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Unfreiwillig im Doppelbett mit dem Trainer

Von Christoph Zöpfl und Reinhold Pühringer, 09. März 2019, 00:05 Uhr
Unfreiwillig im Doppelbett mit dem Trainer
Bild: APA

LINZ. Eine Betroffene bricht ihr Schweigen und schildert die Übergriffe eines oberösterreichischen Langlauf-Trainers. Der Fall wird eher vertuscht als aufgeklärt.

Österreichische Langlauf-Meisterschaften in den 1990er-Jahren, die damals 18-jährige Ulrike S. (Name von der Redaktion geändert) muss ein Doppelzimmer mit ihrem oberösterreichischen Trainer teilen, weil – angeblich – kein anderes Bett im Quartier frei ist. Nach der Streckenbesichtigung kommt es in diesem Zimmer anstelle der geplanten Erholungsphase zum sexuellen Übergriff.

Zuerst wollte der Trainer nur "kuscheln", später, da war er schon komplett entkleidet, verlangte er mehr. Die 18-Jährige spielte nicht mit, worauf der Trainer vor ihr onanierte. Nach diesem Vorfall beendete Ulrike S. ihre Karriere. Der Trainer arbeitete noch bis Ende des vorigen Jahres in Oberösterreich im Umfeld des Skiverbandes. Jetzt ist er auf Tauchstation.

Mit dem Trainer im Swingerclub

Der damalige Vorfall war kein einmaliger Ausrutscher, Ulrike S. nicht das einzige Opfer. Es gibt glaubhafte Berichte von früheren Nachwuchs-Langläuferinnen, die sich in Toiletten einsperrten und dort übernachteten, um vor diesem Trainer in Sicherheit zu sein. Auch von einem unfreiwilligen gemeinsamen Besuch in einem Swingerclub ist die Rede. Die Ausnahme, mit jungen Sportlerinnen das Zimmer zu teilen, wurde zur Praxis. Zahlreiche Mitwisser haben jahrelang geschwiegen. Jetzt scheint man damit beschäftigt zu sein, die Vorfälle unter den Teppich zu kehren. Ulrike S. wollte lange ihre Erfahrungen nicht mit anderen Menschen teilen. Vor mehr als zehn Jahren hat sie allerdings begonnen, im privaten Umfeld darüber zu reden. In der Langlaufszene gab es betroffene Zuhörer, aber auch Kommentare wie "Es weiß eh ein jeder, dass der solche Sachen macht".

Als die ehemalige Skirennläuferin Nicola Werdenigg im November 2017 mit ihren Erfahrungen mit sexuellen Übergriffen im ÖSV an die Öffentlichkeit ging, war das für Ulrike S. der Impuls, auch ihre Geschichte öffentlich zu machen. Im Dezember 2017 schrieb sie E-Mails an Waltraud Klasnic, die der unabhängigen Opferschutzanwaltschaft vorsteht, und an eine Anlaufstelle für "Respekt und Sicherheit" der Sportunion OÖ.

Ende 2018 kam endlich etwas Bewegung in die Angelegenheit. Der beschuldigte Trainer wurde über Nacht von einem Trainingslager in Finnland zurück nach Linz beordert. Offizielle Verbandsfunktionen hat er aktuell keine mehr. Als Grund für sein Verschwinden von der Bildfläche wurde unter anderem eine Lungenentzündung kommuniziert. Ulrike S. ließ nicht locker. Immer wieder intervenierte sie, wobei es ihr in erster Linie darum ging, möglichen anderen Opfern zu helfen. Sie selbst hat therapeutische Hilfe in Anspruch genommen, auch eine zweite Leidensgenossin versucht so, ihr Trauma aufzuarbeiten. Am 14. Jänner 2019 schickte der Landesskiverband ein E-Mail unter dem Titel "Gewaltprävention ... LSVOÖ stellt sich seiner Verantwortung" an seine Mitglieder. "Das Team des Landesskiverbandes hat das Ziel, eine Kultur der Aufmerksamkeit zu entwickeln", heißt es in diesem Schreiben. Eine Kultur der genauen Untersuchung und Aufarbeitung der geschehenen Übergriffe in der Vergangenheit ist nicht feststellbar.

 

„Beobachter waren sicher überfordert“

Kräfteraubend und nervenzehrend: Warum die Betroffene jetzt ihre Geschichte öffentlich macht.

OÖNachrichten: Was hat Sie bewogen, nach so langer Zeit über diese Vorgänge zu sprechen?

Ulrike S. (Name von der Redaktion geändert): Mich hat das über die Jahre immer wieder beschäftigt. Bei jeder Missbrauchsmeldung ist auch meine Sache wieder hochgekommen und hat mir eine schlaflose Nacht beschert. Ich habe an andere Sportlerinnen denken müssen, wie es ihnen ergangen ist oder ergehen wird. Nachdem die Geschichte von Nicola Werdenigg (Anm.: Die Ex-Skirennläuferin hat sich im November 2017 als Opfer sexueller Gewalt im ÖSV geoutet) in den Medien war, war das für mich der Anstoß, einen Versuch zu starten, die Sache endgültig ans Licht zu bringen.

