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"Es war zu bewundern, wie viel Liebesentzug sie ertragen hat"

20. Oktober 2018, 00:04 Uhr
"Es war zu bewundern, wie viel Liebesentzug sie ertragen hat"
Emmy Werner (r.) mit Sabine Derflinger während einer Drehpause im von ihr gegründeten Theater Drachengasse. Bild: Christian König

Sabine Derflinger würdigt Frauenpolitikerin Johanna Dohnal in einem großen Film. Nora Bruckmüller sprach mit der Vöcklabrucker Regisseurin sowie der Zeitzeugin und früheren Volkstheater-Chefin Emmy Werner beim Dreh in Wien über die Unbeugsame.

Es scheint keine bessere Zeit zu geben, um von Johanna Dohnal (1939– 2010) zu erzählen. Nicht in erster Linie, weil sie Sozialdemokratin war, sondern auch eine unbeugsame, unbequem harte Politikerin für Frauen (mehr unten), die etwa 1979 eine Reform des Sexualstrafrechts erwirkte. Vergewaltigung in der Ehe wurde strafbar.

Nun solidarisierten sich vor einem Jahr Hunderttausende Frauen im Netz mit denen, die sich öffentlich gegen die sexuellen Übergriffe des US-Produzenten Harvey Weinstein stellten. Am 18. Dezember vor hundert Jahren wurde in Österreich das allgemeine Frauenwahlrecht gesetzlich verankert.

Als Sabine Derflinger (55) angefangen hatte, an ihrem Dokumentarfilm über Dohnal zu arbeiten, hatte sich das Zeitfenster, um in der Frage der Frauen wieder gehört zu werden, längst nicht geöffnet. "Es war Überzeugungsarbeit notwendig. Wir mussten den Menschen erst erklären, warum wir den Film brauchen. Jetzt ist er so aktuell, wie er damals hätte sein sollen", sagt die Vöcklabruckerin, als sie die OÖN am Set in Wien besuchten.

Die mit dem Grimmepreis, dem "Oscar des deutschsprachigen Fernsehens", prämierte Regisseurin sitzt vor der Bühne im "Theater Drachengasse". Neben ihr die Gründerin dieses Kleinods und eine Frau, die Österreichs Bühnenwelt geprägt hat: Emmy Werner, die 17 Jahre lang (1988–2005) Direktorin des Volkstheaters Wien war.

Die 80-jährige Grande Dame und ihr Wirken sind der beste Beweis dafür, warum Derflinger recht hat, wenn sie sagt, dass Dohnals Geschichte so wichtig sei, dass sie gar keinen aktuellen Aufhänger bräuchte. Derflinger: "Weil im kollektiven Bewusstsein von Männern und Frauen überhaupt nicht verankert ist, was die Frauenbewegung durchgehend geschaffen hat. So kann das große Ganze, ihre Bedeutung, nicht in vollem Umfang begriffen werden."

Johanna Dohnal
Johanna Dohnal Bild: APA

So wissen die meisten, wer Alice Schwarzer ist. Aber nicht, dass Werner für Dohnal im Jahr 1978, als auch auf Initiative der Politikerin in Wien Österreichs erstes Frauenhaus öffnete, auf die Straße ging. Für die Aktion "Werkelfrau und Schlossermädl", die Mädchen ermutigen sollte, nicht in "typischen" Berufen wie Friseurin zu arbeiten. "Es war eine wunderbare Sache, die die Männer in der Partei gar nicht so toll fanden, sondern eher deppert", sagt die Schauspielerin.

Sie war damals die Frau mit dem "Werkel", dem Leierkasten, ihr Schlossermädl die spätere SPÖ-Bundesgeschäftsführerin und Siemens-Vorständin Brigitte Ederer. Werner über ihre Zeit als Chefin in einem von Männern bestimmten Kulturbereich: "Mit mir, der weiblichen Führung, ist ein anderes Klima entstanden." Wenn die Darstellerinnen Probleme hatten, seien sie zu ihr gekommen. "Das war das schönste Kompliment."

Einmal habe sie von einem Fall erfahren, der heute unter "MeToo" fallen würde. "Den Mann habe ich mir geholt und ihm gesagt: Diese Frau verletzen Sie mir nicht!" Ihr Wort galt. Über Dohnal sagt sie: "Sie war da, um die Dinge beim Namen zu nennen. Es war zu bewundern, wie viel Liebesentzug sie dafür ertragen hat. Das könnten nicht alle Frauen. Ich auch nicht."

