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Vergangenheit als Gegenwart

Von Manfried Rauchensteiner, 20. Jänner 2018, 00:04 Uhr
Manfried Rauchensteiner
Manfried Rauchensteiner Bild: APA/GEORG HOCHMUTH

Österreich stand seit seiner Gründung unter Beobachtung. Das mag verstören, ist aber auch ein gutes Zeichen. Ein Gastkommentar von Manfried Rauchensteiner.

Ein schon in die Jahre gekommener Bruno Kreisky meinte anlässlich seines letzten groß gefeierten Geburtstags: 70 Jahre im Leben eines Menschen sind eigentlich nicht viel; im "Leben" eines Staates kann das sehr viel sein. Was er meinte, war völlig klar. Er hatte fünf Perioden der österreichischen Geschichte erlebt, die österreichisch-ungarische Monarchie, die Republik Deutschösterreich, die 1919 zur Republik Österreich geworden war, den Ständestaat, die Ostmark des Großdeutschen Reichs und die Zweite Republik. Gelegentlich war wohl von einer Dritten Republik gesprochen worden, doch trotz aller Unkenrufe existierte die Zweite noch immer. Oder haben wir da etwas übersehen?

Beim Bilanzziehen nach einem runden Jahrhundert kann man sich durchaus an die zur Anekdote geronnene Beobachtung des alten Kreisky erinnert sehen und sie um Details anreichern. Denn die große Erzählung zerfällt in ungeheuer viele Einzelteile. Da gab es anfangs ein Gebilde – noch keinen Staat –, der angeblich der "Rest" der Habsburgermonarchie und gleich darauf ein Staat sein sollte, den "keiner wollte".

Als die Gewalt dominierte

Beide Zuschreibungen sind falsch. Richtig ist vielmehr, dass anfangs an der Lebens- und Überlebensfähigkeit des Landes nicht gezweifelt wurde. Das änderte sich. Doch bevor Österreich Ziel-eins-Gebiet für das nationalsozialistische Deutschland geworden war, wurde vieles getan, um das Staatswesen aus eigenem zu ruinieren. Gewalt dominierte. Zeitweilig beherrschte eine halbe Million Paramilitärs die Straßen, gab es Attentate und Putschversuche. Dann folgte der Anschluss und kamen sieben Jahre Terror und der Schrecken eines Kriegs, der niemanden verschonte. Doch zur Läuterung trugen die anschließende Besetzung und die Notwendigkeit, sich politisch anzunähern und ein Auskommen zu finden, wohl mehr bei als die Erinnerung an die Herrschaft der Nationalsozialisten. Mag sein, dass die zehn Jahre alliierte Besetzung auch so etwas wie ein Fegefeuer waren. Auf jeden Fall galt es 1945, sich neu zu orientieren, und bei der Gelegenheit wurde nicht zum letzten Mal gefragt: Wohin gehört Österreich?

Sorgenvoller Blick auf Österreich

Die Reaktion des britischen Botschafters auf die Ankündigung von Bundeskanzler Raab, er würde Mitte April 1955 mit drei Regierungskollegen nach Moskau reisen, um mit den Sowjets über den Staatsvertrag zu verhandeln, sprach Bände: Nun droht ein zweites München, also die Preisgabe. Und die Österreicher würden sich wie die "Gadarenischen Säue" ins Verderben stürzen und für den Osten leichte Beute zu werden.

Nichts dergleichen geschah. Klar war aber eines: Abermals wurde mit Argwohn, fallweise mit Sorge auf Österreich geschaut. Dass die Bundesrepublik Deutschland den Abschluss des Staatsvertrags damit quittierte, dass sie vorübergehend die diplomatischen Beziehungen abbrach, ging in der allgemeinen Zufriedenheit über das Erreichte unter. Und Österreich bewies Festigkeit.

Erst allmählich kam Sand ins Getriebe. Ein Vergleich mit den zwanziger und dreißiger Jahren verbot sich freilich. Wohl aber zeigte sich, dass der historische Kompromiss, als den man die große Koalition sehen konnte, zu bröckeln schien.

