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Größenwahn trifft Minderwertigkeit

Von Nora Bruckmüller, 17. November 2018, 00:04 Uhr
Größenwahn trifft Minderwertigkeit
Andreas Vitásek Bild: Jan Frankl

Andreas Vitásek über sein Kabarett "Austrophobia", Identität und warum gute Künstler nicht automatisch charakterfest sind.

Österreich ist ein Labyrinth, in dem sich jeder auskennt", sagte einer, der es wissen musste: Helmut Qualtinger (1928-1986). Andreas Vitásek steht seit 1981 auf den Schultern dieses wohl wichtigsten Ur-Kabarettisten. Dennoch ist der Wiener (62) ein gutes Beispiel dafür, dass diese Position zwar einen Blick von oben auf das Land bedingt, aber man trotzdem überblicks- und planlos sein kann. Daher sucht Vitásek in "Austrophobia" Antworten auf elementare Fragen: Wer bin ich denn als Österreicher? Was macht die Heimat überhaupt aus?

 

OÖN: Wie kommt man auf so einen Titel? Spontan, weil Veranstalter schon einen Namen für ihre Spielpläne gebraucht haben?

Andreas Vitásek: Nein, nein. Dieses Mal war der Titel ganz früh da. Ich habe zufällig auf meine Notizen geschaut und da habe ich 2013, bestimmt kurz nach der Premiere von "Sekundenschlaf", aufgeschrieben: nächster Titel: Austrophobia? Ich habe dann für mich selbst versucht, herauszufinden, was es bedeutet, Österreicher zu sein. Und was diese seltsame Mischung ist, die wir diesbezüglich haben – eine aus Größenwahn und Minderwertigkeitsgefühl.

Haben Sie recherchieren können, ob "Austrophobia" eine anerkannte Phobie ist?

Ja, aber ich glaube, dass sie keine ist. Ich habe Listen mit Phobien durchgeschaut, die offiziell als Krankheitsbilder geführt werden. Und da gibt es ja die unvorstellbarsten Dinge, vor denen man Angst haben kann. Sogar vor der Angst – das heißt Phobophobie. Aber dass jemand Schweißausbrüche bekommt, wenn er eine Tracht sieht, ist – soweit ich weiß – noch nicht in der medizinischen Literatur verzeichnet.

Werden Aspekte, die Sie schon vor fünf Jahren angedacht haben und nun im Programm sind, aktuell diskutiert? Viele Bürger fremdeln ja gegenüber unserer Politik.

Na ja, es gibt gesellschaftliche Strömungen, die sich nicht von heute auf morgen entwickeln, sondern wie ein Fluss sind, der aus einer Quelle weit weg entsteht. Und ich glaube, Künstler spüren solche Entwicklungen früher, weil sie ein bisschen mehr Zeit haben, sich Gedanken zu machen, und vielleicht demgegenüber auch sensibler sind. Anders als die Menschen, die dazu gar keine Möglichkeit haben, weil sie in einem Arbeitsprozess stecken, der das nicht zulässt.

Wann fremdeln Sie im Sinne von "Austrophobia" gegenüber Österreich?

Momentan zeigt sich schon eine Tendenz, die etwas rückwärtsgewandt ist. Man kann jetzt versuchen, das als Reaktion auf die große vorherrschende Unsicherheit zu verstehen und zu analysieren, die noch dazu geschürt wird. Dadurch flüchtet man sich in Altbewährtes. Dabei wird der Begriff der Heimat strapaziert.

Haben Sie einen Heimatbegriff?

Sicher. Aber der schöpft sich nicht aus einem falschen, geklonten Trachten-Volksmusik-Gebilde. Ich glaube, dass Heimat etwas Dynamisches sein kann, etwas, das sich verändern und modern sein kann.

Wie sehen Sie denn die Tracht?

Mir hat sogar jemand geschrieben und gefragt, wie ich darauf komme, im Programm so auf die Tracht zu schimpfen. Aber ich habe überhaupt nichts gegen sie. Ich habe nur etwas gegen die Tracht als Uniform. Das finde ich falsch. Genauso wie schnöselige Menschen, die sich im Urlaub im Salzkammergut zwei Monate lang als Bauern verkleiden. Für mich ist das dumm, kitschig und unecht. Ohne Kultur ist für mich auch ein kollektives Besäufnis bei einem geklonten Münchner Oktoberfest auf der Wiener Praterwiese. Eine Land-Hochzeit in Tracht ist für mich aber etwas sehr Schönes. Und gegen eine ordentliche Lederhose ist absolut nix zu sagen. Aber man darf sie nicht für eine Ideologie verwenden. Wobei ich da schon ambivalent bin.