Johanna Dohnal
Johanna Dohnal mit Bruno Kreisky Bild: OON

Aber nicht nur deshalb ist Dohnals Leben für Derflinger besonders. "Ich kenne keine Frau, die so arm aufgewachsen ist, so wenig Bildung hatte, sich alles mehr oder weniger selbst erarbeitet hat und so weit gekommen ist." Mit ihr sei plötzlich eine Frau in Europa in einer Regierung gesessen, die offen sagte, dass sie Feministin sei. "Und sie konnte Vorhaben konkret umsetzen, mitten in der Maschinerie der Berufspolitik, aber immer extrem an der Basis engagiert." Obwohl Derflinger dezidiert keinen Film für die Partei dreht, ist Letzteres auch ein gutes Argument für die heutige SPÖ, sich ihren Film anzusehen. Ins Kino kommt er 2019.

 

Wer Johanna Dohnal war und Wissenswertes zu ihrem Film

Wichtige Stationen in Dohnals Leben, die dazu beitrug, die Position von Frauen in Sexualstraf- wie Familienrecht zu stärken, ihnen Straffreiheit bei Abtreibung zu sichern, sie aus Klischees zu befreien und sichtbar zu machen.

1939: Johanna Dohnal, geborene Diez, wird am 14. Februar in Wien unehelich geboren. Sie wächst bei der Großmutter auf, lebt auch in Heimen, das Geld ist knapp, die Mutter hat Tuberkulose.

1953: Lehre als Industriekauffrau in einer Kunstharzpresserei, eine weitere Ausbildung ist unmöglich. Sie bleibt sieben Jahre.

1956: Dohnal tritt der SPÖ bei.

Johanna Dohnal
In jungen Jahren Bild: ORF

1957: Johanna Diez heiratet Franz Dohnal, die Ehe wird 19 Jahre später geschieden. Sohn Robert kommt 1959 zur Welt, 1961 wird Tochter Ingrid geboren.

1972: Dohnal wird Landesfrauensekretärin für Wien.

1979: SPÖ-Kanzler Bruno Kreisky macht Dohnal zur Staatssekretärin für allgemeine Frauenfragen.

1990: Angelobung als erste Frauenministerin Österreichs am 17. Dezember.

1995: Anders als es paktiert war, zieht sie sich auf Wunsch Kanzler Vranitzkys aus der Politik zurück.

2010: Dohnal verpartnert sich mit ihrer langjährigen Lebensgefährtin Annemarie Aufreiter. Am 20. Februar stirbt Dohnal mit 71 Jahren in Niederösterreich.

Der Film: In „Wir wollen die Hälfte vom Kuchen“ erzählt Sabine Derflinger die Lebensgeschichte Dohnals, Biografie trifft dabei Zeitgeschichte. Derflinger koproduziert die Arbeit. Wesentliche Quellen sind Interviews mit Wegbegleitern sowie mit Dohnals Tochter und ihrer Partnerin.

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6  Kommentare
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weinberg93 (16.301 Kommentare)
am 20.10.2018 16:47

“SEHR links “
Ist auch nur für Linksextreme und eine winzige Minderheit in der SPÖ ein positives Attribut.
Hört sich an wie realitätsfern o. ä.

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bergere (3.190 Kommentare)
am 20.10.2018 12:13

Eine echte Sozialistin halt im Gegensatz zu den linken Trãumern die heute in der Spö das Sagen haben.

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Orlando2312 (22.212 Kommentare)
am 20.10.2018 16:38

Johanna Dohnal war sogar SEHR links! Viel mehr als die allermeisten SPÖ-Politiker der letzten beiden Jahrzehnte.

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Orlando2312 (22.212 Kommentare)
am 20.10.2018 08:44

1979: SPÖ-Kanzler Bruno Kreisky macht Dohnal zur Staatssekretärin für allgemeine Frauenfragen.

Auch an diesem Beispiel sieht man den grossen Visionär Bruno Kreisky. Österreich war Europas erstes Land mit einer bekennenden Emanze in der Regierung.

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ichauchnoch (9.774 Kommentare)
am 20.10.2018 12:16

nur eine "bekennende Emanze" - das ist aber jetzt kein besonderes Qualitätssiegel.

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Orlando2312 (22.212 Kommentare)
am 20.10.2018 16:16

So etwas musste ja kommen. Sie haben Frau Dohnal offensichtlich nicht gekannt. Die war eine sehr gescheite Frau mit Durchsetzungskraft.

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