Wie hat sich der Trainer Ihnen gegenüber vor dem geschilderten Vorfall verhalten?

Er war an sich ein guter Trainer und hatte mein vollstes Vertrauen. Darum hatte er auch leichtes Spiel. Rückblickend betrachtet waren die körperlichen Kontakte sicher nicht angemessen.

Wie kann es sein, dass dieser Trainer so lange Zeit immer wieder auf junge Sportlerinnen sexuelle Gewalt ausübte, ohne dass jemand dagegen etwas unternommen hat?

Beobachter waren sicher überfordert. Man wusste und weiß nicht, wo man sich hinwenden kann. Dazu kommt wahrscheinlich auch fehlende Zivilcourage.

Eine gerade veröffentlichte Untersuchung hat ergeben, dass nur knapp fünf Prozent von jungen Sportlerinnen, die von sexuellen Übergriffen betroffen waren, diese auch gemeldet haben. Auch in Ihrem Fall herrscht auf Opferseite ein Schweigen im Walde. Warum ist das so?

Weil man unendlich viel Mut braucht, sich den Missbrauch einzugestehen, und man nicht weiß, auf wie viel Verständnis man stößt. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass es extrem kräfteraubend, nervenzehrend und zeitaufwändig ist, die eigene Geschichte zu erzählen. Es gibt viele Ohren, die zuhören, da hat man überhaupt kein Problem. Jeder sagt: „Es ist schlimm, tragisch, was da passiert ist.“ Aber wenn man um konkrete Hilfe bittet, wird die Unterstützung mager. Da gibt es dann Probleme mit der Zuständigkeit oder dem Datenschutz, und man ist schnell wieder alleingelassen.

Sie haben sich in den vergangenen Monaten an mehrere Instanzen gewendet. Welche Erfahrungen haben Sie dabei gemacht?

Eine E-Mail im Dezember 2017 an die Frau Klasnic und an eine Anlaufstelle der Sportunion OÖ für „Respekt und Sicherheit“ blieb ohne Reaktion. Von dieser Stelle kam dann auf Nachfrage die Entschuldigung, dass mein Mail in einem „zugespamten“ Posteingang gelandet ist. Im Oktober des Vorjahres habe ich bei der Sportunion OÖ einen neuerlichen Versuch gestartet. Zwei Mitarbeiterinnen der Union Oberösterreich waren die Ersten, die gesagt haben: „Mah, ist das arg, da muss etwas unternommen werden.“ Seither ist zumindest ein klein wenig Bewegung in die Sache gekommen. Und vermeintliche Hilfenummern haben sich nicht immer als Hilfe erwiesen.

Was erwarten Sie von Ihrem Outing, ein Opfer von sexueller Gewalt geworden zu sein? Soll Ihr Ex-Trainer jetzt büßen?

Das ist sicher nicht mein wichtigstes Anliegen. Er sollte aber schon einmal ernsthaft darüber nachdenken, ob das in Ordnung war, was er gemacht hat. Am wichtigsten ist mir, dass alle Sportlerinnen, die von diesem Trainer betreut wurden, informiert werden, dass sich eine Kollegin geoutet hat und dass es für Betroffene Hilfe gibt.

Wissen Sie, ob dieser Trainer immer noch aktiv ist?

Das ist mit ein Grund, warum ich mich oute. Ich habe in den vergangenen Jahren immer wieder diesen Trainer mit jungen Sportlerinnen gesehen. Ich habe mich dabei selbst gesehen und hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich nie etwas unternommen habe. Im Jänner habe ich ihn wieder auf der Loipe mit einer jungen Athletin getroffen. Eine weitere Motivation für mich, in dieser Sache nicht lockerzulassen.

Was raten Sie möglichen Opfern?

Mein Appell an Opfer, egal welchen Alters, welcher Sportart, welcher Form der Gewalt: den ganzen Mut zusammennehmen und Hilfe suchen. Die Last wird auf alle Fälle kleiner. Eine mögliche Beratungsstelle ist www.wetogether.eu

 

Eine Plattform für Betroffene

Im November 2017 hat die Tiroler Ex-Skiläuferin Nicola Werdenigg sexuelle Übergriffe und Machtmissbrauch im Skisport öffentlich gemacht und damit eine breite Diskussion losgetreten. Mit #WeTogether (wetogether.eu) hat sie eine Plattform ins Leben gerufen, an die sich Betroffene wenden können. Inzwischen sind deutlich mehr als hundert Meldungen eingegangen. In einer Online-Befragung wurden in Deutschland 1799 Kaderathleten aus 128 verschiedenen Sportarten zu sexualisierter Gewalt im Sport befragt. Etwa ein Drittel der Befragten hat schon einmal eine Form von sexualisierter Gewalt im Sport erlebt. Eine/r von neun Befragten hat schwere und/oder länger andauernde sexualisierte Gewalt erfahren. Die Mehrheit der Betroffenen ist bei der ersten Gewalterfahrung jünger als 18. In Österreich fehlt so eine Studie.

 

 

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