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Skifahren ist die leiwandste Religion

Von Klaus Buttinger, 02. Februar 2019, 00:04 Uhr
Bild: gepa

Das eine Hochamt im Jahreskreis – Kitzbühel – ist abgefeiert, das andere folgt sogleich: die Ski-Weltmeister-schaft kommende Woche. Dort wird wieder der Skigötter gehuldigt, bis das gläubige Fanvolk in Verzückung gerät. Wie viel Religion steckt schon im Skizirkus?

Die Sache mit dem Fußball ist klar. Tief in uns wissen wir: Das ist eine Religion. Und was ist mit dem alpinen Skifahren? Wo es von Anbetungswürdigen nur so wimmelt, wo ein ganzes Pantheon voller heimischer Skigötter und -göttinnen der Huldigung harrt. Nur auszugsweise seien Anderl Molterer, Toni Sailer, Annemarie Moser-Pröll, Franz Klammer und Hermann Maierwähnt. Sie sind die Ahnen und Bergheiligen der Schluchtenscheißer, wie die deklassierte Konkurrenz vorlaut über die Ösis spricht.

Neidisch, wer die Anbetung nicht erfährt und die zuweilen fast religiös verzückte Stimmung im Zieleinlauf – wie diese Woche in Schladming. Die Ähnlichkeiten zu sakralen Formen, kirchlichen Ritualen und Strukturen sind unübersehbar: Ganz oben steht der Kardinal, der Hohepriester des Österreichischen Skiverbands, der Schröcksi, und teilt den Schnee (zu). Mit ihm beten die Trainerpriester, die Jünger und das ganze Skifahrervolk jede Saison um die weiße Pracht (heuer auch darum, dass es zu schneien aufhört). Gemeinsam pilgert man auf die heiligen Berge, wo mit enormem finanziellen Aufwand Gedenkstätten der sportlichen Selbsterkenntnis einer Nation in die Natur geschnitten wurden. An den Liftkabeln reckt sich der Glaube hoch, dass oben die Sonne scheint und der Schnee staubt.

"Der Skigott macht es mir heuer nicht leicht, aber ich halte dagegen.“ Marcel Hirscher, selbst Skigott, nach einer Problemserie 2016 Bild: gepa

Das gläubige Volk hat sein Sportdress angelegt, bunte Manifestationen an die zu erwartende Parallelschwungfreude, vergleichbar mit dem Feiertagsgewand, dem Pelz, den es einst zum sonntäglichen Gottesdienst zu tragen galt.

Spirituelle Gemeinschaft

Fast schon spirituelle Gemeinschaftserfahrungen der Skifans lassen sich nicht nur vor dem Fernseher während der Übertragung der Skirennen erleben. „Unsere“ Stars rasen da über Eispisten, „unsere“ Helden springen gesundheitsaufopferungsbereit über die Kanten, und auch „wir“ opfern: Bier und Salzstangen auf dem Couchtisch oder überteuerte Germknödel auf der Hütte. Und überhaupt, die Skihütte, dieser quasi-sakrale Raum, wo zwar profan Enzian zu Wasser wird, aber die Gaudi über alle kommt wie der Heilige Geist – ob man das will oder nicht.

Es sind vielschichtige Formen der Interaktion und Imitation gesellschaftlicher Ereignisse, manchmal ein Ineinanderaufgehen, ein Parallelslalom des Seins. Toni Innauer, selbst Skisprunggott, sagte einmal: „In den Strukturen von Sport und Religion funktionieren ähnliche Mechanismen erfolgreich: die Arbeit mit Ritualen und Inszenierungen, die Überhöhung von Menschen, die Identifikation und das Eingebunden-Sein in ein größeres Ganzes. So gesehen kann der Sport schon zu einer Ersatzreligion werden.“ Und in Österreich im Winter ganz besonders, ist man versucht zu ergänzen.

Wobei die „Ersatzreligion Skifahren“ keine nüchtern-lutherische wäre. Schon ihr mit fröhlichen Liedern eingeleiteter Glaubensweg verbreitet das freudige, im besten Sinne feierliche Moment. Dieser kulminiert schließlich im Glaubensbekenntnis „Skifoahr’n“ des Austropop-Schamanen Wolfgang Ambros. Religiöse Ekstase ist davon kaum mehr zu unterscheiden.

