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"Wir dürfen unseren schönen Beruf nicht krank reden!"

Von Elisabeth Ertl, Bianka Eichinger und Magdalena Lagetar, 21. März 2019, 17:04 Uhr

BRAUNAU. Allgemeinmediziner sind Mangelware, die Lage ist vielerorts bereits prekär, Nachfolger sind fast keine in Sicht. Braunaus Bezirksärztesprecher Kurt Roitner könnte schon in Pension gehen, arbeitet aber weiter

"Jahrelang wurde der Beruf des Allgemeinmediziners krank geredet. Es wurde einfach zu viel gejammert. Kein Wunder, dass niemand mehr Hausarzt werden will", macht Braunaus Bezirksärztesprecher Kurt Roitner seinem Unmut Luft. Dabei – und das betont der Hausarzt besonders – sei gerade sein Beruf ein wirklich schöner, der viel Spaß mache. Er spricht im Gegenzug aber auch von einem "Mulitorganversagen in den vergangenen Jahren." Denn, dass es Verbesserungen der Arbeitsbedingungen für die Nachfolger geben muss, müsse einem jeden klar sein. "Der Medizinnachwuchs legt Wert auf Work-Life-Balance, will Freizeit und nicht die Risiken der Selbstständigkeit tragen", sagt Roitner. Die Medizin sei weiblich geworden. "Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist wichtig!", sagt er und ergänzt: "Wir müssen uns anhören, was sich die Jungen wünschen, es sollen nicht wir ‘Alten’ entscheiden, was sie brauchen", betont er.

Im Hintergrund passiere schon sehr vieles, sehr vieles habe man nach jahrelanger Forderung bereits umgesetzt. Aber das sei zu wenig, wie die Bewerbungen auf offene Allgemeinmedizinerstellen zeigen. Auch in Braunau hat sich für die frei werdende Stelle in Laab niemand beworben. "Das wundert mich nicht. Wenn es jemanden gibt, der die Nachfolge übernimmt, dann meist jemand aus der Familie", sagt er.

Er bemüht sich seit Jahren, Turnusärzten die Allgemeinmedizin näher zu bringen. Doch die Anstellung im Spital habe an Attraktivität gewonnen. Die Anzahl jener, die sich für die Allgemeinmedizin interessieren und die entsprechende Prüfung ablegen, sinkt radikal. Bisher waren es jährlich um die 900, 2018 nur noch 500 und 2019 werden es nur 300 sein. Dabei basieren gute Gesundheitssysteme auf ausreichend Allgemeinmedizinern, so Roitner. "Der Hausarzt soll Ansprechpartner Nummer eins sein. Er ist der Vermittler zu den Fachärzten", sagt er. Wenn sich Patienten auf Verdacht selbst gleich zu den Fachärzten begeben und sich herausstellt, dass sie am falschen Ort sind, dann koste das nicht nur Zeit, sondern auch Geld. "Eine gute Versorgung an Allgemeinmedizinern spart Geld", sagt er. Aber man müsse vorher halt auch investieren. In der Stadt Braunau wird sich der Ärztemangel in den kommenden Jahren noch weiter verschärfen. Wie berichtet, fehlt in Haselbach und in Laab ein Hausarzt. Alle anderen Allgemeinmediziner nehmen keine Patienten mehr auf. Zudem kommt, dass drei Ärzte schon das Pensionsalter erreicht haben. Roitner ist einer von ihnen. Er macht aber weiter. Neue Patienten nehme er leider keine. In seiner Praxis ist genau das zu lesen. "Fragen richten Sie bitte an die Politiker", lässt er verkünden. Denn jahrelang habe er vor dieser Situation gewarnt. "Jetzt brennt der Hut", sagt er betrübt. Deshalb sei es umso wichtiger, mit jungen Medizinern über ihre Wünsche und Anliegen zu sprechen und alternative Formen wie Gruppenpraxen oder Primärversorgungszentren ins Auge zu fassen. Bis dahin werden die praktizierenden Allgemeinmediziner versuchen, den Mangel so gut es geht wettzumachen. "Aber das ist absolut keine Dauerlösung", warnt er eindringlich.

