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"Entwicklung ist die harte Wahrheit"

Von Eike-Clemens Kullmann, 07. Jänner 2019, 00:05 Uhr
Deng Xiaoping auf einem Plakat in Shenzhen Bild: APA

Vor 40 Jahren öffnete der rote Pragmatiker Deng Xiaoping die Volksrepublik China. Das Reich der Mitte entwickelte sich vom "kranken Mann im Osten" zur Weltmacht.

Mit dem sanften Aufsetzen der Sonde "Chang’e 4" im Aitken-Krater, unweit des Mondsüdpols, zeigte die Volksrepublik China eindrucksvoll, wozu Wissenschafter und Ingenieure des Landes mittlerweile fähig sind. Der Rest der Welt musste neidlos anerkennen, dass das Reich der Mitte nicht mehr in sich gekehrt, sondern zum "globalen Player" aufgestiegen ist – auf der Erde und nun auch im Weltall.

Ein Blick 40 Jahre zurück muss der Welt diese "All-Macht" noch größere Bewunderung abringen. 1979 war die Volksrepublik vielen zwar als bevölkerungsreichstes Land, aber sonst nur als von der Außenwelt abgeschotteter "kranker Mann im Osten" bekannt. Mao Zedong, kommunistischer Führer und roter Utopist, der Millionen Todesopfer zu verantworten hatte, war zwei Jahre tot, als der rote Pragmatiker Deng Xiaoping das Ruder in die Hand nahm und einen Öffnungsprozess einleitete. Erst dieser ermöglichte Chinas wirtschaftlichen, geostrategischen und militärischen Aufstieg.

"Entwicklung ist die harte Wahrheit"
Jänner 1979: Deng Xiaoping bei Jimmy Carter im Weißen Haus. Bild: Reuters

Lebten in dieser "Stunde null" fast eine Milliarde Chinesen noch unter der Armutsgrenze, ist das Reich der Mitte heute zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt. Sein Anteil an der weltweiten Wirtschaftsleistung ist von damals 1,8 auf 15,3 Prozent gestiegen. Den Wiederaufstieg startete Deng auf dem 11. Parteikongress der Kommunistischen Partei am 18. Dezember 1978. Er riss die Macht an sich und ließ die "Viererbande" um Maos Witwe Jiang Qing festnehmen.

Radikale Wende

Anfang 1979 starteten seine Wirtschaftsreformen mit der Einrichtung von Sonderwirtschaftszonen (Shenzhen, Zhuhai, Shantou und Xiamen) sowie Gesetzen für Joint- ventures zwischen ausländischen und chinesischen Unternehmen. Die radikale Wende führte weg von zentralistischer Planwirtschaft hin zum Kapitalismus chinesischer Prägung. Nicht mehr Klassenkampf, Ideologie und Abschottung, sondern Wissenschaft, Marktwirtschaft und Öffnung zum Westen sollten die Politik bestimmen. Diese brachte schon Ende Jänner 1979 eine Aufwertung durch US-Präsident Carters Einladung für Deng ins Weiße Haus.

Dennoch zielte der rote Pragmatiker niemals auf die Schaffung eines freiheitlichen Staatswesens und Demokratie. Die Chinesen sollten reich werden dürfen – aber auf Mitsprache verzichten. "Reich werden ist ehrenhaft", sagte Deng. Die Staatsmacht liegt daher auch heute alleine bei der KP und dem Militär.

"Ohne Reform und Öffnung gibt es keine Hoffnung für China", hatte Deng gesagt. Und: "Entwicklung ist die harte Wahrheit." Und diese Entwicklung war hart für Land und Leute – und trotz vieler Erfolge längst nicht für alle Chinesen gut. Die soziale Kluft ist nach wie vor groß, speziell die Landbevölkerung – immerhin der wichtigste Stützpfeiler für die kommunistische Machtübernahme – konnte vom Aufschwung deutlich weniger profitieren als die Städter.

"Entwicklung ist die harte Wahrheit"
Ein Ausdruck des modernen Chinas: Futuristisch anmutende „Harmonie“-Hochgeschwindigkeitszüge. Bild: Reuers

Zig-Millionen Wanderarbeiter

Die Folge: Die Landflucht trieb hunderte Millionen unter anderem als Wanderarbeiter in die Städte und ein Ende dieser Entwicklung ist nicht absehbar. Mit unabsehbaren Folgen, speziell für die Umwelt.

Dennoch: 40 Jahre Öffnung haben das Land wohlhabend und mächtig gemacht – und dieser Machthunger ist noch längst nicht gestillt. Politische Reformen sind jedoch bis heute ausgeblieben.

