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Von Ausreißertagen zum Event

10. Februar 2018, 00:04 Uhr
Schelmenrat Wels
Bild: (WKPhoto Johann Wimmer)

Von den einen mit Inbrunst gefeiert, von den anderen immer häufiger verweigert, welchen Stellenwert hat die närrische Zeit hierzulande noch? Haben wir die Freude am Fasching verloren – und warum? Diese Fragen hat Roswitha Fitzinger mit Alltagskultur-Expertin Thekla Weissengruber erörtert.

Wie Weihnachten und Ostern war auch der Fasching ursprünglich ein christliches Fest. Vor dem Beginn der entbehrungsreichen Fastenzeit wurde den Gläubigen noch einmal erlaubt, ausgelassen zu feiern. "Fasching. Fasnacht. Bereits in den Wörtern spiegelt sich die Fastenzeit wider", sagt Thekla Weissengruber, Leiterin der Abteilung Volkskunde und Alltagskultur des OÖ Landesmuseums. Diese "Ausreißertage" seien wichtig gewesen, weil sie die Möglichkeit des Meinungsagens, des Aufzeigens von Missständen und Absonderlichkeiten boten, weshalb man sich auch verkleidete, sein Gesicht hinter einer Maske verbarg und mit verstellter Stimme austadelte.

Kommende Woche ist es wieder soweit. Die närrische Zeit steuert ihrem Höhepunkt zu. Jedoch nur bei einem Teil der Menschen im Land. Während in den ländlichen Faschingshochburgen wie Ebensee, Sierning, Raab die fünfte Jahreszeit anbricht, ist im urbanen Raum vielerorts einfach Winter. Umzüge sind verschwunden, ebenso die verkleideten Narren in den Geschäften. Die mit Krapfen gefüllte und ins Büro getragene Pappschachtel scheint das höchste der Faschingsgefühle.

"Auf alle Fälle" gibt es ein Land-Stadt-Gefälle, bestätigt Weissengruber. Mit dem zunehmenden Verschwinden etwa von Trachtenvereinen in der Stadt, gebe es auch die Ansprechpartner für derartige Veranstaltungen nicht mehr. Doch genau die braucht es. Was Brauchtum generell am Leben erhalte, so die Expertin, sei die feste Vereinsstruktur. Sie gewährleistet, dass die Traditionen bleiben und nicht verändert werden. Die Fetzen in Ebensee, die Ruden beim Sierninger Kirtag sind Paradebeispiele an Tradition. Doch abgesehen von diesen traditionellen Faschingsregionen, schwächelt auch am Land die Faschingslust erheblich. Die von Gschnas zu Gschnas ziehenden Maschkera-Gruppen gehören vielerorts ebenso der Vergangenheit an wie Konfetti und Girlanden. "Wer dekoriert heute noch im Fasching?", fragt Weissengruber. Wird zu Weihnachten und Ostern noch selbstverständlich das Zuhause geschmückt, bleiben im Fasching die eigenen vier Wänden mittlerweile ohne bunten Dekor.

 

Von Ausreißertagen zum Event
Bild: VOLKER WEIHBOLD

"Fasching ist der Kitt der Gesellschaft. Er hält die Leute zusammen, weil sie sich in eine Tradition eingebunden fühlen.“ Thekla Weissengruber, Leiterin der Abteilung Volkskunde und Alltagskultur des OÖ. Landesmuseums

Die Rolle des Zuschauers

"Es gibt viele Faschingsmüde und Faschingsverweigerer", sagt Weissengruber. Viele wollen nicht auf Knopfdruck lustig sein, andere führen die langen Arbeitstage an. "Doch auch früher hat man zwölf Stunden gearbeitet, war kein Geld für teure Kostüme da, und man hat den Fasching dennoch zelebriert", hält die Abteilungsleiterin dagegen. Fasching passe sich dem Zeitgeist an. Und der heißt Rückzug in die Privatheit. Weiters würden wir mittlerweile lieber die Rolle des Zuschauers einnehmen. "Wir verfolgen den Fasching in Rio im Fernsehen oder fahren nach Ebensee zum Fetzenumzug oder zum Karneval nach Venedig und sagen dann: Ich war dabei." Die Gefahr, dass der Fasching gänzlich verschwindet, sieht Weissengruber jedoch nicht. "Das wird nie passieren", ist sie sicher. Manche zu aufwendige Veranstaltungen würden vielleicht verschwinden, vielmehr jedoch passe sich der Fasching der Zeit an. Was es braucht, ist eine Leitfigur, jemand, der für den Fasching brennt, ihn im Herzen trägt, wie sie es ausdrückt: "Ohne diese Motivatoren geht nichts." Mit 30 Faschingsgilden sei Oberösterreich aber ganz gut aufgestellt. Diese gehen übrigens auf die Rheinische Faschingstradition zurück, die mit ihren typischen Karnevalsumzügen erst in den 1950er-Jahren hierzulande Einzug hielt.

