Der Krieg endet, aber der Hunger bleibt noch lange
7. November 1918 - Mehl, Fleisch, Kohle: Nach Kriegsende verschärft sich der Mangel sogar – Unruhen sind die Folge
Es fehlt an allen Ecken und Enden: ob Kohle zum Heizen, Petroleum für Lampen oder schlicht Lebensmittel. Das Kriegsende im November 1918 macht das nicht besser. Im Gegenteil. Die neue Landesregierung Oberösterreichs sah sich rasch gezwungen, einen Appell an Landwirte zu veröffentlichen. Die Ansicht, "dass die Lieferungen von Kartoffeln, Getreide, Schlachtvieh und Milch jetzt gänzlich aufhören können, weil es keine Armee mehr gibt", sei "ein gewaltiger Irrtum", heißt es darin.
Um die Lebensmittelzufuhr in die Städte wieder in Gang zu bringen, werden die staatlich festgelegten Preise verdoppelt – und auch eine Drohung wird in den Appell verpackt: Es hätte wohl "unabsehbare Folgen, wenn die (...) hungernden Massen gezwungen sind (...) auf dem Lande beim Bauern sich selbst das zu suchen, was sie in der Stadt nicht bekommen können."
Der Lebensmittelmangel wird zu Kriegsende dadurch verschärft, dass Österreich von Bezugsquellen aus früheren Gebieten der Donaumonarchie abgeschnitten ist. Und es wird noch schlimmer: Im Winter 1918/19 herrscht größere Not als in den Kriegsjahren.
Am 9. Jänner 1919 plündern Demonstranten die Lebensmittelvorräte des Pfarrhofes in Steyr – tags darauf wollen sie das beim bischöflichen Meierhof in Gleink wiederholen. Die Gendarmerie schreitet ein, bei den Auseinandersetzungen sterben ein Gendarm und ein Demonstrant.
Schleichhandel verschärft die Not, gerade ärmerer Schichten. Statt des verordneten Ablieferungspreises von zwölf Kronen pro Kilo Butter erzielen Landwirte auf dem Schwarzmarkt "40 bis 80 Kronen", vermerkt die Rohrbacher Pfarrchronik und fügt kritisch an: Ärmere Leute könnten sich aufgrund "dieses wucherischen Treibens kein Fett leisten".
In Linz bricht sich der Ärger der Hungernden Anfang Februar Bahn. Am 4. Februar finden Protestversammlungen statt. "Hinaus zu den Bauern, dann wird gleich wieder Fleisch und Milch in der Stadt sein", skandiert die Menge. "Nieder mit dem Schleichhandel!" Es dauert nicht lang, da werden die ersten Hotels, Gaststätten und Geschäfte geplündert. Vor dem Spezialitätengeschäft Egger in der Landstraße kommt es zum Zusammenstoß mit der Gendarmerie. Auf beiden Seiten fallen Schüsse, der 23-jährige Kriegsinvalide Vinzenz Lindlbauer stirbt – eines von vier Todesopfern dieser Hungerrevolte in Linz. Die Unruhen breiten sich rasch auf andere Stadtteile aus und setzen sich tags darauf fort. Schließlich verhängen Landesregierung, Arbeiter- und Soldatenräte sowie die Volkswehr gemeinsam bis 12. Februar das Standrecht. Menschenansammlungen werden verboten.
Das beruhigt die Lage, stillt aber nicht den Hunger.