Warum?

Weil ich Kleidung auch als Ausdruck einer Ideologie genutzt habe. Eine abgewetzte Jeans, eine Militär-Jacke und lange Haare waren ja Zeichen einer Einstellung und eines Protests, als ich jung war. Aber Kleidung wird eben nie frei davon sein, auch eine politische Haltung auszudrücken.

Gibt es Momente, in denen Sie Heimatstolz empfinden?

Ja, beim Genuss von Kunst. Es wird viel weniger gesehen, dass das, was uns ausmacht und worin wir in der ganzen Welt geschätzt werden, die Kunst ist. Neben der Musik sind das natürlich die bildende Kunst und auch das Schauspiel, wenn man etwa an Oskar Werner denkt. Darauf sollte man sich etwas mehr konzentrieren.

Wie empfinden Sie das Verhältnis zwischen den Künstlern und Österreichern?

Es gibt schon ein Spannungsverhältnis. In anderen Ländern kenne ich das nicht, etwa in Frankreich, wo ich sehr oft bin. Die Franzosen haben zu ihren Künstlern eine viel offenere, positivere Einstellung. Sie sind stolzer, als das bei uns der Fall zu sein scheint. Das finde ich traurig. Aber wir sind halt auf unsere Skifahrer stolz. Sonst haben wir ja nicht viele Sportler, auf die wir stolz sein können. Denn mit dem Fußball-Nationalteam haben wir eh immer wieder Probleme (lacht).

Was macht nationalen Stolz auf Künstler so schwierig?

Weil sie letztlich immer international orientiert sind. Jeder richtige, gute Künstler denkt über Grenzen hinweg. Außerdem sieht man in der Geschichte, dass durch die Verbindung von Kunst und Nationalismus nie Interessantes hervorgebracht worden ist. Weil die Kunst dabei immer eine Verwendung für Propaganda bleibt. Die, die sich einfangen haben lassen, waren am Ende auch Gefangene.

Warum passiert das?

Wenn man Regisseurin Leni Riefenstahl oder Schauspieler Gustaf Gründgens in der NS-Zeit nimmt – das waren Menschen mit irrem Talent. Nur sind gute Künstler nicht immer charakterfest.

Da kommt die Berufung, Künstler zu sein, dazwischen, der Drang, sich mitteilen zu wollen?

Natürlich. Man kann es auch nachvollziehen. Da arbeitet einer ein ganzes Leben lang an einer Karriere und dann kommt der Nationalsozialismus dazwischen. Und dann ist eine Entscheidung zu treffen: Unterwerfe ich mich, weil ich meine Karriere weiter vorantreiben will, höre ich auf oder gehe ich in den Widerstand? Das ist keine leichte Entscheidung.

Wie stehen Sie zu dieser Entscheidung?

Ich bin froh, dass ich sie nicht treffen muss. Und ich bin überhaupt froh, dass ich die Gnade der späten Geburt erfahren habe. Ich weiß nicht, wie ich mich damals verhalten hätte. Das Einzige, was man heute tun kann, ist, für die Jetztzeit daraus zu lernen, um Parallelen und ähnliche Strickmuster rechtzeitig zu erkennen.

Zu etwas Heiterem: In Ihrem Programm entzünden sich Konflikte an einem "illegal eingeschleusten Mops". Warum ausgerechnet ein Mops?

Weil mein erster Hund ein Mops war, der über Umwege zu mir gekommen war. Ich finde, dass das eine tolle Rasse ist. Und das Schöne an ihnen ist, dass sie, selbst wenn sie wollten, was sie eh nicht tun, gar niemandem weh tun könnten. Weil sie dafür viel zu kleine Zähnchen haben.

 

In Oberösterreich

 

Bundesland-Premiere feiert Andreas Vitáseks 13. Kabarett „Austrophobia“ am 20. und 21. November im Posthof Linz. Die Vorstellungen (je 20 Uhr) sind bereits ausverkauft, Infos zu Restplatzlisten:
www.posthof.at
Tel. 0732 / 78 18 00

Weitere Termine

Garsten: 26. Februar, Veranstaltungssaal, 20 Uhr, Karten-Tel.: 0664 / 66 36 398
www.kulturpanorama.at

Laakirchen/Steyrermühl: 3. April, Kulturzentrum Alfa
papierwelten.co.at

Traun: 1. Oktober 2019, Kulturpark Spinnerei,
www.spinnerei.kulturpark.at

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