Große Balltradition

Auch wenn der Fasching in Österreich Tradition hat, international gesehen, sind wir ein vergleichbar ruhiges Narrenland. Die Ursache dafür liegt laut der Expertin auch in der großen Balltradition. Ein Erbe Maria Theresias. "Sie hat während ihrer Regentschaft das Verkleiden auf offener Straße verboten, aus Angst vor möglichen Attentätern. Was sie stattdessen erlaubt hat, waren Maskenbälle in den Redoutensälen."

Zurück in die Gegenwart bzw. die Zukunft des Karnevals. "Ich glaube, der Eventcharakter des Faschings wird sich weiter verstärken", sagt Weissengruber: Je besser organisiert und aufbereitet, desto eher würden die Leute das Faschingstreiben verfolgen. Auch die Vermarktung derartiger Veranstaltungen werde zunehmen.

Viele seien ohnehin bereits auf diesen Zug aufgesprungen.

Die den Fasching wiederbeleben

 

„Walla walla“: In Wels versucht eine Gruppe engagierter Faschingsnärrinnen und -narren an vergangene Hoch-Zeiten anzuschließen. Schelmenkanzler Peter Kowatsch im Gespräch mit Klaus Buttinger:

OÖN: Den Fasching in Wels nach Jahren des Nichts wiederzubeleben – wessen Bedürfnis war das?

Peter Kowatsch: Im Herbst vorigen Jahres hat sich eine Gruppe von Leuten gefunden, die sich wirklich für den Fasching interessieren. Wir haben uns gesagt: Eigentlich sollten wir in Wels wieder etwas machen. Es gab dann einen öffentlichen Aufruf an alle, die sich einbringen wollen, um den Fasching in Wels wiederzubeleben. Wir haben uns getroffen – mittlerweile sind wir 14 Personen – und haben den Schelmenrat zu Wels gegründet.

Die Blüte des Welser Faschings, mit seiner Gilde und den Umzügen, war in den 1970er- und 80er Jahren, dann ist es sukzessive bergab gegangen. Wieso?

Man darf den organisierten Fasching über Gilden oder Faschingsvereine nicht mit dem Faschingsgedanken an sich verwechseln, der natürlich nach wie vor lebt. Der Fasching ist ein Grundbedürfnis von nahezu allen Menschen; es ist die Lust, sich für ein paar Tage im Jahr zu verkleiden, andere Personen darzustellen und den gesellschaftlichen Status zu nivellieren.

Woran krankte der (nicht)organisierte Fasching in den vergangenen Jahrzehnten?

Das kann ich schwer sagen, ich war in meiner Jugend nicht dabei. Ein Punkt war sicher das tragische Unglück in Kaprun (155 Tote beim Brand der Gletscherbahn, Anm.), das am 11. 11. 2000 – genau zum Termin des Faschingsweckens – passiert ist und bei dem einige Welser umgekommen sind, die etwas mit der Faschingsorganisation zu tun hatten. Das war definitiv das endgültige Aus, da war – man muss es so sagen – klarerweise Schluss mit lustig.

Fasching aber gehört organisiert, oder?

Ja, es braucht eine Gruppe von Menschen, die ganz aktiv den Fasching repräsentieren und bei denen die Fäden zusammenlaufen. Wir haben ja in Wels mehrere Säulen, wie den Stadtball, das Wilderer-Gschnas, diverse Pfarrbälle, aber es fehlte noch eine Gruppe von Faschingsnarren, die das zusammenfassen.

