Lade Inhalte...
  • NEWSLETTER
  • ABO / EPAPER
  • Lade Login-Box ...
    Anmeldung
    Bitte E-Mail-Adresse eingeben
    Bitte geben Sie Ihre E-Mail-Adresse oder Ihren nachrichten.at Benutzernamen ein.

gemerkt
merken
teilen

Sie leben sagenhaft

Von Bernhard Lichtenberger (Text) und Alexander Schwarzl (Fotos), 02. Juni 2018, 00:04 Uhr
Bild 1 von 15
Bildergalerie Sagenhaft! Zu Besuch bei Helmut und Ursula Wittmann
Bild: Schwarzl

Ein altes Häuserl unter Linden, daneben ein rauschender Bach – Märchenerzähler Helmut Wittmann und seine Frau Ursula, die kochende Wittmannin, haben ihren Traumplatz in Grünau im Almtal gefunden. Bernhard Lichtenberger und Alexander Schwarzl (Fotos) haben sie besucht – und dabei den Kopf eingezogen.

Vor langer, langer Zeit, war’s gestern oder war’s heut – so beginnen Geschichten, wenn sie aus Helmut Wittmanns Mund kommen. Auf denselben ist der seit 27 Jahren hauptberufliche Märchenerzähler nicht gefallen, und so sprudelt es aus ihm nur so heraus. Es genügt, ihm ein Stichwort als Hölzl hinzuwerfen. Umgehend apportiert der 59-Jährige druckreif formuliert eine Legende aus seinem reichhaltigen Fundus.

Besonnen hält sich seine Frau Ursula zurück. Die 53-Jährige, von ihrem Gespons gelegentlich liebevoll Wittmannin geheißen, lässt gerne den Kochlöffel sprechen. Mit ihren fabelhaft mundenden Gerichten, von denen der bekochte Gemahl im weltweiten Netz schwärmte, fütterte sie eine Fangemeinde an. Via Facebook wurde deren Appetit auf die Rezepte gestillt – bis aus der sich wiederholenden Mühsal eine Idee entstand. Wieso die Wittmann’sche Kulinarik nicht gleich zwischen zwei Buchdeckel packen, mit heimischen Festen und Bräuchen garnieren und mit zauber- und sagenhaften Legenden des Geschichten-Jägers- und -Hegers abschmecken?

Der Garten gibt viel her, das sich in der kleinen Küche verarbeiten lässt ...   Bild: (Alexander Schwarzl)

Folglich rührte die 53-Jährige für das diesen Monat erscheinende Buch "Das Geschenk der zwölf Monate" in der räumlich bescheidenen Küche des Geschichte atmenden Häuschens im Fischereck ordentlich um. Bei der Auswahl der Gerichte hat sich Ursula Wittmann ganz auf ihr Bauchgefühl verlassen. "Es musste halt stimmig zu den Geschichten und zur Jahreszeit passen, wobei das Regionale im Vordergrund stand", sagt sie und zaubert aus Kräutern, die sie eben im Garten gezupft hat, eine köstliche Erfrischung, die sie schlicht "das grüne Getränk" nennt. "Ich bin schon bei den Großeltern immer in der Kuchl gestanden, und wenn Mama und Papa im Frühsommer Marmeladen und Saft einkochten, habe ich die Ribisel abgerebelt, während der Cousin sie im Mund verschwinden ließ."

Unter ihrem kleinen Kochkunst-Revier verbirgt sich ein genießbarer Schatz. Ursula Wittmann zieht eine Klappe im Küchenboden hoch. Ein steiles Treppchen führt hinunter zu den prall gefüllten Regalen. In Gläsern und Flaschen reihen sich Marmeladen an Kräuter- und Fruchtsäfte, saures Gemüse an Kompotte und Pestos sowie an Eierschwammerl, die in Salzlake oder Essig eingelegt wurden.

So werden Kräuter zum erfrischenden "grünen Getränk" (Rezept am Ende des Artikels)   Bild: (Alexander Schwarzl)

Seit 21 Jahren wohnen die Wittmanns hier. "Das Haus hat uns gefunden", ist Ursula überzeugt. Auch wenn das mit den Türstöcken so eine Sache ist. Den zur Küche hat selbst Helmut einmal handfest gescholten, nachdem er seiner Mannsgröße von 168 Zentimetern schmerzhaft im Wege stand. "Früher sollte wohl eine Demutshaltung eingenommen werden, wenn jemand ins Haus kam", sagt Helmut über die "erniedrigende" Architektur und lacht schallend. In der Ecke der Stube, dort, wo andernorts Kruzifixe ein Platzerl haben, entdeckt der Gast einen modellierten Gnom. "Das ist unser Herrzwergswinkel", so der verschmitzte Märchenerzähler.

Von der Sonnenbank an der Straßenfront schweift der Blick über Blumenwiesen hinauf zur Falkenmauer, auch Almtaler Matterhorn genannt. Vom ausgebleichten Geweih über der hölzernen Haustür baumelt ein Bündel Johanniskraut. Ein alter Spruch lautet: "Johanniskraut, ich segne dich, heilst das Jucken und den Stich, und die Macht der Hexe brich."