Wie aber schaut es in den Skigöttern selbst aus, wenn es um das althergebrachte Göttliche geht? Ist der Glaube an einen abrahamitischen Gott ein Schnee, der es ermöglicht, schneller talwärts zu gleiten? Gläubige Skistars sind keine Exoten. Nicht wenige beten vor dem Rennen. Ein (echter) Priester begleitet den Skizirkus zu Olympischen Spielen. Günter Amesberger, Leiter des Fachbereichs Sport- und Bewegungswissenschaft der Universität Salzburg, sagt: „Spitzensportler sind suggestibel. Wenn sie an etwas glauben, hat das relativ intensive Wirkung. So kann der Glaube an Gott – oder was auch immer – in der Stabilität und im Aushalten von Belastungen unterstützen.“ Dass auch Atheisten Spitzenleistungen erbringen, wundert ihn nicht. „Die Streubreite auf dieser Ebene ist immens, genauso wie andere Persönlichkeitsmerkmale kaum einen direkten Einfluss haben.“

Unangenehme Parallelen

Sieht man sich die Ähnlichkeiten der zwei Systeme Skisport und (katholische) Kirche an, fällt auf, dass sie auch im Negativen Deckungsflächen aufweisen. Beispiel: der unausgereifte Umgang mit den Missbrauchsfällen. Und weil wir schon beim Ernst sind, sei konstatiert, dass der Skisport bloß ein kulturelles Subsystem mit religiösen Aspekten ist. Oder, wenn man die Sache andersherum betrachtet: Da ja auch Skiasse von anderswo gewinnen wollen, wie soll Gott sich da entscheiden?

 

 

Dankbar bleiben – und auf dem Boden

David Zwilling (69) gewann 1974 Gold in der WM-Abfahrt und Silber im Slalom. Der Abtenauer wandte sich später einer langsameren Tätigkeit zu, dem Pilgern. 2010 war er ein halbes Jahr unterwegs – bis nach Jerusalem. Zwilling ist verheiratet, hat zwei Kinder und ist nach wie vor als Unternehmer tätig, unter anderem im Ökomanagement.

OÖN: Herr Zwilling, wie halten Sie es mit der Religion?

Zwilling: Ich bin ein jesusgläubiger Mensch, nicht unbedingt kirchengläubig. Ich sehe, dass zwischen den Religionen große Spannungen da sind, und dass das dem Frieden nicht dienlich ist, eher dem Gegenteil.

Sie sind nach Jerusalem gepilgert. Was hat Ihnen das gebracht?

Das Motto meines Pilgerns lautete: für Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit. Das Pilgern, das Gehen bedingt eine Geschwindigkeit, bei der die Seele noch mitkommt. Man bekommt dadurch Zugang zum eigenen Ich. Wer bin ich, woher komme ich und wohin gehe ich? Das Pilgern hat mir Sicherheit gegeben. Wenn man so in einer Halbtrance dahingeht, kommen und gehen Fragen, und letztendlich spürt man, ob man auf dem richtigen Weg ist – oder auf dem falschen.

Dankbar bleiben – und auf dem Boden
David Zwilling, 2010 Bild: Seifert

Das eine Hochamt der Religion Skifahren, Kitzbühel, ist vorbei, jetzt kommt mit der WM das nächste. Kann man das so sagen?

Jeder Mensch hat für sich eine innere Begeisterung. Der eine ist ein begeisterter Gläubiger, der andere schätzt Spitzenleistung, egal wo, und findet Begeisterung und innere Motivation.

Warum finden speziell in Österreich die Skistars so große Verehrung?

Mit Anderl Molterer, Toni Sailer und Hansi Hinterseer – beginnend gleich einmal nach dem Krieg – hat sich Österreich eine sympathische Seite gefunden. Da waren wir wer – im Positiven. Wenn man das intensiv mitlebt, findet man darin möglicherweise auch seine Religion.

Kann die Kirche etwas vom Skizirkus lernen, was die Attraktivität für die Menschen betrifft?

Es gibt auch in der Kirche so manche Pfarrer, die Begeisterung auslösen. Die Leute gehen da begeistert hin, so wie man auch begeistert zu einem Skirennen geht.

Das heißt, wie im Skisport gibt es auch in der Kirche ein Starprinzip?

Ja, hundertprozentig. Als Star sehe ich auch im Prinzip Franziskus, unseren Papst. Der schafft es, dass er eine Begeisterung auslöst.

Als Sie 1974 Abfahrtsweltmeister wurden, erlebten Sie da so etwas wie eine religiöse Ekstase, oder ist das jetzt zu hoch gegriffen?

Sagen wir einmal so: Ein gläubiger Mensch geht auch in sich, geht in die Bitte und die Dankbarkeit. Wenn es sich zeitlich ausgegangen ist, etwa beim Training, und wenn ich bei einer Kapelle oder Kirche vorbeigekommen bin, brachte ich meine Bitten und meinen Dank an.

Dankbar bleiben – und auf dem Boden
David Zwilling, 1974 Bild: Archiv

Das hat Sie geerdet? Das hat Sie nicht abheben lassen?

So kann man es sagen. Jeder Erfolg kann zum Hochmut verleiten. Andererseits kann einen jede Niederlage, jeder Schmerz auf das Kommende vorbereiten. Jede Situation annehmen und das Beste daraus machen, dabei dankbar und demütig bleiben – mehr kann man nicht tun.

Kann auch der Skisport eine Art Erlösung bereithalten?