Aber hat nicht doch das Bedürfnis nach Fasching in den vergangenen Jahrzehnten generell nachgelassen? Wer verkleidet sich denn noch im Alltag am Faschingsdienstag?

Freilich, die Gesellschaft und der Mensch haben sich geändert. Doch die Bedürfnisse sind gleich geblieben. Den Faschingsgedanken, das Sich-verkleiden-Wollen kann der Mensch heute das ganze Jahr über ausleben. Ich verweise nur auf Halloween. Das ist nichts anderes als Fasching im Oktober. Oder Büttenreden: Das hat man das ganze Jahr in Form von politischem Kabarett oder Comedy. Und schließlich ermöglichen soziale Medien, dass man sich jederzeit auslebt und Dampf ablässt.

Im Gegensatz zu Wels haben Orte wie Ebensee eine lange Faschingstradition und mit den Fetzen ein starkes Narrativ. Ist das deren Geheimnis für den andauernden Erfolg?

Das ist sicher richtig. Manche Regionen pflegen das Faschingsbrauchtum seit Generationen, und da gehören einige Orte im Salzkammergut mit ihren ganz typischen Aktivitäten dazu. In Wels hat man das nicht gehabt, hier wurde vor 150 Jahren das erste Mal eine Jux- und Faschingsgesellschaft gegründet, um auch im urbanen Raum eine Tradition zu begründen. Doch die Umsetzung solcher Dinge wird immer schwieriger. Wer übernimmt denn die Verantwortung dafür? Die polizeilichen Auflagen werden immer härter. Damit tut man sich in kleinen Kommunen vielleicht auch leichter.

Weiland zog die Jugend am Faschingsdienstag in der Innenstadt von Geschäft zu Geschäft, eroberte Faschingskrapfen und so manchen Schluck Sekt. Das ist fast völlig abgekommen, warum?

Die Filialisten in den Innenstädten wollen Geschäfte machen und haben weder Lust, ihre Mitarbeiter leicht illuminiert zu sehen noch die Kunden durchzufüttern. Deshalb werden die Mitglieder des Schelmenrats heuer am Faschingsdienstag diese Tradition wieder aufleben lassen, wir werden durch die Geschäfte ziehen
und Faschingskrapfen verteilen. Man muss das Thema Fasching wieder repräsentieren und mit Freude zu den Leuten hintragen.

Stichwort Illuminierung: Ist es nicht so, dass beschwipst zu sein in der Öffentlichkeit heute weniger akzeptiert wird als früher?

Mit Sicherheit. Früher stellte man sich nach Veranstaltungen an der Bar zusammen und trank etwas. Das gibt es heute kaum mehr. Alle sind unter großem Druck, nur ja nicht das Gesicht zu verlieren. Und genau dem kann der Fasching in seiner ursprünglichen Art entgegenwirken. Da geht es nicht um planloses Besaufen, sondern sich an der Lust des Verkleidens zu erfreuen. Dass ein Glaserl Sekt dazu beitragen kann, ist klar.

Die Menschen müssen im Alltag ihre Rolle intensiv spielen. Haben sie deshalb weniger Lust auf einen Rollenwechsel?

Möglich, aber auch der Umkehrschluss kann stimmen. In einer Gesellschaft, die derartig unter Druck steht, wo jeder seine Leistung bringen muss, in der man von Medien und sozialen Medien überinformiert ist, wäre es da nicht die ureigenste Lust, daraus auszubrechen und genau jene Tage zu nutzen, in denen das erlaubt ist und goutiert wird? Ist das nicht genau das Ventil, das die Gesellschaft und wir alle im Sinne eines menschlichen Bedürfnisses brauchen?

 

 

Schelmenrat

 

Peter Kowatsch (53), gebürtiger Welser, Pantomime-Künstler und langjähriger Intendant des Welser Arkadenhof Kultursommers, gibt in der Faschingssaison den Kanzler* des Faschingsvereins „Schelmenrat zu Wels“.

Heute, Samstag, wird sich zeigen, was der neue Welser Fasching kann, nämlich bei der 1. Welser Faschingsrevue „Moulin Rouge“ in den Minoriten (19 Uhr) zugunsten der CliniClowns OÖ. *

„Die Monarchie wurd’ abgeschaft, d’rum haben wir die Kanzlerschaft.“ (Kowatsch)

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