 

"Eine Gruppenpraxis zu gründen ist wirklich komplex und zeitintensiv"
Zwei Hausärzte, eine Praxis in Raab: Wolfgang Ulbrich und Karoline Riedler. Bild: BiEi

„Eine Gruppenpraxis zu gründen ist wirklich komplex und zeitintensiv“

Seit Jahresbeginn wird der Raaber Hausarzt Wolfgang Ulbrich – wie bereits berichtet – in seiner Praxis von seiner Kollegin Karoline Riedler zehn Stunden pro Woche unterstützt. „Die Situation in Raab nach dem Pensionsantritt meines Kollegen Löffler war alles andere als gut. Mir war es wichtig, die Versorgung in der Region sicherzustellen, deshalb habe ich mich für die Eröffnung einer Gemeinschaftspraxis entschlossen“, erklärt Ulbrich. Dieses Vorhaben sei aber alles andere als leicht. „Eine Gemeinschaftspraxis zu eröffnen ist wie die Gründung einer Firma. Der ganze Prozess dauert sicher mehr als ein Jahr“, so der Allgemeinmediziner. Vom Antrag über die Stellenausschreibung bis letztendlich zum Vertragsabschluss sei das ganze Prozedere sehr komplex und vor allem auch zeitintensiv. „Der bürokratische Aufwand ist wirklich enorm“, sagt Ulbrich.

Die Idee, eine Gemeinschaftspraxis zu eröffnen, hatte seine junge Kollegin. „Wir kannten uns bereits vom Hausärztlichen Notdienst. Da ich wusste, dass eine Kassenstelle in Raab offen ist, habe ich meinen Kollegen einfach gefragt, ob er sich das vorstellen könnte“, so Riedler, die mit ihrer Familie in Mehrnbach lebt. Seit fast einem Jahr hat die 39-Jährige bereits immer wieder in der Ordination ihres Kollegen Ulbrich gearbeitet. „Ich habe sozusagen ausgiebig geübt, bevor wir Anfang dieses Jahres offiziell die Gemeinschaftspraxis eröffnet haben“, so die Mehrnbacherin. Dies sei auch empfehlenswert, „schließlich sollte man sich schon sicher sein, dass man gut miteinander arbeiten kann und sich versteht, bevor man all den Aufwand auf sich nimmt.“

Gemeinsam in der Praxis sind nie beide Hausärzte. Wann wer von beiden praktiziert ist klar an den Öffnungszeiten ersichtlich. „Dass wir nicht gleichzeitig da sind, ist vor allem den fehlenden räumlichen Voraussetzungen geschuldet. Ich glaube aber , dass es ganz gut so ist, denn so weiß jeder Patient, wann wer von uns zwei in der Praxis ist“, sagt Ulbrich, der betont, dass sich der Hausärztemangel im Innviertel in den nächsten Jahren aufgrund der vielen Pensionsanstritte zunehmend verschärfen wird.

 

Primärversorgungszentren und -netzwerke sind kein Allheilmittel
Silvester Hutgrabner, Rieder Bezirksärztevertreter, Ärztekammer-Funktionär und Hausarzt in Eberschwang Bild: privat

Primärversorgungszentren und -netzwerke sind kein Allheilmittel

In den kommenden Jahren werden auch im Bezirk Ried viele Allgemeinmediziner in Pension gehen. Der Grund dafür seien die geburtenstarken Jahrgänge 1954 bis 1958, sagt der Rieder Bezirksärztevertreter und Ärztekammer-Funktionär Silvester Hutgrabner: „Das betrifft mich selbst und bestimmt noch sechs oder sieben andere Hausärzte im Bezirk. Wenn sich nichts ändert, wird sich die Situation verschärfen.“

Primärversorgungszentren und -netzwerke seien laut Hutgrabner kein Allheilmittel gegen den drohenden Mangel an Allgemeinmedizinern. „Im Grunde löst es das Problem nicht. Auch dort braucht man fähige Leute. Um die zu bekommen, ist es notwendig, dass sich die Rahmenbedingungen ändern. Dafür muss wiederum die Krankenkasse Geld in die Hand nehmen. Nur so kann der Beruf des Allgemeinmediziners wieder attraktiver werden“, sagt der Eberschwanger Gemeindearzt.

