Lade Inhalte...
  • NEWSLETTER
  • ABO / EPAPER
  • Lade Login-Box ...
    Anmeldung
    Bitte E-Mail-Adresse eingeben
    Bitte geben Sie Ihre E-Mail-Adresse oder Ihren nachrichten.at Benutzernamen ein.

gemerkt
merken
teilen

Alles Kaiser, oder was?

04. Juni 2016, 00:04 Uhr
Alles Kaiser, oder was?
Im k. u k.-Hofbeisl, in dem der Kaiser nicht nur als Büste präsent ist, tauschten Luzia Gamsjäger und Herwig Gottwald Argumente aus. Bild: Hörmandinger

Ob Bad Ischl den Kult um den Kaiser nicht übertreibe, fragten Harald Bartl und Bernhard Lichtenberger zwei Einheimische, die Fremdenführerin Luzia Gamsjäger und den Germanisten und Historiker Herwig Gottwald.

  • Was wäre Bad Ischl ohne seinen Kaiser, ohne Franz Joseph I., der im Sommer in seiner Villa residierte, sich mit Sisi hier verlobte und mit der Schauspielerin Katharina Schratt lustwandelte?
  • Ob die Kurstadt den Kult um den Kaiser nicht übertreibe, fragten Harald Bartl und Bernhard Lichtenberger zwei Einheimische, die Fremdenführerin Luzia Gamsjäger und den Germanisten und Historiker Herwig Gottwald.

Ausg'schnapst

Hoamatland: Woran erkennt man, dass in Bad Ischl ein Kaiserkult womöglich übertrieben gelebt wird?

Mehr zum Thema
Thema

Zur Person: Herwig Gottwald

Der 59-jährige Ischler studierte Germanistik und Geschichte, unterrichtete bis 1994 an einer AHS und ist seit 2003 in Salzburg ...

Herwig Gottwald: Mein Eindruck ist, dass der Kaiser in den 1960er Jahren, also in meiner Jugend, nicht so aufdringlich präsentiert wurde wie seit den 1980er und 1990er Jahren. Vielleicht hängt das auch mit den Medien zusammen, dass man ihn stärker als Werbemittel entdeckt hat, als das vorher der Fall war. Er war zwar präsent, aber unauffällig. Jetzt ist er eine Marke geworden. Das hängt wohl mit der in der westlichen Kultur allgemein verbreiteten Sehnsucht zusammen, nach irgendwelchen herausragenden Figuren der Geschichte, nach gekrönten Häuptern, auch Frauen. Der Kaiser hat ja für den Nachruhm das Glück gehabt, dass er die Sisi an seiner Seite hatte. Beide wurden zu Idealfiguren einer angeblich so guten alten Zeit stilisiert, die sie nur für ganz wenige war. Das wird durch diese Form des Kults verdeckt.

Mehr zum Thema
Thema

Zur Person: Luzia Gamsjäger

Die 55-jährige Ischlerin ist als Austria-Guide-Fremdenführer nicht nur in der Kur- und Kaiserstadt, sondern im ganzen Salzkammergut und in ...

Welches Kaiserbild vermitteln Sie Gästen, die Sie durch Ischl führen?

Luzia Gamsjäger: Ich bin nicht die, die von der glanzvollen Zeit Ischls spricht. Immer wieder weise ich darauf hin, dass eine gewisse Schicht nach Ischl gekommen ist, eine gewisse Schicht davon profitiert hat, aber der größte Teil der Bevölkerung arm war, mitunter bitterarm. Oft fange ich mit der Frage an: Was denken Sie, wenn Sie Ischl hören? Das erste, das mir die Leute sagen: der Kaiser. Dann lasse ich das Salz- und Salinenwesen Revue passieren, die Situation der Bergarbeiter, die soziale Sonderstellung, die Solebäder, dann schickt der Wiener Arzt Franz Wierer die ersten Gäste nach Ischl, als prominenter Habsburger kommt Erzherzog Rudolf, Kardinal von Olmütz, der hier krank und wieder gesund wird, später Erzherzog Franz Karl, um zu schauen, was da dran sei, und seine Gattin Sophie, deren Sohn Franz Joseph 1830 in Schönbrunn zur Welt kommt und schließlich 1848 Kaiser wird.

