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Wovon die Jugend träumt: Sicherheit, Stabilität, Erfüllung

Von Klaus Buttinger   06.Oktober 2018

„Jugendliche sagen von sich: ,Wir sind eine schwer verunsicherte Generation.’“ Das berichtete kürzlich Jugendforscherin Beate Großegger. Ihr Kommentar: „Das hören wir nicht so gerne, weil wir uns Hoffnungsträger wünschen, die unsere Probleme lösen.“

Die Verunsicherung der Jugendlichen habe aus Sicht der wissenschaftlichen Leiterin des Instituts für Jugendkulturforschung drei Gründe: Erstens die ständig wachsenden Anforderungen in Ausbildung und Beruf, die Jugendliche unter Druck setzen. Zweitens sind Jugendliche von heute Bestandteil der digitalen Gesellschaft und damit „always on“, was digitalen Stress bedeutet. Drittens haben Jugendliche immer weniger fixe Orientierungspunkte, um ihre Lebensplanung in die Hand zu nehmen. „Die einzige Konstante ist: Alles verändert sich“, sagte Großegger

Die Expertin bescheinigte Jugendlichen beim „Komplexitätsmanagement“ mehr Kompetenz und Souveränität als den Erwachsenen: „In ihrer Welt kann vieles nebeneinanderstehen. Sie können besser damit umgehen als wir, dass unterschiedliche Lebensentwürfe, Kulturen, Weltanschauungen und Glaubenssysteme nebeneinander existieren. Und sie tolerieren dieses Nebeneinander, solange sie persönlich davon nicht negativ beeinflusst sind.“

Als Beispiel nannte Großegger das Thema Familie: „Familie ist Jugendlichen sehr wichtig – aber sie verstehen etwas anderes darunter als ältere Generationen. Ob Alleinerziehende, Patchwork-, Migrations- oder Regenbogenfamilien: Mit dieser neuen Formenvielfalt gehen Jugendliche selbstverständlicher um als die meisten Erwachsenen – und um vieles selbstverständlicher als die Würdenträger der katholischen Kirche.“

Dieser Hinweis zielt ab auf die seit Mittwoch laufende Bischofssynode in Rom. Bis 28. Oktober befasst sich dieses Beratungsgremium in der römisch-katholischen Kirche mit dem Thema Jugend und Glaube. Ein weites, differenziertes Land, wie aus dem Abschlussdokument des Vorbereitungstreffens der Bischofssynode herauszulesen ist. Denn da ist vor allem die Rede davon, dass junge Menschen von Sicherheit, Stabilität und Erfüllung träumen. Demgegenüber steht die Sorge junger Menschen um Themen wie Sexualität, Sucht, gescheiterte Ehen, zerbrochene Familien sowie größere gesellschaftliche Probleme wie organisierte Kriminalität, Menschenhandel, Gewalt, Korruption, Ausbeutung, Frauenmord, alle Formen von Verfolgung sowie Umweltzerstörung. „Wir wollen eine Welt des Friedens, die ganzheitliche Ökologie mit einer nachhaltigen globalen Wirtschaft in Einklang bringt“, fordern Jugendliche aus aller Welt in dem Papier. Dazu kommt das „gesellschaftliche Problem, dass Frauen noch immer kein gleichwertiger Platz wie Männern eingeräumt wird in der Welt. Das gilt ebenso für die Kirche.“

Keine Kleinigkeiten, mit denen sich die Bischöfe auseinandersetzen müssen, denn – wie die kirchennahe Jugend in ihrem Vorbereitungsdokument mit nahezu sinowatzscher Weisheit erkannt hat: „Überall auf der Welt ist die Beziehung zum Religiösen kompliziert.“

Nicht nur zum Religiösen, möchte man angesichts Großeggers Erkenntnissen anfügen. Heute werde etwa auch der Begriff „sozial“ von Jugendlichen anders verstanden als von der Generation davor. „Jugendliche von heute sind nicht asozial, aber nicht so altruistisch, wie wir uns das wünschen würden“, sagte die Jugendforscherin. Die gegenwärtigen Jugendlichen seien in einer Wettbewerbsgesellschaft sozialisiert. Dementsprechend sei „sozial“ für sie jemand, „der Eigenverantwortung für sein Leben übernimmt, sich dem Wettbewerb stellt und nicht der Solidargemeinschaft auf der Tasche liegt“. Diese neue Deutung von Jugendlichen, die Teil einer „wettbewerbsorientierten Hochgeschwindigkeitsgesellschaft“ seien, lade nicht zu einem Blick über den eigenen Tellerrand ein. Zumal Jugendliche auch ein „unverbindlicheres Verhältnis zu Werten“ hätten, so Großegger. Werte müssten sich für sie im Alltag bewähren. „Das sehe ich als große Herausforderung der katholischen Kirche: dass sie die Anschlussfähigkeit an junge Lebenswelten garantiert.“

