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Salzkammergut rundumadum

Von Gabriel Egger, 23. Juni 2018, 00:04 Uhr
Salzkammergut rundumadum
Das latschenbewachsene Plateau des Höllengebirges ist bekannt für wechselnde Wetterbedingungen. Die Rieder Hütte und das Hochleckenhaus laden ein, kurze Regengüsse bei regionalen Köstlichkeiten abzuwarten. Bild: Böttcher

Die Grenzen sind verschwommen, die wilde Schönheit ist geblieben. Gabriel Egger hat sie immer wieder neu entdeckt. Am Ufer des Altausseer Sees oder am Gipfel des Schafbergs. Sieben Tage lang.

Alles war zu erwarten. Unlust, Enttäuschung, besonders Müdigkeit und sehr wahrscheinlich auch Schmerzen. Nur das nicht.

288 Kilometer liegen hinter uns, als wir an den großgewachsenen Buchen an der Gmundner Schiffslände vorbeilaufen. Ein Kilometer fehlt noch, bis sich der Kreis schließt, den wir vor sieben Tagen geöffnet haben. Einmal rundumadum.

Um das Salzkammergut, mit all den neuen und alten Grenzen, vorbei an dunkelgrünen Seen, hinauf auf kleine und große Gipfel und hinunter in enge Täler. Mit 16.000 Höhenmetern haben wir unsere Beine gequält. Und jetzt, kurz vor dem Ende, ist plötzlich dieses Gefühl da, das wir zu diesem Zeitpunkt niemals erwartet hätten: Wehmut. Könnten wir doch wieder ganz am Anfang stehen.

Der erste Tag: Von Gmunden bis Steinbach am Attersee

Samstag, 2. Juni, 5.22 Uhr. Die Gmundner OKA-Siedlung schläft noch. Hier beginnt unsere Reise. Der Asphalt ist nass und riecht nach warmem Sommerregen. Wie wir nach sieben Tagen riechen werden, wollen wir uns nicht vorstellen, als wir langsam Richtung Rathausplatz traben. Zu Fuß rund um das Salzkammergut. Das ist unser Plan.

Mit Christoph, einem echten Goiserer, die Grenzen des Salzkammergutes zu diskutieren, habe ich bereits vor unserer Rundreise aufgegeben. Bis Ebensee sei ohnehin alles "Wienerwald". Aber um Grenzen soll es uns nicht gehen, auch nicht um die des eigenen Körpers. Die Halme der nassen Wiesen kitzeln die Beine, als wir vom Gmundnerberg Richtung Grasberg laufen. Wir sind altmodisch: kein GPS, nur Kartenmaterial. Wir orientieren uns am neuen Salzkammergut-Weitwanderweg.

Salzkammergut rundumadum
Die saftigen Wiesen zwischen Grünau und Gmunden kündigen das Ende des Weges an. Nur der Traunstein stellt sich noch in den Weg. Bild: Egger

Vom Grasberg schlagen wir uns über die Hochsteinalm Richtung Talstation der Feuerkogel-Seilbahn durch. Wir summen, singen, ja springen sogar. Dann sagt niemand mehr ein Wort. Mehr als eine Stunde lang. Die Anstrengung hat sich beim Anstieg zum Feuerkogel von den Beinen in die Stimmbänder hinaufgearbeitet. Zum Glück tragen wir nicht schwer. Nur einen kleinen Rucksack, dessen Inhalt sich je nach Tagesverfassung verändert. Auch Wechselbekleidung bekommen wir täglich frisch geliefert. Wir haben wirklich gute Freunde. Wie lange wir für den Weiterweg zum Hochleckenhaus brauchen, interessiert uns wenig. Nur dunkel sollte es nicht werden. Der Langbathsee tief unter uns wirkt, eingeschlossen zwischen Felswänden, wie ein echter Gebirgssee.