Nehmen wir die jährlichen Kaiser-Tage her: Da gibt es ein Kaiser-Franz-Treffen, eine Kaiser-Golf-Trophy, ein Kaiser-Gedächtnis-Trabrennen – das klingt sehr nach Kaiser-Schmarrn.

Gamsjäger: Das ist natürlich eine Sache des Geschäfts. An einem normalen Augusttag haben wir in der Pfarrgasse eine Frequenz zwischen 12.000 und 18.000 Menschen. In der sogenannten Kaiser-Woche, die schon am 15. August mit dem Kaiser-Zug beginnt, kommen wir auf Spitzen von bis zu 32.000 Leuten. Es muss schon eine Sehnsucht nach einer heilen Welt geben, vielleicht ist es auch nur pure Neugier. Der Kaiser ist heute das Aushängeschild von Ischl. Tourismus und Stadtgemeinde haben sich ja überlegt: Was hat Ischl, das andere nicht haben? Eine schöne Gegend haben andere auch. Aber der Monarch hat eben 83 Sommer seines Lebens in Ischl verbracht. Es gibt das Credo, die Stärken zu stärken, und so hat man voll auf dieses Thema gesetzt – auch mit den Auswüchsen, die nicht allen gefallen. Aber ich glaube, dass sich ernsthafte Auseinandersetzung und die Inszenierung eines Spektakels ein Mal im Jahr vereinbaren lassen.

Wo müssen Sie den Kopf schütteln?

Mehr zum Thema
Thema

"Dieser Kaiserkult bleibt sehr an der Oberfläche. Kulturelle, politische und sozial- geschichtliche Aspekte werden unter den Tisch gekehrt."

Herwig Gottwald

Gottwald: Da gibt es verschiedene Aspekte, etwa das Totschweigen und Ausgrenzen der vielen anderen, die auch nach Ischl kamen, und zwar schon vor den Habsburgern. Der Kardinal Rudolf Erzbischof von Olmütz ist kaum bekannt. Er war der Förderer Beethovens, der ihm die "Missa solemnis" gewidmet hat. Den könnte man einmal hervorheben – als Habsburger, der nicht Kriege geführt oder Untertanen unterdrückt hat, sondern die Kultur gefördert hat. Bevor unser Kaiser an die Macht kam, sind nicht wenige Künstler – Waldmüller, Spitzweg, Schwind, Grillparzer, Raimund, Stifter, Lenau – nach Ischl gekommen. An die erinnert kaum etwas. Robert Musil, der auch einmal in Ischl war und den kaum noch jemand kennt, hat ein schönes Kapitel über die Kaiserzeit im wichtigsten österreichischen Roman des 20. Jahrhunderts geschrieben, in "Der Mann ohne Eigenschaften". Dieses Kapitel heißt "Kakanien", das war der ironische Name für diesen Kaiserstaat. Dieser Kaiserkult bleibt sehr an der Oberfläche. Kulturelle, politische und sozialgeschichtliche Kontexte werden unter den Tisch gekehrt, weil das Geschichtsbild verengt und verkitscht wird. Adalbert Stifter hat seine Erzählung "Der Waldsteig" in Ischl angesiedelt. Es ist eine Bädergeschichte. Die Leute sind im 19. Jahrhundert nicht wegen dem Kaiser gekommen, sondern in erster Linie wegen dem Bad, wegen der Gesundheit, wegen der Gegend und der Luft.