1966 trat man in eine Art neue Wirklichkeit ein. Josef Klaus bildete eine Alleinregierung, etwas, das es in dieser Form in der Zwischenkriegszeit nicht gegeben hatte. Um den Rückstau an unerledigten Materien abzubauen, versuchte es der Bundeskanzler mit jeder Menge Innovationen. Die gesellschaftliche Erneuerung hinkte nach. Vollends die Weiterentwicklung der Demokratie. Bruno Kreisky konnte da mühelos aufsetzen.

Was im Nachhinein aber so glatt und fast selbstverständlich schien, war von jeder Menge Eruptionen begleitet. Kreisky interpretierte Sicherheit nicht militärisch, sondern außenpolitisch. Der Kanzler sah kaum einmal die Grenzen des Machbaren und war sich der Skepsis der europäischen Nachbarn zum wenigsten bewusst. Das galt für die Bundesrepublik Deutschland ebenso wie für Großbritannien und das übrige Westeuropa. Seine Nahostinitiativen wurden ebenso kritisiert wie sein Engagement für eine Europäische Sicherheitskonferenz.

Soll man sagen: Er hinterließ ein schweres Erbe? Eine Frage hat Kreisky regelrecht verdrängt: Die Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit, von der Österreich mehr und mehr eingeholt wurde. Eine neue Generation stellte Fragen, auf die man mit der für Österreich nicht untypischen Art des Verdrängens keine Antworten wusste. Der "Fall" Waldheim kam daher nicht von ungefähr.

Es waren aber nicht nur die Jüngeren, die sich mit den einfachen Antworten nicht mehr zufrieden geben wollten – es war auch das Ausland. Dort hegte man schon seit längerem einen Groll, und in den USA brachte man das auf den einfachen Nenner: "They had it too long too good."

Das schon in der Moskauer Deklaration 1943 geforderte Bekenntnis zur eigenen Verantwortung war damit beantwortet worden, dass ja Österreich bekanntlich das erste Opfer gewesen war. Und die Neutralität wurde gerade unter Kreisky als Äquidistanz verstanden und erboste zunehmend den Westen.

Vranitzky, Mock, Raab und Figl

Es war hoch an der Zeit gegenzusteuern. Im Juli 1989 ersuchte Österreich um die Aufnahme von Verhandlungen über den Beitritt zu der Europäischen Gemeinschaft. Die Sowjets hatten dem zugestimmt und machten keine Neutralitätsvorbehalte mehr geltend. Doch die EWG ließ Österreich warten. Erst Ende Juli 1991 kam die Einladung zur Aufnahme von Verhandlungen, 1994 war die Prozedur abgeschlossen und das Ziel erreicht. Franz Vranitzky und Alois Mock standen in einer Reihe mit Raab und Figl.

Wer aber geglaubt hatte, damit wäre wieder alles so wie einstmals, sah sich getäuscht. Denn ab nun galt es, weit stärker auf Europa Rücksicht zu nehmen als je zuvor. Das konnte irritieren und führte dazu, dass die Begeisterung über die Zugehörigkeit zur Europäischen Union regelrechte Konjunkturzyklen erlebte und zeitweilig auf 26 Prozent Zustimmung absank. Die Irritationen wurden im Jahr 2000 noch größer und dafür die Bildung der sogenannten schwarz-blauen Koalition verantwortlich gemacht. Österreich wurde unter Kuratel gestellt. Auch das ging vorüber.

Eines sollte sich trotz allem nicht ändern: Österreich stand und steht unter Beobachtung. Das mag stören, ist aber immer noch besser, als würde den anderen das Schicksal des Landes gleichgültig sein.

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1  Kommentar
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jeep42001 (1.466 Kommentare)
am 20.01.2018 10:23

Wo bleibt den die Debatte. ?
Sonst wird jeder Misthaufen tagelang kommentiert.

Hier zeigt es sich wieder einmal das der gelernte Österreicher die eigene Vergangenheit der 1. Republik und die Nazi-Diktatur nicht kennt oder verdrängt.

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