Ein Bedürfnis nach Spiritualität sei vorhanden, konstatierte Großegger, „besonders bei Mädchen und jungen Frauen“. Man solle aber nicht unbedingt versuchen, über Sinnfragen ins Gespräch zu kommen, denn: „Es gibt eine gewisse existenzielle Indifferenz à la ,Mein Leben hat keinen bestimmten Sinn, aber deswegen bin ich noch lange nicht in einer Sinnkrise‘. Das stellt eine Herausforderung für die katholische Kirche dar.“ Nicht die einzige im Vorsynode-Papier, das im Frühjahr von 300 Jugendlichen und jungen Erwachsenen von fünf Kontinenten erarbeitet wurde. Zur Hierarchie etwa mahnen die jungen Menschen die Kirchenmänner: „Seid transparent, offen, ehrlich, einladend, kommunikativ, zugänglich, freudig und eine Gemeinschaft im Austausch.“ Eine glaubwürdige Kirche habe keine Angst, als verletzlich zu gelten. Sie müsse Fehler zugeben. Und explizit heißt es: „Die Kirche sollte Handlungen wie sexuellen Missbrauch und den Missbrauch von Macht und Reichtum verurteilen und ihre Null-Toleranz-Politik gegenüber sexuellem Missbrauch in ihren Einrichtungen verstärken.“

Im Digitalen ist auch wenig heil

Missbrauch ist kein kleines oder kleinzuredendes Problem, insbesondere in Zeiten digitaler Kommunikation. Denn obwohl sich Jugendliche aus der Realität heraus zunehmend auf Plattformen wie Snapchat oder Instagram flüchten, ist dort die Welt auch nicht heil. 27 Prozent aller Kinder und Jugendlichen in Österreich zwischen elf und 18 Jahren haben mindestens einmal sexuelle Belästigung im Internet erlebt, besagt eine repräsentative Befragung des Instituts für Jugendkulturforschung. Mädchen seien demnach dreimal so häufig betroffen wie Burschen. Ebenfalls alarmierend: Sexuelle Belästigung und Übergriffe, die online passieren, werden von den Jugendlichen selbst als „normal“ bewertet. Betroffene geben häufig nicht den Tätern die Schuld, sondern sehen sich selbst mitverantwortlich, wenn sie sexuell belästigt werden. Eine bessere Sensibilisierung sei vonnöten, nicht nur von Lehrern und Polizei, sagen Psychologen.

Insofern liegen die jungen Menschen nicht falsch, wenn sie von der Synode fordern, „die Würde der Frau zu stärken – innerkirchlich und auch in anderen gesellschaftlichen Zusammenhängen“, wohl wissend, dass es „manchmal schwer ist, in der Kirche die Logik des ,Das war schon immer so‘ zu überwinden“.

 

 

Wo ist das Rebellische in der heutigen Jugend, Herr Heinzlmaier?

Bernhard Heinzlmaier ist Vorsitzender des Instituts für Jugendkulturforschung, wo das Verhältnis der Post-68er-Generation zu den Millennials abgefragt wurde.

OÖN: Ist die Jugend von heute zu sehr angepasst?

Heinzlmaier: Nein. Sie glaubt nur nicht mehr an die großen Weltentwürfe, ob es die Kirche ist, Liberalismus, Globalisierung oder Sozialismus. Millennials führen ein Leben im Jetzt, bezogen auf ihre persönlichen Interessen. Sie wollen nicht mehr die Welt verändern, sondern in ihr erfolgreich sein. Das ist der große Bruch zwischen den Generationen. Diese neue Kultur wird ein wenig dadurch gestört, dass wir viele muslimische Zuwanderer haben, die ein anderes Verhältnis zur Religion haben und an diese Erzählungen glauben.

Hat sich vor lauter Pragmatik die Lust an der Kritik nicht vererbt?