Eine Kuriosität in der Stube des Fischereck-Hauses: der Herrzwergswinkel. Bild: (Alexander Schwarzl)

Reinigendes Feuerspringen

Die Wittmanns pflücken die antidämonische Heilpflanze jedes Jahr zur Sommersonnenwende. Das gehört für sie genauso zum 21. Juni wie das Sonnwendfeuer und der schneidige Sprung über selbes. "Das wirkt reinigend", schreibt Helmut im neuen Werk, das sich als praktisches Handbuch fürs gute Leben versteht. "Wer gleich neunmal übers Sonnwendfeuer springt, lässt nicht nur die eigene Lebenslust auflodern, sondern tut auch etwas gegen Fuß- und Kreuzschmerzen."

An Lebenslust mangelt es den naturverbundenen Eltern von fünf Kindern im Alter von 13 bis 30 Jahren ohnedies nicht. Die weckt zudem das gemeinsame Verweilen im Garten unter dem ausladenden Blätterdach der alten Baumbestände. "Unter den Linden zu sitzen, wenn es summt, brummt und duftet, ist ein Hochgenuss", sagt Ursula Wittmann. Den Angetrauten berauscht das vorbeifließende Wasser des Grünaubaches, der die Alm speist. Jeden Morgen zieht es ihn hinunter zum hölzernen Steg, wo einst die Frauen die Wäsche schwemmten. Flugs hinein, untergetaucht, und wieder hinaus. Sommers wie winters, natürlich im Adamskostüm. Denn: "Da in der Badehose reinzuhüpfen, da käm’ ich mir schon komisch vor", sagt Helmut Wittmann, der mit seinen Geschichten seit 27 Jahren professionell durch die Lande zieht, auch international, von Indien bis Iran.

Der am Fischereck-Häusl vorbeifließende Grünaubach dient Helmut Wittmann täglich nach dem Aufstehen als naturgegebene Badewanne – auch im Winter.   Bild: (Alexander Schwarzl)

Ursula, die im Märchen-Unternehmen angestellt und konstruktive Kritikerin ist, hat sich an drei Fragen zum Beruf ihres Mannes gewöhnt: Erzählt er dir auch Märchen? Kann man davon leben? Haben die Kinder auch etwas vom Vater?

Eine Frage wirft auch das Buch, das Tochter Heidemarie gestaltet hat, im Vorwort auf: Was macht ein glückliches Leben aus? "Dass man zu dem steht, was man tut, es aus vollem Herzen macht, und wenn es passt, mit einem Lied auf den Lippen oder einer Melodie im Kopf", sagt die Wittmannin. "Das Glück, das zu machen, was einen wirklich begeistert", sagt der Wittmann. "Und die Herzenswärme meiner lieben Frau." Und das ist kein Märchen. «

"Ein Glückliches Leben bedeutet für mich dieHerzenswärme meiner lieben Frau." - Der Wittmann     Bild: (Alexander Schwarzl)

Märchen, Rezepte, Bräuche

Köstliches aus der alpenländischen Küche der Saison, Zaubermärchen, Sagen und Legenden und das alltägliche Brauchtum im Jahreskreis vereint der Wittmann-Band "Das Geschenk der zwölf Monate"
(Tyrolia Verlag, 256 Seiten, 29,70 Euro).

Präsentation am 22. Juni, 18 Uhr, Gasthof Silmbroth in Viechtwang im Almtal.

 

Rezepte aus dem Almtal

Das grüne Getränk >>> Zum Rezept

Augsburger mit Petersilienkartoffeln und Mangold-Kohlgemüse >>> Zum Rezept

Hollerstrauben >>> Zum Rezept 

Bulgur mit Gemüse und Putenstreifen >>> Zum Rezept 

Marillenknödel >>> Zum Rezept

 

mehr aus Spezial

Online-Abschlussveranstaltung des OÖN-Börsespiels 2021

Fit im Internet: Das Weiterbildungs-Event für alle, die sich für digitale Technologien interessieren.

Die Rückkehr der Wildtiere

Ausgebucht! „Der Krieg in der Ukraine: Eine Spätfolge des Zerfalls der UdSSR und ein geopolitischer Konflikt.“

Lädt

info Mit dem Klick auf das Icon fügen Sie das Schlagwort zu Ihren Themen hinzu.

info Mit dem Klick auf das Icon öffnen Sie Ihre "meine Themen" Seite. Sie haben von 15 Schlagworten gespeichert und müssten Schlagworte entfernen.

info Mit dem Klick auf das Icon entfernen Sie das Schlagwort aus Ihren Themen.

Fügen Sie das Thema zu Ihren Themen hinzu.

1  Kommentar
1  Kommentar
Die Kommentarfunktion steht von 22 bis 6 Uhr nicht zur Verfügung.
Neueste zuerst Älteste zuerst Beste Bewertung
weinberg93 (16.324 Kommentare)
am 02.06.2018 10:39

Helmut Wittmann - der angenehme und sympathische Gegenpol zu einem arroganten Folke Tegetthoff

lädt ...
melden
Aktuelle Meldungen