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Das Weihnachtsessen

Von Rudolf Habringer, 22. Dezember 2018, 00:04 Uhr
Ein Festmahl zu Weihnachten
Bild: Colourbox.de

Ludmilla Schweller und Lotte Poimer sitzen im Café. Eine Geschichte von Satiriker Rudolf Habringer.

Ludmilla: Jetzt wird ja bald wieder deine Familie kommen zu Weihnachten. Der Neid könnt’ mich fressen!

Lotte: So siehst du das?

Ludmilla: Sicher, drei Kinder. Ihr seht euch doch sonst nie. Was gibt’s Schöneres als ein Fest im Kreis der Lieben!

Lotte: Das schon, aber die haben sich auch weiterentwickelt. Die Karin und ihr Dieter, die sind strenge Veganer.

Ludmilla: Schön! Da lernst noch was von denen – Achtung vor der Natur, vor den Tieren. Und es gibt ja so schöne vegane Rezepte.

Lotte: Des wäre ja nicht das Problem. Aber die Lisi, die Mittlere, kommt auch mit ihrem neuen Lebensgefährten, Sandro heißt der. Du, das sind Frutarier.

Ludmilla: Ja, sehr schön. Aber sag, was ist des jetzt g’schwind?

Lotte: Also, ich hab’s auch nicht gewusst, was das ist. Wir haben nachschauen müssen. Frutarier ernähren sich ausschließlich mit pflanzlichen Produkten. Wo nicht die Pflanze selbst beschädigt wird. Obst oder Nüsse: ja. Aber eine Karotte zum Beispiel: nein!

Ludmilla: Wieso jetzt? Ist die zu ordinär?

Lotte: Wenn du eine Karotte isst, dann vernichtest du die Pflanze. Die reißt du ja aus mit der Wurzel. Ein Frutarier sagt da: Nein, diese Pflanze ess’ ich nicht!

Ludmilla: Ach so ist das! Ich bin mir sicher, dass es auch sehr schöne Rezepte für Frutarier gibt. Du wirst da schon was finden.

Lotte: Das ist ja noch nicht alles. Da kommt dann noch unsere Jüngste, die Sabine mit ihrem Hugo. Das sind Pescetarier.

Ludmilla: Das hab’ sogar ich noch nie gehört.

Lotte: Die essen kein Fleisch, nur Fisch und Meerestiere. Dafür lehnen die wieder jedes Pflanzengericht ab, das ein Fleischprodukt optisch oder geschmacklich imitiert, zum Beispiel Tofuwurst oder Sojaschnitzel. Das ist die Situation. Wir sind kulinarisch so was von multikulti!

Ludmilla: Das wirst schon hinkriegen, Lotte. Wenn ich nur daran denke: Weihnachten, wenn alle so schön gemütlich zusammenkommen ...

Lotte: Ein Weihnachtsessen bei uns ist eine logistische Katastrophe. Mehr oder weniger der Clash of Civilisation. Wir haben schon überlegt, ob wir uns nicht coachen lassen. Oder ob wir uns nicht eine staatlich geprüfte Ernährungsberaterin kommen lassen. Aber du kriegst ja niemanden am Heiligen Abend! Also, ich sag’ dir: Mein Horsti, der kann nimmer!

Ludmilla: Geh, des gibt’s jetzt aber doch nicht! Wenn alle so schön beisammen sitzen.

Lotte: Der hört bloß Weihnachten und kriegt schon einen Ausschlag. Der bekommt auf der Stelle einen Erstickungsanfall. Psychotisch ist das direkt. Wenn du mich fragst: Der hat ein lupenreines Angstsyndrom. Aber wie sollst du das verhindern, der Horsti ist verzweifelt, ich weiß nicht, ob der nicht wieder ein bisschen piperlt in der Zwischenzeit. Also, Weihnachtsgans geht gar nicht, Weihnachtsbraten völlig ausgeschlossen!

Ludmilla: Ein Weihnachtskarpfen?

Lotte: Davor hat dem Horsti immer gegraust. Der hat ihm zu viel geerdelt. Den Pescetariern kannst du das vorsetzen, aber nicht unseren Veganern. Die brauchen den Fisch nur riechen, kommt denen schon das Speiben. Wir haben’s gesehen voriges Jahr. Wir waren ja nur mehr hysterisch am Putzen.

Ludmilla: Aber was esst ihr dann wirklich?

Lotte: Ich sag’s, wie’s ist. Dem Horsti hab ich im Holzkeller eine Mikrowelle deponiert. Der tut so, als gingert er das Christkind suchen, geht in Wirklichkeit in den Keller, wärmt sich dort auf die Schnelle einen Haxen vom Ganserl und würgt den in Kürze runter. Und wir oben haben halt – in so Schälchen habe ich das so vorbereitet; statt irgendwelcher Kekse oder so, da wär ja Mehl drin, Eier, Zucker, um Gottes willen! – also in die Schälchen gebe ich geriebene Nüsse, die können dann alle ein bisschen löffeln – eine staubige Angelegenheit, sage ich dir! Aber das ist der kleinste gemeinsame Nenner. Das Leben ist kompliziert, Ludmilla! Fehlt nur mehr, dass in diesem Jahr bei jemandem Haselnussunverträglichkeit auftaucht. Dann ist dieses Menü auch vom Tisch!

Ludmilla: Das ist ja … gerade zu Weihnachten, nein, schrecklich!

Lotte: Und jetzt sag’ ich dir noch eins. Wir haben vier Enkerl. Alle mit Untergewicht, alle blass wie der Vollmond, alle mit Mangelerscheinungen. Und was glaubst, was die zu Weihnachten essen möchten? Alles, was gut und verboten ist. Bratwürstel mit Sauerkraut, ich sag’s dir! Und zum Nachtisch eine Puddingtorte mit Smarties!

Ludmilla: Na, das ist lieb!

Lotte: Also mir bleibt nix anderes über. Irgendwann fällt auf, dass der Horsti nicht mehr heraufkommt. Dann schick’ ich die Enkerl nach und sag’, sie sollen ihn suchen. In der Zwischenzeit hat er im Keller die Bratwürstel heiß gemacht. Und ich heroben versuche die Großen abzulenken. Wir zünden den Baum an, die Kerzen, meine ich. Bitte aber nix mit Bienenwachs. Das entzieht den Bienen die Nahrung. Und bitte auch kein echter Baum. Du weißt schon; die werden ja abgeschnitten. Das ist ja alles Natur im Prinzip. Plastik ist natürlich auch verboten. Das verpestet die Meere. Der Horsti hat jetzt ein Jahr lang experimentiert. Und so ein Bäumchen gebastelt. Aus Holz. Das ist erlaubt, wenn’s lange genug liegt. Und aus grünem Papier haben wir so Zweigerl gefaltet.

Ludmilla: Ja, ist dann der Baum noch als Christbaum erkennbar?

Lotte: Es ist nicht sicher, ob’s nicht heuer wieder einen Aufstand gibt. Weißt eh. Papier ist aus Holz. Holz ist von einem Baum. Zur Papiergewinnung braucht es viel Wasser. Ein Baum hat Wurzeln. Also, ich sag’s dir! Der Horsti macht des nicht mehr lange mit. Wir haben endlose Diskussionen zu Weihnachten, welche Glaubensrichtung jetzt die richtige ist. Aber ich weiß jetzt endlich, was wir sind.

Ludmilla: Was, was wir sind?

Lotte: Flexitarier samma!

Ludmilla: Was? Arier?

Lotte: Flexitarier heißt das! Und der Horsti sagt: „Ich hab’ immer geglaubt, ich bin ein Allesfresser!“

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