Er ist davon überzeugt, dass viele junge Ärzte und Medizinerinnen weder Einzelkämpfer noch Unternehmer, sondern lieber angestellt sein wollen. „Eine eigene Praxis ist mit unheimlich viel Bürokratie verbunden und darüber hinaus schwer mit dem Familienleben vereinbar. Es ist daher wichtig, neue Gruppenpraxen-Modelle zu erarbeiten.“ Untermauert werden seine Ausführungen von einem Beispiel aus Ried. „Die Stelle von Dr. Berneder wurde schon fünf Mal ausgeschrieben und nicht ein Mediziner hat sich dafür beworben.“

Im ländlichen Raum komme erschwerend hinzu, dass viele Hausapotheken rechtlich nicht abgesichert seien. „Das Apotheken-Gesetz gehört auf neue Füße gestellt. Es geht nicht darum, neue Hausapotheken zu forcieren, sondern die bestehenden für potentielle Nachfolger zu garantieren“, ist Silvester Hutgrabner überzeugt.

Andernfalls werde künftig mehreren Gemeinden das ‘Ottnanger Schicksal’ ereilen. „Dort gibt es zwar seit vielen Jahren eine öffentliche Apotheke, dafür keinen Gemeindearzt mehr. Als der frühere Hausarzt in Pension ging, konnte – vor allem wegen der bereits im Ort bestehenden Apotheke – kein Nachfolger gefunden werden.“

 

 

 

Zahlen und Fakten

  • 21 Stellen unbesetzt: In Oberösterreich werden 21 Allgemeinmediziner gesucht, zwei sind es laut Ärztekammer im Innviertel. Die Situation wird sich in den kommenden Jahren verschärfen. Der durchschnittliche Allgemeinmediziner in Oberösterreich ist 52 Jahre alt. In den nächsten zehn Jahren geht fast die Hälfte der Hausärzte in Pension.
  • 108 Allgemeinmediziner mit Kassenverträgen arbeiten derzeit im Innviertel. 670 sind es in ganz Oberösterreich.
  • 31 Ärzte arbeiten im Innviertel ausschließlich als Wahlärzte, also ohne Kassenvertrag.
  • 35 Ärztinnen: Der Frauenanteil bei den Allgemeinmedizinern steigt. Derzeit sind 35 Allgemeinmedizinerinnen im Innviertel tätig.
  • 158 Ausbildungsplätze: Derzeit sind in Oberösterreich laut Ärztekammer 158 Personen in der Ausbildung zum Allgemeinmediziner. Zu erwarten ist aber, dass viele von ihnen im Spital tätig bleiben oder doch in einen Fachbereich wechseln.
  • 3 von den derzeit sieben Hausärzten in Braunau sind bald im offiziellen Pensionsalter. Noch immer gibt es für die Stellen in Laab und Haselbach keine Nachfolger.
  • 2019 werden aller Voraussicht nach 300 Ärzte die Prüfung zum Allgemeinmediziner ablegen. Bisher waren es um die 900.
  • 5-Mal wurde die offene Hausarztstelle von Dr. Berneder in Ried bereits ausgeschrieben. Bisher hat sich noch kein Mediziner dafür beworben.
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1  Kommentar
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( Kommentare)
am 21.03.2019 21:36

Hausärzte wurden von der Politik und den kranken Kassen zu Dodln der Nation gemacht! Spätestens nach der letzten angeblichen "Gesundheitsreform" ist der Job eines Kassenarztes der Allgemeinmedizin in Oberösterreich total uninteressant. Sowohl wirtschaftlich (von dem was die kranken Kassen zahlen) als auch von den Arbeitszeiten.
Aber Hauptsache wir haben in Linz eine weitere Medizin-Universität die Ärzte für den Export ausbildet :<(

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