Lade Inhalte...
  • NEWSLETTER
  • ABO / EPAPER
  • Lade Login-Box ...
    Anmeldung
    Bitte E-Mail-Adresse eingeben
    Bitte geben Sie Ihre E-Mail-Adresse oder Ihren nachrichten.at Benutzernamen ein.

gemerkt
merken
teilen

Die Ennsleite ist kein Nobelviertel, darauf kann sie stolz sein

Von Hannes Fehringer, 27. Mai 2016, 00:04 Uhr
Bild 1 von 10
Bildergalerie Unterwegs in der Steyrer Arbeiterstraße
Bild: Josef Moser

STEYR. Arbeiterviertel war im Bürgerkriegsjahr 1934 Widerstandsnest der verzweifelten Gegnerschaft der faschistischen Diktatur. Im Wohnblock herrschen heute Gefühle, gegenüber Ausländern benachteiligt zu werden. Aber nicht alle Mieter teilen die Ängste.

Die Ennsleite scheint neben der Erdigkeit ihrer Bevölkerung mitunter auch ein Nährboden für Streit zu sein. In der Kammermayrstraße 10, ein Katzensprung quer zur Arbeiterstraße, wurden am 12. Februar 1934 bei einem Schusswechsel in einer Baracke Johann Zehetner und dessen Lebensgefährtin Josefine Naglseder getötet. Mitglieder des Republikanischen Schutzbundes und der Heimwehr wohnten in der Bretterbude Tür an Tür. Als die Schutzbündler unter dem Fußboden ein Waffenversteck aushoben, wurden sie von den Gegnern erwischt.

Die Baracken auf der Ennsleite sind längst abgerissen, stattdessen wurden in den Aufschwungsjahren in der Kreisky-Ära Gebäudeblöcke auf die Wiesen gestellt, um den Wohnungsbedarf zu stillen. Die kommunale GWG hat nachträglich außen an die Stiegenhäuser Lifte angebaut, was das Straßenbild der Arbeiterstraße prägt. Das wird als große Erleichterung empfunden - auf anderem Gebiet schimpfen Bewohner. "Im Nachbarblock wohnen bis auf eine Familie nur noch Ausländer", sagte eine alteingesessene Ennsleitnerin, die ihrer Tochter gerade beim Möbelpacken half. "Gut, dass sie wegzieht", merkte die Mutter an. Am Spielplatz habe sie die Spielsachen ihrer Kinder beschriftet, weil ihnen im Sandkasten Schäufelchen und Kübelchen immer gestohlen worden seien.

Man hört Stiegenhaustratsch, dass Hausparteien fremder Herkunft Essensreste einfach den Balkon herunterwürfen. Auf dem Gehsteig fängt man Gesprächsfetzen auf, wonach die Ausländer mit ihrem Kinderreichtum schon bald das Kommando im Land übernehmen würden. Manche Leute beklagen, dass bei Reibereien, die sie mit zugewanderten Nachbarn hätten, niemand hilft und schlichtet. In den Genossenschaftsbau ist das Gefühl eingezogen, als Österreicher benachteiligt zu werden, wofür in der einst erzroten Hochburg bei Wahlen blaue Denkzettel verpasst werden. Szenenwechsel - es soll nicht der falsche Eindruck entstehen, dass auf der Ennsleite nur der Grantscherm umgeht. Im Gegenteil: Auf dem Fun-Court neben dem Spar-Supermarkt sind die Fußballbuben ein Abbild der Nationalmannschaft: Kinder mit und ohne Migrationshintergrund passen einander zu, sind Freunde auf dem Kunstrasen. Im Park vor dem Wasserhaus Wokralstraße trifft man auf ein Sit-in wie im Hyde Park in London. Eine Clique junger Erwachsener sitzt im Gras, genießt den Frühlingstag. "Auf der Ennsleite leben wir gut zusammen", sagt Roland, ein Papa mit Kinderwagen, "egal wo wer herkommt."