"Ernsthafte Auseinandersetzung und Spektakel-Inszenierung lassen sich vereinbaren", glaubt Luzia Gamsjäger.     Bild: (Hörmandinger)

Gamsjäger: Das ist bei unseren Führungen auch Thema. Zu gewissen Tagen im August machen wir schon "Habsburger in Ischl" oder am 17. August zum Kaiser-Bummel eine Gratis-Tour, die "Erzherzogereien" heißt. Das ist etwas Anekdotisches rund um die Sommerfrische. Erzherzogereien ist ein Begriff, der von Nikolaus Lenau geprägt wurde, diese Getue um die Erzherzöge, das er damals schon kritisiert hat, diese Ankunftsverherrlichung. Wir Fremdenführerinnen kehren das absolut nicht unter den Tisch. Wir versuchen ein rundes Ischl-Bild zu vermitteln. Und der 28. Juli 1914 (an diesem Tag unterzeichnete Franz Joseph die Kriegserklärung an Serbien, Anm.) liegt schon schwer auf Ischl – weshalb ich es unglaublich gut finde, dass wir jetzt eine Städtepartnerschaft mit Sarajevo haben.

Gottwald: Unsere Dichter sind unser österreichisches Erbe, und es ist traurig, dass wir das nicht mehr kennen zugunsten einer etwas oberflächlichen bis trivialen Kaiserverherrlichung, die auch sehr undifferenziert ist. Aber Franz Joseph hat auch etwas Positives gemacht. Nach dieser Zeit des Neoabsolutismus war 1859 die Schlacht von Solferino, da wurde er innenpolitisch etwas liberaler. Und er hat die Juden toleriert. Die Judenemanzipation hat Josef II. angefangen und Franz Joseph vollendet.

Wie geht es Ihnen als Ischler während der Kaiserwoche?

Gottwald: Ich war erst einmal an Kaisers Geburtstag da, weil wir in dieser Kaiserwoche so einen Wirbel haben. Das Spektakel war interessant, und als Historiker freut man sich, dass überhaupt aus der Geschichte etwas genommen wird, aber es ist halt ein Kostümfest – und das war die Geschichte nicht. In Irland, England, Frankreich oder Skandinavien gibt es starke Bemühungen, der Bevölkerung die Alltagskultur vergangener Zeiten auszustellen, Lebensweisen zu rekonstruieren, oft in ganzen Dörfern. Das wäre auch für Ischl eine Idee: Wie lebte man 1850?

Alles Kaiser, oder was?
Bild: ORF

Muss man den Mythos von Franz Joseph und Sisi hochhalten?

Mehr zum Thema
Thema

"Eines muss ich schon Sagen: Wir sind mehr als Kaiser."

Luzia Gamsjäger

Gamsjäger: Nein, aber die Gäste kommen mit diesem Mythos zu uns. Ihr Sisi-Bild ist ganz stark von der "Sissi"-Trilogie geprägt, die mit Romy Schneider in Teilen in Ischl gedreht worden ist. Die Leute wollen etwas von ihr hören, sie wollen unterhalten werden, wiewohl sie auch historisch interessiert sind. Aber eines muss ich schon sagen: Wir sind mehr als Kaiser.

Was wäre Ischl ohne Kaiser?

Gottwald: Eine Kurstadt wie Baden bei Wien.

Und während Baden noch im Rennen ist, als historischer Kurort UNESCO-Weltkulturerbe zu werden, wurde der Antrag Bad Ischls abgelehnt...

Gamsjäger: ... aber sicher nicht aus Mangel an historischen Persönlichkeiten, die hier waren.

Gottwald: Etwa auch Alfred Nobel, weil Ischl – wie man bei Schnitzler nachlesen kann – den Ruf als Ort des Flirts hatte. Es dürfte zwischen Männern und Frauen hier leichter gewesen sein, einander näherzukommen, auch weil es den Flair der Sommerfrische hatte. Der erotische Aspekt hat im 19. Jahrhundert eine gewisse Rolle gespielt. Karl Kraus, in dessen Buch "Die letzten Tage der Menschheit" der Kaiser sehr ungünstig vorkommt, ist nicht wegen des Kaisers nach Ischl gekommen, sondern weil man hier im Sommer gut leben konnte. Sein Vater, ein Schokoladenverkäufer, hatte sich hier eine Villa gekauft, das haben wir erst jetzt im Heimatverein herausgefunden.

