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Hans Kammerlander: "Ich habe Frieden geschlossen"

Von Nora Bruckmüller, 07. Dezember 2018, 00:04 Uhr
"Ich habe Frieden geschlossen"
Hans Kammerlander will keine Grenzgänge mehr. „Es wäre lächerlich, mit den Jungen mitspielen zu wollen.“ Bild: Thimfilm

Extremalpinist Hans Kammerlander (62) verlor 1991 zwei seiner besten Freunde auf dem Berg Manaslu. Ein neuer Film zeigt seine Reise dorthin zurück.

In 16 Stunden und 40 Minuten erreichte der Südtiroler Hans Kammerlander 1996 über die Nordroute den Gipfel des Mount Everest. Nach der bis heute schnellsten Besteigung fuhr er auf Skiern als erster Mensch vom Dach der Welt – ein Triumph.

Nur fünf Jahre davor hatten zwei kurze Momente dem Alpinisten auf dem Achttausender Manaslu den Boden unter den Füßen weggezogen. Einer seiner besten Freunde wurde vom Blitz erschlagen, ein anderer stürzte zu Tode. Kammerlander wollte nie wieder zurück. Der Film "Manaslu", ab 14. Dezember im Kino, zeigt, wie er es doch tat.
 

OÖN: Wann haben Sie erstmals gespürt, dass es an der Zeit ist, zum Manaslu zurückzukehren?

Hans Kammerlander: Als ich einen ähnlichen Schicksalsschlag erfahren habe, auch in Nepal. Bei einem Erstbesteigungsversuch des Jasemba, eines 7000ers im Gebiet des Mount Everest, ist mein Partner beim Abseilen tödlich abgestürzt. Ein Jahr später, 2007, war ich dann wieder da, mit einem anderen Partner. Es ist uns gelungen, diesen herrlichen Berg über eine äußerst schwierige Route zu besteigen. Am Gipfel war ich dann sehr glücklich, dass ich zurückgekehrt bin und nicht so wie beim Manaslu den Kopf in den Sand gesteckt habe.

Das ließ Sie Ihre Reaktion 1991 auf dem Manaslu neu bewerten?

Ja. Ich habe mir gedacht: Das war ein Fehler. Ich hätte genauso ein Jahr später zurückkehren sollen. Weil es immer besser ist, nach vorne zu gehen, weiter, voran. Die Idee der Rückkehr ist dann immer stärker herangereift, jetzt habe ich sie erlebt. Ich habe meinen Frieden mit diesem Berg geschlossen.

Wie ging es Ihnen dabei?

Ich hatte das Gefühl, froh zu sein, wieder dort zu sein. Es kamen hauptsächlich schöne Erinnerungen an meine Freunde zurück, die dort geblieben sind. Ich sehe den Berg jetzt nicht mehr als Feind.

Haben Sie dem Manaslu jemals die Schuld am Unglück gegeben?

Der Berg hat nie Schuld. Es ist immer der schuld, der sich darauf bewegt. Natürlich haben wir damals alles unterschätzt und mit Sicherheit den Fehler begangen, den Wettersturz, der uns in Bedrängnis gebracht hat, nicht vorauszudeuten. Heute wäre ich zu 99 Prozent nicht in dieses Inferno hineingeraten, auch weil wir schon seit Jahren super Wetterprognosen haben.

Wie gingen Prognosen damals?

Wir haben einfach ein bisschen in die Luft geschaut. So wie Bauern früher, bevor sie Heu gemäht und gesagt haben: Passt, start ma.

Zum Film: Es wäre leicht gewesen, ein Helden-Epos zu drehen ...

Der Film ist selbstkritisch, das wollte ich so. Er sollte zu keiner bloßen Aufzählung von Erfolgen geraten. Die Fehler zu verschweigen, wäre falsch und unglaubwürdig gewesen. Es muss für alles Platz sein.

"Ich habe Frieden geschlossen"
Kälte, Schnee, Höhe und Tiefe: 1993 in seinem Element Bild: Thimfilm

Der Film zeigt Sie auf der Höhe des Hypes um Ihre Person, mit Frauen, bei Partys. Wenn man Sie heute erlebt, reflektiert und umsichtig, kann man sich nicht vorstellen, dass Sie das einmal waren. Geht es Ihnen dabei ähnlich?

Naja, ich habe dieses Leben so gelebt. Aber was mir bis heute sehr, sehr schwer fällt, ist, mich anzupassen, wenn ich nach Monaten von einer Expedition zurückkehre. Dabei muss ich sehr präzise sein, weil immer Restrisiko besteht. Das bedeutet Eigenverantwortung pur. Kaum steigst du aber aus dem Flugzeug, siehst du fast nur Schilder, die das Leben für dich regeln, und all diesen Käse. Und da bin ich vielleicht ein bisschen undiszipliniert. Zum Teil fällt es mir sehr schwer, mich wirklich daran zu halten.

