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Digitalisierung: Quo vadis, Oberösterreich?

Von Ulrike Rubasch   24.Juni 2017

  • Die OÖNachrichten luden zum Frühstück mit Digitalisierungs-Experten
  • Angst vor unbekannten Folgen der Digitalisierung verhindert Fortschritt.

Oberösterreich hat Nachholbedarf. Die Position Oberösterreichs beim Thema Digitalisierung entspricht nicht seinem sonstigen Gewicht als Wirtschafts- und Industriebundesland. Woran das liegt und wie sich unser Bundesland der digitalen Zukunft stärker öffnen kann, diskutieren die OÖNachrichten in einem neuen Format: dem Digital-Frühstück.

Dabei sitzen drei Gäste, die in der oberösterreichischen Digital-Szene Bedeutung haben, völlig altmodisch bei analogem Kaffee und Gebäck zusammen und debattieren. Zum Start dabei waren Christoph Steindl, Geschäftsführer des Linzer Software-Unternehmens Catalysts, Martina Mara, Medienpsychologin am Ars Electronica Futurelab, und Markus Seiringer von der Kommunikationsagentur Vorauer & Friends in Thalheim bei Wels.

Der Anspruch an diese (jedes Mal wechselnde) Runde ist auch, die Ankündigungen der Landesregierung zur Digitalisierung zu überprüfen und an der Realität zu messen. Weiters interessiert uns der persönliche Umgang der Frühstücksgäste mit der Digitalität. Dazu gibt es online Kurz-Videos mit den Frühstücksgästen im kurzweiligen Word-Rap-Format.

Digitalisierung: Quo vadis, Oberösterreich?
OÖN-Frühstücksrunde v.l.: Martina Mara, Clemens Thaler, Ulrike Rubasch, Christoph Steindl, Markus Seiringer, Gerald Mandlbauer, Tom Arnoldner

OÖNachrichten: Ist Oberösterreich ein guter Boden für eine digitale Zukunft?

Steindl: Man kann sicher etwas daraus machen, besonders leicht wird es einem nicht wirklich gemacht. Es ist zwar von Seiten der Politik ein gewisses Wollen, quasi weg von der Stahlstadt hin zur Smart City, zu bemerken. Doch gibt es keine besonders großen Initiativen, die einen wirklichen Anschub geben könnten. Ich möchte Oberösterreich nicht schlechtreden, aber wenn wir global gesehen nicht extrem gut werden, werden wir kaum eine Rolle spielen. Großes Potenzial sehe ich für die Digitalisierung in der Tabakfabrik.

Mara: Eigentlich sind die Voraussetzungen in Oberösterreich dafür gar nicht so schlecht. Große Industrie, ein paar gut etablierte Start-ups, Fachhochschule, Kunstuni, Ars Electronica Center, Business Angels. Doch wir im AEC Futurelab merken, dass es extrem schwierig ist, junge Leute nach Linz und Oberösterreich zu bekommen. Wir haben superinteressante Jobs an der Schwelle von Technik zur Kreativität, werden aber oft gefragt: "Warum seid ihr nicht in Wien? Dorthin würde ich sofort gehen." Mich ärgert, dass Linz und Oberösterreich zu wenig aus dieser möglichen digitalen Identität machen. Man muss natürlich viel ändern und fördern, aber gerade für Studenten gäbe es schon ein sehr attraktives Netzwerk im digitalen Bereich. Es werden Initiativen gestartet wie die Unesco City of Media Arts, wo großartig die tolle Marke angekündigt wurde. Gemacht wird damit offenbar nichts.

Seiringer: Unsere Marktforschung und Erfahrung zeigen, dass sehr viele Menschen hier einfach Angst vor der Digitalisierung haben, weil sie das alles gar nicht verstehen. Institutionen wie die Oberösterreichischen Nachrichten und große Industriebetriebe sollten die Bürger an die Hand nehmen und, ich möchte fast sagen, ein gutes Gefühl zur Digitalisierung verkaufen. Man muss den Menschen sagen, was sie von der Digitalisierung haben.  

Digitalisierung: Quo vadis, Oberösterreich?
Markus Seiringer, Vorauer & Friends

Wenn sie dann die Digitalisierung akzeptiert haben, wird der Schwung in diese Richtung gehen. Der Amerikaner hat keine Angst davor, er probiert. Auch wir Österreicher der jüngeren Generation freuen uns, was mit der Digitalisierung alles möglich ist, dass wir durch sie besser leben. Aber die anderen 90 Prozent haben einfach Angst davor.

