Koevolution: Parasiten, die den Menschen seit uralter Zeit begleiten
Die Entwicklungsschritte zum Homo sapiens lassen sich anhand seiner ungebetenen Gäste nachvollziehen: der aufrechte Gang, der Fleischverzehr, der Verlust des Fells.
Parasiten erzählen mehr über den Menschen, als man meinen mag. Einige begleiten uns schon so lange, dass von Koevolution gesprochen werden muss, einer wechselseitigen Anpassung zweier interagierender Spezies. Ein Gespräch mit Univ.-Prof. Horst Aspöck von der Uni Wien, einem führenden Parasitologen, der zum Darwin-Day im Schlossmuseum Linz vortragen wird (siehe Infobox unten).
OÖN: Wie viele Parasitenarten sind auf das Hotel Mensch angewiesen?
Aspöck: Rund 30. Da haben wir die eukaryotischen Einzeller, die Protozoen, dazu gehören die Erreger von Malaria, Toxoplasmose, Schlafkrankheit oder Amöbenruhr. Die nächste Gruppe wären die Würmer, die man als Helminthen bezeichnet. Die dritte Gruppe sind die Gliederfüßer, die Arthropoden, also Wanzen, Flöhe, Läuse und Zecken.
Eine Theorie besagt, der Mensch wurde zum Zweibeiner, weil er viel in Bächen und Flüssen zur Nahrungsbeschaffung unterwegs war und sich so leichter tat. Die Parasitologie deutet auch in diese Richtung. Wie kommt das?
Der aufrechte Gang dürfte vor vier, fünf Millionen Jahren entstanden sein. Die frühen Menschen sind ins Wasser gegangen, weil sie dort Eiweiß leicht aufnehmen konnten, Schnecken, Muscheln, Fisch. Und damit holten sie sich auch die entsprechenden Parasiten.
Später kam das Fleischessen dazu, und erneut fing sich der Mensch Parasiten ein, oder?
Trichinen sind ein Beispiel dafür. Man kann sie nur kriegen durch Fleischessen. Aus Sicht des Parasitologen ist das Essen von rohem oder ungenügend erhitztem Fleisch ein großes Risiko.
Aber es ermöglichte erst die Entwicklung des Menschen zur beherrschenden Spezies ...
Ohne die Aufnahme von so viel Protein hätte unser Gehirn niemals die Entwicklung zu rund 1400 Kubikzentimeter erfahren. Tiere in der Größe des Menschen haben um eine Zehnerpotenz weniger Gehirn als der Mensch.
Und dann gibt es ja auch noch einen Parasiten, der die Hypothese des ersten Aufbruchs des Menschen aus Afrika (Out-of-Africa) stützt …
Das erste Out-of-Africa war vor rund zwei Millionen Jahren. Der Mensch erreichte Ostasien, und dort hat sich ein Parasit an ihn adaptiert, Taenia asiatica, der asiatische Bandwurm.
Wenn man sich die Koevolution ansieht, kommt man zum Floh. Hat der Mensch sein Fell verloren, damit er den lästigen Parasiten loswird?
Das ist eine Theorie, die ich sehr unterstütze. Denn der Mensch hat durch den Verlust des Haarkleids kostbare Zeit gewonnen, die davor in das Absuchen nach Parasiten geflossen ist.
Ist die Kleiderlaus insofern eine Ausgeburt der Koevolution, als sie mit der Kleidung des Menschen einen Lebensraum fand?
Die Kleiderlaus stammt von der Kopflaus ab. Sie hat in der Kleidung eine Nische gefunden, wo sie ihre Eier ablegt. Eine Kopflaus legt die Eier an den Haaren ab. Das war von der Evolution her gesehen ein Glück für die Kleiderlaus.
Der Parasit hat Interesse, sich ungestört fortzupflanzen, und bringt deshalb seinen Wirt nicht oder nicht gleich um, oder?
Der Parasit hat lebhaftes Interesse, seinen Endwirt lange zu erhalten, sonst würde er sich den Ast absägen, auf dem er sitzt. Wenn wir Bandwürmer als Beispiel nehmen, die bis zu 15 Meter lang werden können, dann verursachen die manchmal Bauchweh, und es ist unangenehm, wenn Bandwurmglieder abgehen, aber das ist auch schon alles. Niemals ist der Wurm tödlich. Man kann ihn jahrzehntelang haben. Der Wurm will den Menschen nicht schädigen.
Es gibt absolut schlau wirkende Parasiten, etwa Toxoplasma gondii. Unter anderem macht dieser Einzeller Ratten sorgloser, er nimmt ihnen die Angst vor Katzenurin und treibt sie damit quasi vor die Mäuler der Katzen. Gibt es ähnliche Auswirkungen auf infizierte Menschen?
Man hat diese Versuche mittlerweile auf Schimpansen ausgeweitet und dabei herausgefunden, dass mit Toxoplasma gondii infizierte Schimpansen die Furcht vor potenziellen Räubern wie etwa Löwen verlieren. Unter infizierten Menschen – so jüngste Forschungen – finden sich mehr risikofreudige Leute, die diffuse Ängste und Furcht vor etwas verloren haben.
Es gibt Hinweise darauf, dass manche Parasiten dem Menschen nutzen. Wie das?
Das ist die umstrittene Hygiene-Theorie. Sie besagt, dass Menschen, die viele Parasiten haben – vor allem Würmer –, weniger Allergien und Autoimmunerkrankungen haben. Da ist etwas Wahres dran. Aber die Parasiteninfektion müsste eine sein, die man von Kindheit an hat, damit das Immunsystem damit umzugehen lernt.
Könnte man sagen, dass die Erde so etwas ist wie der Endwirt für den Menschen?
Ja, denn die Menschen nützen die Erde aus. Wir sind dabei, ein 7,6 Milliarden Exemplare zählender Parasit zu sein, der zum Schaden des Wirtes führt.
Darwin-Day 2019
Führender Experte und Referent: Der Parasitologe und Entomologe Horst Aspöck baute am Hygiene-Institut an der Uni Wien die Abteilung für Medizinische Parasitologie auf. Der 80-Jährige gilt als der Fachmann für den Bereich, den er nach wie vor lehrt.
Vortrag im Schlossmuseum: Vortragsgast zum diesjährigen Darwin-Day im Linzer Schlossmuseum (Freitag, 8. 2., 19 Uhr) ist Univ.-Prof. Horst Aspöck. Er spricht – höchst aufschlussreich und auch unterhaltsam – über die Frage: „Woher kommen die Parasiten des Menschen?“
„Einige der Parasiten stellen uralte Begleiter der Evolution des Menschen dar“, sagt er.