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Botanik mit Feinschliff

Von Roswitha Fitzinger, 06. Oktober 2018, 00:04 Uhr
Botanik mit Feinschliff
Bild: Alexander Schwarzl

Anton Thurnberger ist als freischaffender Künstler ein Spätberufener. In seinen botanischen Schleifbildern verarbeitet der gebürtige Grieskirchner die Natur mittels eines einzigartigen und von ihm entwickelten Verfahrens.

Wie ein spitzer Schiffsbug streckt sich das Wohnhaus mit seinem kühnen Design nach vorne, als wollte es über die gegenüberliegenden Wiesen und Felder hinweggleiten. Gerade einmal halb so hoch ragt der 250 Jahre alte Holzstadl daneben in die Höhe, seine schmalen Latten tragen bereits silbergrau.

Alt und neu, modern und traditionell – Gegensätze, die zu Anton Thurnbergers Leben gehören und sich auch in seinen Kunstwerken manifestieren. Hier, am Ende einer Sackgasse in der kleinen Ortschaft Tolleterau bei Grieskirchen, wohnt und arbeitet der 64-Jährige. Quasi im Schiffsrumpf hat Thurnberger seine Werkstätte, darüber sein Atelier, und der alte Stadl dient ihm als Lager.

Botanik mit Feinschliff
Schritt 1 | Die richtige Anordnung finden Bild: Alexander Schwarzl

 

Botanik mit Feinschliff
Schritt 2 | Bindemittel auftragen Bild: Alexander Schwarzl

 

Botanik mit Feinschliff
Schritt 3 | In die Mangel nehmen Bild: Alexander Schwarzl

 

Botanik mit Feinschliff
Schritt 4 | abschleifen Bild: Alexander Schwarzl

Jetzt im Herbst ist auch für den Grieskirchner Erntezeit. Es ist die Jahreszeit, in der er sein Materiallager auffüllt – mit allerlei Botanischem. "Getreide, Disteln, Gräser – bei jeder Wanderung kommt etwas mit. Es gibt fast keinen Spaziergang ohne Beute", sagt er und öffnet die Stadltür, in der die getrockneten Schätze geordnet in Kübeln stehen. Thurnberger greift aber auch zu ungewöhnlichem Material, verarbeitet riesige Krautblätter ebenso wie die nicht minder kleineren Bletschn von Pestwurzen. Am liebsten sind ihm dann die Blätter, die von Raupen oder Schnecken zerfressen wurden. Wenn es einen Baum entwurzelt, rückt der Grieskirchner schon einmal aus, sichert sich die feinen Wurzeln. Gerade sägt er eine getrocknete Mohnkapsel in Scheiben, jede Schicht nur wenige Millimeter dick. Gemeinsam mit Gräsern und anderen Pflanzen werden sie auf einer Sperrholzplatte arrangiert, als Untergrund dient grünes Papier. "Das kann aber auch ein Foto sein", sagt der 64-Jährige und greift zu einem Glas mit gelblichem Inhalt. Es enthält ein Bindemittel – sein Bindemittel. Fast ein Jahr hat er daran getüftelt, bis es die Eigenschaften aufwies, die er haben wollte. Transparent sollte es sein, auch lichtecht. Woraus es besteht, bleibt des Tüftlers Geheimnis, nur so viel ist ihm zu entlocken: "Es ist ein reines Naturprodukt."

Zur Natur hatte Thurnberger schon immer einen Bezug. Er sei ein Kind mit irrsinnigem Freiheitsdrang gewesen. Ein Freigeist ist er heute noch, einer, der keine Fenster mag, nur Türen, und einer, der die ganze Welt bereist hat, im Dschungel ebenso war wie in der Wüste oder Rumänien mit dem Rad erkundet hat.

Die Gedanken reisen zurück ins Hier und Jetzt, in seine Werkstatt, wo das Bindemittel aufgetragen und die erste Phase abgeschlossen ist. Es ist Zeit, das Kunstwerk in die Mangel zu nehmen. Das botanische Arrangement kommt in eine Presse, die er eigens anfertigen ließ. "Mit einem Druck von bis zu 60 Tonnen wird das Bild gepresst. Bei wässrigen Pflanzen, die noch nicht restlos trocken sind, kann ich die Maschine bis zu 100 Grad erhitzen und so gleichzeitig pressen und trocknen." Ein Vorgang, der je nach Feuchtigkeit nach vier bis fünf Stunden oder auch erst nach einem Tag abgeschlossen ist.

Bis zu 40 Schichten

Die nächste Maschine, nach der der 64-Jährige greift, ist nicht minder von Bedeutung. Mit einem Winkelschleifer wird dem Bild ein erster Schliff verpasst, bevor die nächste Schicht aufgetragen wird. "Das können erneut Pflanzen sein oder aber Papier oder Textilien", sagt er. Auch Erde, Kohle, Asche, verriebene Steine, von diversen Reisen mitgebrachte Naturfarben, Gebetsfahnen aus Tibet oder Gewürze hat er bereits eingearbeitet – Schicht für Schicht. Dazwischen wird gepresst und dann immer wieder geschliffen, geschliffen, geschliffen. "Ein Bild kann aus bis zu 40 Schichten bestehen. Die Kunst ist zu wissen, wann man aufhört", erklärt er. Die Zahl der Schichten und die Größe des Bildes bestimmen auch seinen Preis, der zwischen 160 und 3500 Euro liegen kann.

Botanik mit Feinschliff
Ausschließlich Naturfarben Bild: Alexander Schwarzl

"Manchmal weiß ich schon beim Sammeln, wie das Bild aussehen soll, dann wieder arbeite ich frei von der Leber weg", sagt er. Verschwindet er jedoch in seiner Werkstatt, dann geht meist auch das Zeitgefühl verloren.

Wie die Natur sind Thurnbergers Bilder einzigartig. Nicht nur, dass keines dem anderen gleicht – es gibt niemanden, der Bilder macht wie er. Der 64-Jährige ist ein Spätberufener. Seine Liebe zur Natur hat er zunächst als Tischler beruflich ausgelebt und mit 21 Jahren seinen Meisterbrief in Händen gehalten. Als Geschäftsführer eines Großbetriebes verdiente Thurnberger sein Geld, bevor er mit 33 Jahren sein eigener Chef sein wollte und die nächsten zwei Jahrzehnte gemeinsam mit seiner Frau ein Planungsbüro für Innenarchitektur betrieb. "Ich hatte immer das Ziel, mit 55 Jahren noch einmal etwas ganz anderes zu machen, und zwar etwas, das noch keiner macht", erzählt er. Als seine Tochter zu Schulzwecken eine Sammlung von 200 Wildpflanzen anlegen musste, stand ihr der Vater bei der Suche helfend zur Seite und war fasziniert. "Für mich war das so spannend, dass ich mir damals vorgenommen habe, wenn ich einmal Zeit habe, werde ich die gepressten Pflanzen künstlerisch verarbeiten." Anton Thurnberger hat es wahr gemacht.«

 

Ausgestellt: Zu sehen sind Anton Thurnbergers Schleifbilder demnächst bei den Tagen des offenen Ateliers im Schwechaterhof in Steyr vom 19. Oktober bis 21. Oktober sowie im Gemeinschaftsatelier im Pferdestall in Linz am 20. und 21. Oktober www.botanische-schleifbilder.at

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