Die Angst als Hindernis für die Digitalisierung?

Mara: Vieles ist sehr abstrakt: künstliche Intelligenz, Robotik, Industrie 4.0. Ich als Technik-Psychologin kann sagen, dass viele dieser Themen sehr stark angstbesetzt sind, weil die Menschen nicht abschätzen können, was das für ihren Alltag bedeuten kann. Da sehe ich zum Beispiel auch die OÖNachrichten gefragt, ausführlicher darüber zu berichten.

OÖNachrichten: Dazu ein aktuelles Beispiel aus unserem Haus: Wir haben begonnen, Seminare für Senioren zum Umgang mit dem Smartphone anzubieten. Wir werden bei diesem Angebot praktisch überrannt.

Wie kann man die Ängste nehmen?

Mara: Offen kommunizieren. Mich stört es, dass die Industrie bloß von mehr Arbeitsplätzen und Wohlstand durch die Digitalisierung spricht und nicht davon, dass die Automatisierung auf der anderen Seite viele Jobs vernichtet. Wir sollten diskutieren, was uns die Digitalisierung wirklich bringt, welche Freiheiten sie uns ermöglicht.

Seiringer: Ja, zu erzählen, dass es toll ist, sich mit so vielen Leuten zu verknüpfen, dass mit Digitalisierung die Lebensqualität vorne steht. Wir müssen ehrlich mit dem Thema umgehen, auch sagen, was alles passieren kann, die Leute mit Emotionen abholen.

Steindl: Es gab immer Angst vor Neuerungen. Zuletzt bei der Globalisierung. Und heute: Wer hat sich nicht an den Euro und an Grenzen ohne Passkontrolle gewöhnt? Und wir können uns heute fast alle Informationen aus dem Internet holen. Natürlich gibt es bei Neuerungen nicht für alle eine Garantie, dass sie überleben.

Linz war vor 30, 40 Jahren einmal das Zentrum der Informatik in Österreich. Hat man das verspielt?

Steindl: Das ist nichts Außergewöhnliches. Der Trend geht zu größeren Strukturen und Städten. Im Web haben wir das mindestens so, wo die großen Firmen wie Google, Facebook, Amazon quasi Monopolisten geworden sind. Der Zug zu großen Städten wie Berlin, Zürich und London für junge, talentierte Leute ist stark, Linz und Österreich sind austauschbar. Dass wir da wieder die Leuchtkraft entwickeln, dafür müssen wir viel tun.  

Beim Regionenindex, in dem rund 80 Regionen verglichen werden, sind wir aktuell von Platz 49 auf 51 abgerutscht. Das ist nicht toll. Ich selbst bin vom Waldviertel nach Linz gekommen, um das damals neue Studium Mechatronik zu studieren. Im Uni-Orchester hab ich meine Frau kennengelernt und bin deswegen in Linz hängengeblieben.

Haben wir bei der Digitalisierung ein Nachwuchsproblem in Oberösterreich?

Seiringer: Wir haben ein massives Nachwuchsproblem. Wir tun uns extrem schwer, nach Wels die richtigen Leute zu bekommen. Von unseren drei Software-Entwicklern ist nur einer aus Österreich, die anderen aus Ägypten und Kroatien. Die bleiben ungefähr ein halbes Jahr, dann gehen sie nach Berlin, London. Die Suche beginnt von Neuem. Leute aus der Kreativbranche wollen nicht in die Linzer Gegend ziehen, unser größter Konkurrent ist aus meiner Sicht Salzburg. Von den Top-5-Digitalagenturen in Österreich sitzen drei dort. Wir hätten die Aufträge, um locker 20 Entwickler aufzunehmen, finden sie aber nicht.

Steindl: Es wäre gut, im Kindergarten schon mit Mathematik, die Freude macht, zu beginnen. Coding, also das Programmieren, sollte die erste Fremdsprache werden. Junge Talente sollten auch sichtbar gemacht werden, dann können sie gefördert werden und bekommen gute Trainings- und Praktikumsmöglichkeiten. Wenn wir unsere digitale Zukunft voranbringen wollen, brauchen wir auch Kräfte aus dem Ausland. Wir suchen jedes Jahr weltweit Talente mit unserem Coding-Contest, bei dem in zehn Ländern mittlerweile 2200 Programmierer teilnehmen.