 

Nächste Woche in der Steyrer Zeitung: die Pfarrgasse

 

Interview
Bild: Josef Moser

Interview... Mit Ernst Pimingstorfer

Der Priester wollte am eigenen Leib verspüren, was es heißt, als Schichtarbeiter am Band zu stehen. Ernst Pimingstorfer heuerte daher im August 1967 als Volontär in den Steyr-Werken an und schraubte in der Nachtschicht Traktoren zusammen. Der mittlerweile im Ruhestand befindliche Altpfarrer der Ennsleite stand auch für eine Versöhnung der Kirche mit der Arbeiterschaft.

 

  1. Die Kirche auf der Ennsleite wird nicht nur von Gläubigen besucht, sondern auch von Architekturkennern.


    Ich war von den Entwürfen der jungen Architekten damals gleich angetan und es freute mich, dass sich auch die Diözese für sie entschieden hat. Als es nach dem Bau der Seitenteile Probleme mit Wassereintritten gab und die Gebäude saniert werden mussten, hatte ich einigen Gegenwind, dass sie dann auch noch die Kirche bauen konnten. Gott sei Dank haben wir uns durchgesetzt.

     
  2. Gegenwind hatten Sie auch in Ihren ersten Jahren als Pfarrer auf der Ennsleite.


    Es gab noch Verwundungen aus der Geschichte. Da gab es anfangs noch Sonntage, an denen auf dem Gehsteig gegenüber Betriebsräte der Steyr-Werke standen und die Mitarbeiter aufschrieben, die in die Kirche gingen. Die haben dann in der Arbeit Beton bekommen.

     
  3. Sehr trennend war, dass sich die Kirche 1934 das von den Arbeitern mühselig erbaute Kinderfreundeheim nach dem Bürgerkrieg einverleibte.


    Das war ein Unrecht, das die Menschen sehr verletzt hat. Am 5. Februar 1984 – zum Gedenken an den Bürgerkrieg – haben wir einen Versöhnungsgottesdienst gemacht und die Sozialdemokratie um Verzeihung gebeten. Landesrat Reichl und Bürgermeister Schwarz kamen, was sehr wichtig war. Gebäude und Grundstück wurden vorher zurückgegeben.
mehr aus Thema

Digitalisierung: Quo vadis, Oberösterreich?

Heiße Sache: Das zweite Leben der Reifen

Wo’s schäumt, spritzt und bläst

Müßiggang ist aller Urlaub Anfang

Lädt

info Mit dem Klick auf das Icon fügen Sie das Schlagwort zu Ihren Themen hinzu.

info Mit dem Klick auf das Icon öffnen Sie Ihre "meine Themen" Seite. Sie haben von 15 Schlagworten gespeichert und müssten Schlagworte entfernen.

info Mit dem Klick auf das Icon entfernen Sie das Schlagwort aus Ihren Themen.

Fügen Sie das Thema zu Ihren Themen hinzu.

1  Kommentar
1  Kommentar
Die Kommentarfunktion steht von 22 bis 6 Uhr nicht zur Verfügung.
Neueste zuerst Älteste zuerst Beste Bewertung
ichauchnoch (9.795 Kommentare)
am 27.05.2016 10:10

Ehre wem Ehre gebührt! Ich will die Leistungen von Pfarrer Pimmingsdorfer absolut nicht schmälern, aber es gab schon vor ihm Pfarrer, die nicht gerade leistungsfrei für die katholische Kirche gewirkt haben.
Ich erinnere mich noch gut an das Gschichtl mit damals noch Pfarrer Ferdinand Arbinger, der zu den Kommunisten, die just während des Gottesdienstes am Sonntag, lautstark beim Eisstockschießen waren, gesagt hat, wenn sie denn eine halbe Stund Ruhe gäben, dann käme er und würde nach dem Gottesdienst mit ihnen Eisstockschießen - und so kam es auch, er konnte ungestört den Gottesdienst abhalten und nachher gab's die Gaudi. So kann man auch Zusammenhalt zw. den verschiedenen Bevölkerungsgruppen herstellen. Aber mit der Zeit verblassen halt die Erinnerungen und an einen Pfarrer, der dann ins "normale" Leben zurückgekehrt ist, erinnert man sich halt nicht so gern, so scheint's mir.

lädt ...
melden
Aktuelle Meldungen