Nur ein Topfen-Heidelbeer-Strudel im Gastgarten des Hochleckenhauses überzeugt die Beine, uns doch noch die letzten Kilometer nach Steinbach am Attersee zu tragen. Ausziehen, duschen, umziehen, essen. Für den deutschen Urlauber am Nebentisch bin ich ein Monster. Ein Vorspeisenteller und eine große Pizza in zehn Minuten. Dann öffnet der Himmel seine Schleusen. Das Wasser fegt über den Ortsplatz in Steinbach. Während Österreichs Nationalteam Deutschland 2:1 besiegt und das Land ein neues Cordoba feiert, stellen wir unseren Wecker. 6 Stunden 11 Minuten. Die Beine träumen von neuer Belastung. Der Albtraum ist eine Vision.

Der zweite Tag: Von Steinbach am Attersee nach Hintersee

Sonntag, 3. Juni, 4.52 Uhr. Der Tag beginnt nicht gut, wenn man an ihm zweifelt. Aber warum musste man den Schafberg auch so weit wegstellen? Die Sonne drängt den Mond gerade in den Hintergrund, als wir am Ufer des Attersees Richtung Eisenaualm marschieren. Christoph wird zum Kuhflüsterer, als uns die braun-weiß gescheckten Rindviecher auf der monotonen Forststraße den Weg verstellen. Wir streben den Himmel an. Zumindest durch seine Pforte müssen wir, wenn wir den Gipfel des Schafbergs erreichen wollen.

Salzkammergut rundumadum
In diesem Sommer war in den Bergen wieder einiges los Bild: Egger

Die alte Dampflok hat ihren Betrieb noch nicht aufgenommen, wir sind beinahe alleine. Wie schön ist dieser Berg! So viele Seen, so viel Heimatgefühl. Es wird bald abgelöst von Anstrengung. In Sankt Gilgen geraten wir in einen bayerischen Frühschoppen. Die Weißwurst macht sich gut als zweites Frühstück, nur auf die Maß verzichten wir. Heiß ist es geworden. Und irgendwie bekommen wir das Gefühl, dass man uns quälen will. Der Almkogel eröffnet uns einen Blick auf den smaragdgrünen Mondsee, in dem wir uns erneut nicht abkühlen können. Wir trotten auf dem Kies der Forststraße Richtung Fuschl am See. Sechs Kilometer lang. Auf unserem Weg nach Hintersee stellt sich uns nur noch der Filbling in den Weg. "Wo parkt ihr?", werden wir auf seinem Gipfel gefragt. Das Gespräch, das sich nach der Antwort ergibt, muntert auf. Das braucht es auch. Von Faistenau bis Hintersee sind es noch zehn Kilometer auf dem heißen Asphalt. Es ist 18.30 Uhr, als wir das Hotel erreichen. Es gibt eine Sauna. Aber unser Wellnessprogramm ist der Schlaf.

Der dritte Tag: Von Hintersee zur Goiserer Hütte

Montag, 4. Juni, 17 Uhr. Die Kehlen sind so trocken, dass wir nicht mehr miteinander sprechen wollen. Das Wasser ist aus, die Kraft der Sonne noch lange nicht. Dabei waren wir frohen Mutes, als wir zeitig von Hintersee aufgebrochen sind. Wir haben vom Hohen Zinken geblickt, auf der Postalm gerastet und auf dem Bärenpfad keine wilden Tiere angetroffen. Jetzt, auf dem Weg zur Goiserer Hütte, ist uns die Fröhlichkeit abhanden gekommen. Gerade im steilsten Teil, wo die dicken Stoffseile zusätzlichen Halt geben und die Latschen auch gerne mal zurückschlagen, wenn man sie zu sehr in die Mangel nimmt. Der wilde Weg über das Platteneck verläuft an der Goiserer Gemeindegrenze und jetzt leider auch an unserer eigenen.

Wir sitzen auf dem Gipfel des Wilden Jägers und riechen die Kaspressknödel, die Wirt Max Verwagner in der Küche der Goiserer Hütte zubereitet. Zumindest glauben wir das. Noch zwei Stunden trennen uns von ihnen. Dort! Bei der Hütte an der Forststraße gibt es einen Brunnen. Wir laufen, das Wasser nicht. Zwei Liter Apfelsaft trinken wir, als wir die Hütte erreichen und der Hohe Zinken am Horizont nur mehr schemenhaft zu erkennen ist. Die Hüttengaudi fällt heute aus.