Digitalisierung: Quo vadis, Oberösterreich?
Christoph Steindl, Gründer des IT-Unternehmens Catalysts

Klassische Betriebswirtschaftsregeln gelten offenbar nicht mehr in der digitalen Welt. Gibt es ein neues Gebot von Tempo, Begeisterung, Experimentieren?

Steindl: Ganz klar ja! Die digitalen Start-ups von heute experimentieren vor allem. Und ja, man muss es sich auch leisten können – 15 von 20 Start-ups werden kein großer Erfolg. Deshalb sind die jüngsten Finanzierungsinitiativen in Oberösterreich ganz wichtig. Da kommt auch die Industriestruktur Oberösterreichs positiv ins Spiel, weil diese starken Unternehmen den weltweiten Markt für die digitalen Ideen erschließen können. Industrie und Digi-Start-ups wachsen zusammen. Wer als Unternehmen die Digitalisierung in zehn bis fünfzehn Jahren nicht gelernt hat, den gibt es dann nicht mehr.

Wo sehen Sie die Schattenseiten der Digitalisierung?

Mara: Grundsätzlich verhandeln wir als Gesellschaft gerade, wie wir mit diesen Technologien umgehen sollen. Diese digitalen Medien sind ja trotzdem etwas sehr Neues, Junges in Relation zur Zeitung oder zu einem Buch. Es wird noch eine Zeit dauern, bis wir für uns den besten Weg finden, damit umzugehen.  

Wir sollten über die Risiken und Schattenseiten auch offen reden. Viele Menschen haben beispielsweise das Gefühl, sie kommen mit der Geschwindigkeit nicht mehr mit. Andere schaffen die dauernden Push-E-Mails kaum mehr, wieder andere haben am Abend 350 E-Mails im überfüllten Postfach. Digital Detox ist nicht umsonst ein Trendwort geworden.

Zu den beängstigenden Nebenwirkungen der Digitalisierung gehört, dass die Menschen vor lauter Smartphone-Tippen das Reden miteinander verlernen. Ist das so?

Mara: Nachgewiesen ist das nicht. Da sind wir gerade im Lernprozess. Die Regeln kann man nicht verordnen, mit Verboten kann man bei Jugendlichen zum Beispiel wenig erreichen. Die Leute spüren schon, dass sie zu viel Zeit hinter Bildschirmen verbringen. Seiringer: Beängstigend finde ich das eigentlich gar nicht, wenn eine Familie am Esstisch sitzt und jeder sein Handy neben sich liegen hat.  

Meine Frau zum Beispiel ist Bloggerin, ich habe eine Firma zu führen. Mein kleiner eineinhalbjähriger Sohn hat noch kein eigenes Smartphone. Ich schaue E-Mails, meine Frau die Conversions (conversion rate = Begriff aus dem Online-Marketing, Anm.). Nein, ich finde das nicht beängstigend. So kann man die Geschichten dahinter verstehen lernen, was der andere eigentlich tut.

 

Unsere Gäste waren...

Christoph Steindl: Gemeinsam mit Christian Federspiel gründete der Waldviertler vor zehn Jahren in Linz das IT-Unternehmen Catalysts, spezialisiert auf individuelle Softwarelösungen. Aus einem Start-up wurde ein Unternehmen mit rund hundert Mitarbeitern und Standorten in Hagenberg, Wien, Frankfurt und Rumänien.

Martina Mara: Die oberösterreichische Medienpsychologin leitet am Ars Electronica Futurelab den Forschungsbereich RoboPsychology. Dabei untersucht sie, wie Roboter künftig aussehen und kommunizieren sollen, damit wir Menschen uns mit ihnen wohlfühlen. Mara schreibt jeweils dienstags für die OÖN eine Kolumne.

Markus Seiringer: Der auf digitale Kommunikation spezialisierte Werbefachmann ist bei der Agentur Vorauer&Friends mit 50 Mitarbeitern in Thalheim bei Wels Kreativdirektor und geschäftsführender Gesellschafter. Peter Vorauer ist der Mehrheitseigentümer. Seiringer wird laut Vorauer in den nächsten Jahren übernehmen.

 

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28. März 2024