Fragen die Gäste nach dem Kaiser als Jäger?

Gamsjäger: Es gibt Angebote, mit Kutschen zum Kaiser-Jagdstandbild zu fahren, und die Kaiservilla ist voll mit Jagdtrophäen, aber sonst ist das weniger ein Thema. Die meisten interessieren sich für die Kaiserin, für den Sisi-Mythos. Sie suchen das Romantische, die Tragödie hören sie nicht so gerne.

Gottwald: Der Kaiser gilt als großer Jäger. In den Reihen der Ischler Berufsjäger hat er keinen so guten Ruf, weil er nicht so gejagt hat, wie man heute weidgerecht jagen sollte. Man spricht das Wild an, schießt nur ausgewählte Stücke und nicht alles, was einem vor die Büchse kommt und einem auch zugetrieben wurde.

Wie sieht der typische Ischler den Kaiser-Kult?

Gamsjäger: Mein Mann kann ja nicht verstehen, wieso die Leute auf dieses Thema so abfahren, wenn ich ihm davon erzähle. Wir waren auf Urlaub in Thailand, unter anderem in Hua Hin, der Sommerresidenz des thailändischen Königshauses. Gemeinsam mit einer chinesischen Familie fuhren wir in einem Minibus zu einem Weingut. Man kommt ins Gespräch, stellt sich vor, sagt, dass man nicht aus Australia, sondern aus Austria komme – und jemand aus der chinesischen Familie schreit: Oh, it’s the Sisi-country! Seither glaubt mir mein Mann alles.

Der Kaiser als Jäger

Der Kaiser als Jäger

Der Kaiser als Jäger
Er schoss mehr als 55.000 Tiere. Bild: OON

Mit 15 erlegte Franz Joseph in Ischl den ersten Gamsbock. In der Korrespondenz von Kaiser Franz Joseph mit Familienmitgliedern, fremden Fürstlichkeiten und auch mit seiner Mätresse, der Frau Schratt, nehmen die genauen Jagdberichte mehr als die Hälfte des gesamten Umfangs ein. Zuerst kam die Hirschbrunft und dann das Regieren. Es war eine Jagd nach Zahlen, mit dem Statistikbüchlein in der Hand. Der Kaiser ließ sich tagtäglich eingehend über die Jagdergebnisse berichten, die Fehlschüsse seiner Freunde und Jagdgefährten mit inbegriffen.

Er führte genau Buch über seine Abschüsse: die erste Flinte mit vier Jahren, der 1. Hirsch mit zwölf Jahren im Lainzer Tiergarten, mit fünfzehn in Ischl der erste Gamsbock, am 1. November 1859 das 1000ste Wildschwein, am 13. April 1880 in Reichenau der 500ste Auerhahn, am 14. Juli 1882 in Ischl die 1500ste Gams. Die Gesamtzahl der von ihm erlegten Tiere erreichte mehr als 55.000.

mehr aus Thema

Wo’s schäumt, spritzt und bläst

Wer wird Meister? Das sagen die zehn Bundesliga-Trainer

Der King ist tot, es lebe der King

Müßiggang ist aller Urlaub Anfang

Lädt

info Mit dem Klick auf das Icon fügen Sie das Schlagwort zu Ihren Themen hinzu.

info Mit dem Klick auf das Icon öffnen Sie Ihre "meine Themen" Seite. Sie haben von 15 Schlagworten gespeichert und müssten Schlagworte entfernen.

info Mit dem Klick auf das Icon entfernen Sie das Schlagwort aus Ihren Themen.

Fügen Sie das Thema zu Ihren Themen hinzu.

0  Kommentare
0  Kommentare
Die Kommentarfunktion steht von 22 bis 6 Uhr nicht zur Verfügung.
Zu diesem Thema wurden noch keine Kommentare geschrieben.
Neueste zuerst Älteste zuerst Beste Bewertung
Aktuelle Meldungen