Ist man als Mensch, der beruflich Grenzen überschritten hat, überhaupt für den Alltag geeignet?

Natürlich ist das nicht meine Welt. Ich habe versucht, in meinem Leben immer die Arbeiten zu erledigen, die mir auch liegen. Büroarbeit gehört da nicht dazu. Da habe ich eine sehr gute Mitarbeiterin, die schaut, dass alle Termine passen. Dann bekomme ich einen Plan, den ich dann genau abarbeite. Das gehört zum Beruf dazu. Aber ansonsten, dieses normale Alltagsleben, das viele absolvieren, die am 1. Jänner schon wissen, wie das gesamte Jahr abläuft – das mag ich nicht. Ich bin eher spontan und relativ flexibel in meinen Entscheidungen.

Wenn man auf einem Gipfel steht, wie viel Kraft braucht es, sich von ihm wieder loszusagen?

Das Spannende ist tatsächlich immer, wieder loszukommen. Zum Beispiel 1996 auf dem Everest. Du nimmst die Steigeisen ab, die du über Stunden getragen hast und dir sicheren Halt gegeben haben, und steigst in die Bindung der Ski. Diese Bretter, die sind schon sehr glatt. Du schaust runter und hast das Gefühl, die Tiefe saugt dich weg.

Und erinnert einen daran, dass längst nicht alles geschafft ist.

Das Wissen, dass ich diese Abfahrt kann, war da, aber natürlich auch die Müdigkeit – ohne Sauerstoff da oben – und die Gewissheit, dass man, wenn man einen Fehler macht, nicht in einem Fangnetz landet, wie auf der Streif. Das sind Momente, in denen spürt man so richtig, wie wertvoll das Leben ist.

Wie im Leben überlegt sich aber nicht jeder, wie man von ganz oben wieder heil runterkommt.

Beim Bergsteigen lassen sich viele, die ein großes Projekt vor sich haben, zu einem viel zu großen Risiko treiben. Oben viel zu spät ankommen, fix und fertig, ohne vorher an das Runterkommen zu denken. Kommt die Nacht, ist das Chaos programmiert. Und als ich jung war, war ich brutal risikofreudig.

Wann ist es besser geworden?

Mit den Jahren habe ich das Umdrehen gelernt und gehe mit einer ganz anderen Einstellung. Ich muss an keinem Wettlauf mehr teilnehmen. Meine Expeditionen sind nicht mehr nur der Berg, der Berg ist Teil davon. Ich nehme mir viel Zeit – für Natur, Menschen und Kultur. Es ist schöner geworden.

Was hat Sie Ihr Klettern gelehrt?

Wie erwähnt: wie wertvoll das Leben ist. Wenn ich nur herumsitze, dann spüre ich – anders, als wenn ich exponiert bin – diesen Wert nicht. Komme ich von einer Expedition zurück, dann bin ich anders, entspannter. Probleme, die vorher nervig erschienen sind und ich weggeschoben habe, kann ich dann lösen. Mit einem Schulterzucken, weil alles so leicht geworden ist. Und immer wenn ich merke, dass ich zu sehr in einen Strom geraten bin, dann bin ich wieder weg.

"Ich habe Frieden geschlossen"
Mit 8163 Metern Höhe ist der Manaslu in Nepal der achthöchste Berg der Welt. Bild: Thimfilm

 

Leben und Filmpremiere in Pasching

Hans Kammerlander wurde als sechstes Kind einer Bergbauernfamilie in Ahornach im Südtiroler Tauferer Ahrntal geboren. Die Arbeit am Hof, Leben ohne Strom und fließend Wasser prägten ihn. Die Mutter starb, als Hans zehn Jahre alt war. Als 8-Jähriger bestieg er heimlich seinen ersten Berg. Mit 21 wurde er Bergführer und Skilehrer. Mit Reinhold Messner bestieg er teils auf neuen Wegen sieben der 14 Achttausender.

Auf 40 Expeditionen im Himalaya, Karakorum und u. a. Südamerika blickt er zurück, wie auf zahlreiche Erst- und Solobegehungen und Rekorde. Als 50-Jähriger wird Kammerlander Vater einer Tochter. Die Verantwortung für sie half ihm, den Extrembergsport ruhen zu lassen.

Der Film Manaslu zeigt Kammerlanders Leben in allen Facetten – samt zerbrochenen Beziehungen und den Folgen eines von ihm verursachten Unfalls mit Todesfolge.

Am 10. 12. präsentiert Kammerlander den Film im Megaplex Pasching, Autogrammstunde: 18 Uhr, Film: 18.45,
Karten-Tel.: 07229/69 300 30, www.megaplex.at

 

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