Unter Erlösung verstehe ich den inneren Frieden. Friede und Freude sind die höchsten Güter, die wir haben können. Die Seele will in die Seligkeit geführt werden. Jeder Mensch ist dafür zuständig, seine inneren Bedürfnisse schließlich und endlich zu leben. Das ist ein Reifeprozess, bei dem man sich mit ein wenig buddhistischem Geist auch ein bisschen leichter tut.

 

David Zwilling, "Aufbruch zu mir selbst": Der Pilgerbericht des Skiweltmeisters bietet hochinteressanten Lesestoff und lässt teilhaben an einem ungewöhnlichen Leben und einer langen Reise voller Erkenntnisse. Seifert-Verlag, 242 Seiten, 24,95 Euro

 

Lernorte der Lebensgestaltung

Von Martin Felhofer

Ich liebe und schätze den Sport. Ich hatte immer Lust auf Bewegung – ob beim Fußball, Skifahren, Berggehen, Joggen oder E-Biken. Sport tut meiner Gesundheit gut, ich erlebe Gemeinschaft und lerne fürs Leben. Glaube und Sport waren nie ein Widerspruch. Ich bin dankbar, dass ich als Seelsorger die Verknüpfung von Sport und Religion leben und verkündigen darf.

Was Sport und Religion verbindet, ist ein ganz hoher Wert: die Freude – gepaart mit Emotionen, Leidenschaft und Begeisterung (Spirit). Der Sport ist ein Lebensbereich, der uns die Möglichkeit gibt, uns in unserem Menschsein zu entfalten und Freude am Leben zu finden. Wenn Fans die Ski-Asse im Zieleinlauf anfeuern oder vor dem Fernseher mitfiebern, erleben sie Identifikation und das Eingebunden-Sein in ein größeres Ganzes – eine Parallele zur Religion.

Lernorte der Lebensgestaltung
Martin Felhofer ist seit knapp 30 Jahren Abt des Stiftes Schlägl und begeisterter Sportler. (privat) Bild: privat

Der Sport ist ein guter Erzieher – er lehrt Ausdauer, Disziplin, Mut, Selbstbeherrschung, Besonnenheit, Verzicht und den Umgang mit Niederlagen. Eigenschaften, die auch im (Glaubens-)Leben wichtig sind. Und: Sport fördert die Gesundheit an Leib und Seele. Schon Teresa von Avila sagt: "Tu deinem Leib etwas Gutes, damit deine Seele Lust hat, darin zu wohnen."

Sport ist Spiel – Spiel gehört zum Menschsein und ist schöpferische Daseinsfreude. Bei sportlichen Wettkämpfen messen Sportlerinnen und Sportler ihre Fähigkeiten. Ich genieße es, dabei zuzusehen, wenn Skirennläufer dem Ziel entgegeneilen, voll Kraft und Energie. Sie müssen sich genau an den vorgegebenen Weg zwischen den Toren halten, sonst verfehlen sie das Ziel. Das ist auch ein Bild für das Leben: Wir wollen alle ans Ziel kommen; wir sind auf der Suche nach dem geglückten Leben, letztlich nach Gott. Gott hat uns dafür gute Wegweiser gegeben – in Jesus Christus ist er selbst für uns zum Weg geworden.

Ist Sport eine Ersatzreligion? Ich erlebe Sport und Religion vielmehr als Geschwister, die einander stärken und ergänzen. Beide tun gut daran, in einem wertschätzenden Dialog aufeinander zu hören. Sport ermöglicht – bei allem Konkurrenzkampf – ein Miteinander über Landes- und Sprachgrenzen hinweg, das auch ein Anliegen des Glaubens ist.

Im Sport steht der Glaube an sich selbst im Vordergrund. Manche Sportlerinnen und Sportler sprechen jedoch sehr offen über ihren Glauben an Gott als wichtige Kraftquelle. Denn eines kann der (Leistungs-)Sport nicht: Antworten geben auf die entscheidenden Fragen des Lebens. Wo komme ich her? Wo gehe ich hin? Was ist der Sinn des Lebens? Und gerade wenn die Leistung nicht (mehr) reicht, wenn Verletzungen zum Pausieren zwingen oder das Karriere-Aus bedeuten und die mediale Aufmerksamkeit sich anderen zuwendet, ist es gut zu wissen: Ich bin mehr als meine (sportlichen) Erfolge – ich bin wertvoll, einzigartig und liebenswert, ohne dafür die geringste Leistung erbringen zu müssen. Auch wenn ich – auf der Piste oder im Leben – einfädle, die Spur verlasse oder im Tiefschnee steckenbleibe und mich mühsam wieder "herauswurschteln" muss: Ich komme verlässlich ans Ziel – und dort ist einer, der mich liebevoll erwartet.

Martin Felhofer ist seit knapp 30 Jahren Abt des Stiftes Schlägl und begeisterter Sportler.

 

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1  Kommentar
1  Kommentar
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( Kommentare)
am 02.02.2019 12:42

So a Schmarrn!
Wie kann man Schifahren als Religion bezeichnen? Schifahren ist etwas Reales, Religion etwas Unkonkretes und Künstliches!

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