreichern selbst noch nicht so gut ging."
Bald gab es ein Wiedersehen mit ihrem Bruder Johann, der sich bereits 1955 mit 23 Jahren "durch den Stacheldraht" ins Burgenland durchgeschlagen hatte und in einer Tischlerei in Großwarasdorf arbeitete. "Johann hatte sich nicht mehr zurechtgefunden. Er wollte raus", erzählt Eva. "Wir lebten in Güns nur zwei Kilometer von der Grenze entfernt. Als sie eines Nachts wieder geschossen haben, sagte meine Mama: ,I glaub’, der Hansl is ummi.’"
In Großwarasdorf halfen Alexander und Eva im Garten und im Stall, Schwägerin Esther packte in der Küche mit an. Als die Grenze noch offen war, versuchten die Eltern noch einmal, ihre Eva zur Heimkehr zu überreden. "Aber man hatte doch vom goldenen Westen gehört, davon, dass es draußen besser ist. Daheim mussten wir uns um alles anstellen, um Brot, um Öl. Ich wollte nicht mehr zurück."
Über Kobersdorf, wo sie in einem Gasthaus als "Mädchen für alles" eingeteilt war, kam sie schließlich nach Linz, wo Bruder Alexander im Evangelischen Schülerheim am Spallerhof eine Stelle als Erzieher bekam. "Du musst etwas lernen, sonst werfen uns die Eltern vor, dass aus dir nichts geworden ist, hat mein Bruder gemeint. Dann werde ich Verkäuferin, habe ich gesagt." Gemeinsam klapperten sie die Landstraße ab und fragten in Geschäften, ob sie jemanden brauchten. "Aber sie haben mich nicht genommen, auch wegen der Sprache." Während ihr Bruder noch in Deutsch maturiert hatte und auch in Güns die deutsche Sprache weit verbreitet war, "hat mich das nicht interessiert. Wir mussten in der Schule Russisch lernen", sagt die heute 74-Jährige.
Schließlich wurde ihr die Rutsche zu einem Lebensmittelgeschäft gelegt, dessen Betreiber sie erst den Haushalt schupfte, bevor sie im Laden drei Jahre in die Lehre ging. "Das Deutschlernen war nicht leicht", erinnert sich die gebürtige Ungarin, "vor allem in der Berufsschule. Vieles habe ich nicht verstanden, sehr viel auswendig gelernt, vor allem für den geschäftlichen Schriftverkehr."
Als Verkäuferin einer Oppermann-Filiale in Wegscheid lernte sie den Innviertler Karl Fuchs kennen und lieben, der in einer nahen Firma arbeitete und sich bei ihr immer die Jause kaufte. 1963 wurde geheiratet. Im selben Jahr durfte Eva Fuchs, mittlerweile österreichische Staatsbürgerin, zum ersten Mal wieder nach Ungarn fahren, um die Eltern zu besuchen. "Dabei hatte ich Angst, ob sie mich auch wieder hinauslassen. Das Szenario an der Grenze war furchtbar. Sie haben mich auch gefragt, wieso ich meine Heimat verlassen habe, wie man so etwas tun könne. Beim Abschied von den Eltern gab es immer Tränen – aber ich war jedes Mal froh, wenn ich wieder draußen war", sagt Eva Fuchs.
Und dennoch: "Heimat ist, wo man geboren wurde. Das vergisst du nicht." Und so fährt sie nach wie vor nach Ungarn, auch jetzt wieder, zu Allerheiligen. Der Papa ist seit 1972 tot, die Mama 1984 gestorben. "Ich bin die Letzte, die sich um das Grab kümmert. Das werde ich tun, solange es geht."
Die aktuelle Flüchtlingskrise geht der einst Geflüchteten nahe. "Die sind wirklich arm", sagt sie. "So arm waren wir nicht. Ein Lager ist mir erspart geblieben." Und was hält sie von der harten Linie des ungarischen Premiers Viktor Orbán in der Flüchtlingsfrage? "Das kann ich nicht verstehen."
Gerade vorhin war im Fernsehen ein Bericht darüber, wie sich die Burgenländer alle Aufwendungen übergroßzügig vom Land refundieren lassen haben. Das ist mir vollkommen neu gewesen.
letzthin hat jemand im Forum geschrieben dass Ungarn nie ihr Akzent ablegen wenn sie deutsch oder eine andere Sprache sprechen ...ich sagte NEIN !
und der bester Beweis lieferte ein ex Ungarn auf OÖ Fernsehen der AKZENTFREI sprach ...
Aber bei Namen nennt er trotzdem noch zuerst Zuname, dann Vorname