Dengs Theorie-Ansage lautete: Ist erstmals ein gewisser Grad an Wohlstand und Bildung erreicht, ist auch mehr Mitbestimmung möglich. Warum es Deng damals und dann den Rest seines Lebens eigentlich nie mit der Demokratie eilig hatte? Er befürchtete Instabilität und Chaos, sollte die KP-Führung allzu rasch an Macht einbüßen. Eine zentrale Führung war aus seiner Sicht aber nötig, um diese notwendigen Veränderungen vorzunehmen. In diesem Punkt geht Xi Jinping sicher d’accord mit Deng.

Massaker am Tiananmen-Platz

Die tief verwurzelte konfuzianische Abneigung gegen Unruhe oder gar Chaos mag zwar ein Erklärungsversuch, kann aber niemals eine Entschuldigung sein für Dengs größte Verfehlung, ja Verbrechen. Dieses ist heute, 30 Jahre danach, noch immer präsent. In der Nacht zum 4. Juni 1989 schlug das Militär in Peking zu: Nach sieben Wochen friedlicher Studentenproteste für demokratische Reformen ließ die Armee Panzer auf den Tiananmen-Platz (den Platz des Himmlischen Friedens) rollen und das Feuer eröffnen.

Tiananmen-Massaker
Tiananmen-Massaker: Das berühmte Bild des Mannes, der auf der "Straße des Langen Friedens" vier Panzer aufzuhalten versuchte. Bild: Reuters

Noch heute ist unklar, wie viele Menschen starben. Klar aber ist, dass der Schießbefehl vom schon greisen Führer Deng Xiaoping kam. Dieser stand zwar nie offiziell an Staats- und/oder Parteispitze, wurde zudem unter Mao dreimal gestürzt und unter Hausarrest gestellt, überlebte aber als harter Soldat diesen roten Dschungel aus Intrige und Macht. Und so blieb er bis zu seinem Tod 1997 Vorsitzender der mächtigen Militärkommission. Die konfuzianischen Traditionen sind in China eben tiefer verankert als die kommunistischen – anders sind die Anerkennung der obersten Entscheidungsmacht eines Mannes in hohem Alter und der Wille zur Harmonie unter Dengs Führung wohl nicht zu verstehen.

"Liberale Abwege" werden da ganz einfach nicht geduldet. Daran änderte sich auch nach dem Tod Dengs nichts. Im Gegenteil: Der heutige Chef über Partei, Staat und Militär, Xi Jinping, zementiert die Macht und schneidet sie immer stärker auf seine Person zu. Das heißt: Im Gegensatz zu seinen Vorgängern Jiang Zemin und Hu Jintao denkt Xi nicht daran, sich als Nummer eins nach zehn Jahren (zwei Fünfjahres-Perioden) zurückzuziehen. Xi lebt diese Nummer-eins-Position zudem ganz besonders in öffentlicher Präsenz aus.

Gegen Personenkult gewehrt

Was ihn entscheidend vom Architekten des chinesischen Wiederaufstieges abhebt. Anders auch als Mao hatte sich der kleingewachsene Mann (nur 1,52 Meter) aus Sichuan, der Provinz der feurig-scharfen Küche, stets gegen einen Personenkult gewehrt. Und so verfügte er eine Seebestattung seiner Asche. Versunken im Chinesischen Meer, gibt es von Chinas Erneuerer keine Gedenkhalle für seine Leiche, keine Geldnote und kein Souvenir mit seinem Konterfei. In der Erinnerung älterer Chinesen und jener Ausländer, die mit den Anfängen der Öffnungspolitik vertraut sind, lebt er allerdings weiter.

 

Wichtige Jahreszahlen

 

  • 1978 - Wahl: Deng Xiaoping wird am 18. Dezember in den engsten Machtzirkel der KP Chinas gewählt.
  • 1979 - Experimente: Vier Sonderwirtschaftszonen werden etabliert. Lokalverwaltungen dürfen ausländische Investitionen anzulocken versuchen. US-Präsident Jimmy Carter lädt Deng ins Weiße Haus ein.
  • 1984 - Preissystem: Ein zweistufiges Preissystem wird eingeführt. Der Staat kauft Landwirtschaft und Industrie die vorgegebenen Quoten zu festgelegten Preisen ab. Was sie mehr produzieren, dürfen sie auf dem freien Markt verkaufen.
  • 1990 - Börse: In Shanghai öffnet die erste Börse der Volksrepublik.
  • 1993 - Marktwirtschaft: Die KP beschließt, dass die Marktwirtschaft mit dem Sozialismus kompatibel sei.
  • 1997 - Ende einer Ära: Am 19. Februar stirbt Reform-Architekt Deng (92). Großbritannien gibt Hongkong an China zurück.

 

 

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2  Kommentare
2  Kommentare
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Gugelbua (31.930 Kommentare)
am 07.01.2019 11:25

das geht aber nur wenn man sein Volk mit grausamsten Methoden in der Hand hat

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athena (3.249 Kommentare)
am 07.01.2019 05:37

schon mal chinesisch lernen am besten!

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