Der vierte Tag: Von der Goiserer Hütte nach Obertraun

Dienstag, 5. Juni, 8.30 Uhr. König Dachstein spielt sich mit den Wolken. Internationales Flair weht über den Gosausee. Japaner knipsen, Amerikaner schwitzen, und Tschechen brechen zur Adamekhütte auf. Wir auch. Der Wanderweg tut den Beinen gut, nachdem sie zuerst acht Kilometer Asphalt spüren mussten, um ihn zu erreichen. Kurz vor der Adamekhütte werden wir zu Querulanten.

Salzkammergut rundumadum
Auf dem Weg zur Adamekhütte konnten die beiden Deutschen wegen der schlechten Sicht nicht mehr weiter. (Symbolbild) Bild: Egger

Wir queren riesige Felsplatten und ausgedehnte Schneefelder, kühlen uns darin ab, weichen Dolinen aus, queren zum Hohen Trog und steigen schließlich zur Simonyhütte ab. Rhabarberkuchen. Nie habe ich etwas Besseres gegessen. Aus der Ferne grollt es, der Dachstein hat ausgespielt, die Wolken haben ihn in Beschlag genommen. Christophs Knie zwickt, als wir uns die Skipiste Richtung Obertraun hinuntermühen. Wäre es nicht so schön, hätten wir längst aufgegeben.

Der fünfte Tag: Von Obertraun zum Albert-Appel-Haus

Mittwoch, 6. Juni, 19:30 Uhr. Seit mehr als fünf Stunden schüttet es wie aus Kübeln. Die Wege im Toten Gebirge haben sich in Bäche verwandelt. Aus der wohlig warmen Gaststube des Albert-Appel-Hauses können wir das gut beobachten. Drei Stunden lang haben wir am Ufer des Altausseer Sees gerastet. Der Anblick des Losers war zu schön, um weiterzugehen. Und wir waren zu müde. Wir genießen die Stille, die Ursprünglichkeit der Landschaft und die Gespräche mit den Wirtsleuten. 30 Kilometer haben wir von Obertraun über Bad Aussee bis hierher zurückgelegt. Trotzdem fühlt es sich wie ein Rasttag an. Um 21 Uhr liegen wir in unseren Betten.

Salzkammergut rundumadum
Die rot-weiß-rote Fahne kündigt das Tal an. Beim Abstieg vom Krippenstein werden die Gelenke auf der Skipiste ordentlich gefordert. Bild: Egger

Der sechste Tag: Vom Albert- Appel-Haus zum Kasberg

Donnerstag, 7. Juni, 5:30 Uhr. Der Sonnenaufgang bringt die Wärme und uns die Motivation zurück. Warum dieses Gebirge tot sein soll, verstehen wir beim Anblick der Vegetation nicht. Über die Grieskarscharte steigen wir zum Almsee ab. Kleine Fische tummeln sich in Ufernähe, wir beobachten sie eine Zeitlang, bevor wir über eine Forststraße und einen Jagdsteig zur Steyrerhütte aufbrechen. So ein Käse! Der Kasberg hat sich eingehüllt, als wir schließlich auf seinem Gipfel stehen. Der Blick ins Tote Gebirge bleibt uns verwehrt. Nicht aber die Köstlichkeiten im Hochberghaus, in dem wir unser Nachtlager aufschlagen. Das letzte.

Der siebente Tag: Vom Kasberg zurück nach Gmunden

Freitag, 8. Juni, 15 Uhr. Jetzt sitzen wir also da. Mit einem großen Eisbecher auf dem Tisch und 288 Kilometern in den Beinen. Wir haben den Zwillingskogel in Grünau im Almtal überschritten, den neuen Baumwipfelpfad am Grünberg gemustert und uns umarmt, als wir am Gmundner Rathausplatz eintrafen. Und dieses Gefühl von Wehmut will nicht weichen. Weil wir sieben Tage unsere Heimat neu entdeckt haben, ihre Traditionen gespürt und ihre Menschen kennengelernt haben. Weil Grenzen völlig egal sind, wenn man die wilde Schönheit dieser Region sieht.

 

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1  Kommentar
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blada (627 Kommentare)
am 23.06.2018 19:53

Coole Runde!
Stark wie viel km und hm pro Tag zurückgelegt wurden, Respekt 👌🏽

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