Nein. Vielmehr haben sich die großen Welterzählungen selbst desavouiert. Wer glaubt denn nach dem Zusammenbruch des Ostens noch an den Sozialismus, wer glaubt denn noch an die Versprechungen der katholischen Kirche nach den Kindesmissbrauchs- und Korruptionsskandalen? Das trifft auf die Politik generell zu. Zudem sind die Millennials alle als Konsumenten erzogen worden. Die wollen in einem Geschäft ein vernünftiges Angebot haben und nicht darüber diskutieren, ob ein Produkt im Zusammenhang mit irgendeiner großen Weltidee steht.

Gibt es keine Zustände mehr gegen die es zu rebellieren gelte?

Wenn die Jungen rebellieren, dann tun sie das individuell. Im Unterschied zu den 68ern stehen sie nicht mehr in dem Kontext, in dem sich eine ganze Generation erhebt. Sie sind Einzelkämpfer und an einem gemeinschaftlichen politischen Denken eigentlich nicht interessiert. (but)

 

Jugend und Kirche – zukunftsfähig?

Ich sitze gerade in Rom und bereite mich auf die Jugendsynode vor. "Passen Jugend und Kirche überhaupt noch zusammen? Warum engagierst du dich dafür?", wurde ich im Vorfeld oft gefragt. Grundsätzlich passen für mich Jugend und Kirche sehr gut zusammen – aber es ist nicht immer ganz einfach, sich als junger Mensch in der katholischen Kirche zu engagieren. Bei der Vorsynode im März 2018 habe ich gemerkt, dass Jugendliche in unterschiedlichen Ländern differente Anliegen und Probleme haben, dass es aber auch einen gemeinsamen Nenner gibt. Was ich mir von und für die Kirche wünsche, besonders im Blick auf die Jugendsynode? Auf jeden Fall ein ehrliches Zuhören. Für mich war und ist es immer sehr ärgerlich, wenn ich mitbekomme, dass in Pfarren, Dekanaten, Gruppierungen … Jugendliche um ihre Meinung gebeten werden und diese dann nicht weiter beachtet wird. Ich sehe für die Kirche ein großes, bereicherndes Lernfeld darin, dass sie sich den jungen Menschen gegenüber öffnet und ihnen zuhört. Ich erwarte mir nicht, dass man all unsere Wünsche und Anliegen umsetzt – aber ich erwarte mir von Erwachsenen und älteren Menschen, dass sie der jüngeren Generation zuhören und ihre Anliegen wahrnehmen. Im Gegenzug setze ich dann bei den jüngeren Menschen voraus, dass wir nicht alles umstürzen, sondern genauso die Wünsche und Anliegen der Älteren wertschätzen und dann ein gutes Miteinander finden. Von der Synode erhoffe ich mir, dass sie nicht nur ein punktuelles Ereignis ist, sondern ein erster Schritt in einem langen Prozess.

Jugend und Kirche – zukunftsfähig?
Eva Wimmer studiert Theologie und war Delegierte bei der Vorsynode in Wien

Eine Forderung aus der Vorsynode beschäftigt mich noch immer. Im Abschlussdokument der Vorsynode haben wir in einem Satz vermerkt, dass wir uns eine "Jugendkommission" im Vatikan wünschen. Für mich würde das bedeuten, dass junge Menschen aus den unterschiedlichen Erdteilen im Vatikan mitarbeiten. Diese werden von den Jugendlichen in den jeweiligen Ländern für eine bestimmte Amtsperiode gewählt – damit sie nicht zu "Berufsjugendlichen" werden und den Platz über viele Jahre einnehmen. Diese Jugendkommission soll dann zu allen Themen – nicht nur zu Jugendthemen – befragt werden. Da Jugendliche ein Teil der Kirche sind, sollen sie auch überall mitreden dürfen.

Für Österreich wäre es auf alle Fälle ein spannender Prozess, junge Menschen auch in die Bischofskonferenz einzubinden. Ein möglicher erster Schritt könnte sein, dass bei Jugendthemen kirchliche Organisationen und Gemeinschaften JugendvertreterInnen einladen, die dann mit den Bischöfen ins Gespräch kommen. Ein zweiter Schritt wäre die Einrichtung einer Jugendkommission für unsere Bischofskonferenz, die zu allen Themen befragt wird. So würde der Dialog zwischen den jungen Menschen und den Bischöfen im Fluss bleiben, im Sinne eines guten Miteinanders.

Mein Fazit: Kirche und Jugend passen sehr gut zusammen. Zu bedenken dabei ist: Es geht um die EINE gemeinsame Kirche – und dafür braucht es einen gemeinsamen Weg von Jugendlichen und Erwachsenen. Wenn dieser Weg von allen gestaltet wird, dann sind Kirche und Jugend eine gute Einheit.

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29. März 2024