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"Uns wurde nichts geschenkt, wir haben uns alles erarbeitet"

30.Dezember 2017

Es kommt nicht alle Tage vor, dass Arnold Schwarzenegger im Mühlviertel mit einem Hummer vorfährt. Im konkreten Fall eröffnete er das neue Firmengebäude der Brüder Kreisel in Rainbach. Den Hummer ließ er dort. Er wird zum Elektroauto umgebaut. Nur ein Grund für die OÖN, die Brüder Kreisel zu den Oberösterreichern des Jahres zu wählen. Über die Erfolgsgeschichte sprachen die OÖN mit Markus Kreisel.

OÖNachrichten: Kreisel hat ein besonderes Jahr hinter sich. Man kann sagen, der Kreisel-Stern ist heuer richtig aufgegangen. Ein neues Gebäude, ein ordentlicher Schub im Geschäftlichen. Was geht da in einem vor, wenn man das Jahr Revue passieren lässt?

Das Jahr war super anstrengend, von außen schaut alles super und schön aus. Aber dahinter steckt brutal viel Arbeit. Wir haben überhaupt keine Freizeit. Wir sind von der Garage in so ein neues Gebäude übersiedelt. Hier müssen wir neue Prozesse hochziehen. 50 neue Mitarbeiter in den vergangenen vier, fünf Monaten haben wir angestellt. Das ist für ein Unternehmen wie unseres, das keine Strukturen hat wie große Firmen, doppelt so anstrengend. Dazu die Projekte und Eigenprodukte.

Dabei gab es jede Menge Preise.

Ja, fast jede Woche einen. Wenn man einen Award gewinnt, freut man sich, fährt dorthin. Bei uns bedeutet das: noch ein Termin. Was aber nicht heißt, dass wir die Anerkennung nicht schätzen.

Können Sie den eigenen Erfolg noch nicht genießen?

Je erfolgreicher wir werden, desto anstrengender wird es derzeit. Man muss Personal einstellen und aufbauen, das uns entlastet. Das passiert ja auch. Wir fahren 150 bis 200 Prozent, das geht nicht auf Dauer. Das nächste Jahr wird sehr intensiv sein.

Wie viele Mitarbeiter haben Sie jetzt?

Jetzt sind wir hundert.

Aber 200 ist das Ziel.

Genau, bis Mitte 2018.

Wie findet man in Rainbach 100 Mitarbeiter?

Das Schöne ist, die Medien haben gern über uns geschrieben. Durch diese Präsenz in den Medien kriegen das die Leute mit. Wir haben pro Tag zehn bis 15 Initiativbewerbungen.

"Uns wurde nichts geschenkt, wir haben uns alles erarbeitet"
Drei Mio. Euro flossen in den futuristischen Neubau, der ebenfalls dem Kreisel-Stern nachempfunden ist. Derzeit zählt das Team 100 Mitarbeiter, weitere 100 sollen bis Mitte 2018 dazukommen.

Es ist also cool, bei Kreisel zu arbeiten?

Ja, so schaut es aus. Wir sind umgängliche Leute. Wir haben nie etwas geschenkt bekommen, haben uns alles erarbeiten müssen und schätzen das, wenn Mitarbeiter so agieren wie wir: Jetzt pack ma an, jetzt helfen wir z’samm. Dann kriegen die relativ viel zurück.

Kommen wir zur Technologie: Was ist der Vorteil Ihrer Lösung?

Es ist das Zusammenspiel von Zellen, Flüssigkeitsmanagement in der Batterie und der Verbindungstechnik. Das verlängert die Reichweite gegenüber der Konkurrenz. Und wir haben eine Löschanlage integriert, das macht keiner. Das ist ein Riesen-Unterscheidungsmerkmal. Und das Wichtigste überhaupt: Weil wir das alles in einfachen Prozessen herstellen können, können wir 30 bis 40 Prozent billiger produzieren als die Konkurrenz. Das können Sie uns glauben oder nicht.

Wo ist der Beweis?

Es kommt die Industrie zu uns, etwa Bosch oder ein großer Autohersteller. Wir zeigen die Fertigungslinien, und die sehen ein paar Roboter und die Spritzgussteile im Produkt. Denen brauchen wir dann nichts mehr zu beweisen, die sehen das sofort, dass das alles nicht so viel kostet. Sie sehen, unser System ist einfach und gut industrialisierbar. Und wir wollen ja nicht selber produzieren.

Warum eigentlich nicht?

Wir sehen uns als Lösungsanbieter. Wir entwickeln die Technologie, helfen bei der Serienentwicklung, aber hunderttausende oder mehr Batterien zu bauen, das ist nicht unser Ziel, das können wir nicht. Das ist das Geschäftsmodell von Samsung und LG. Die wollen alles selber machen. Wir geben der großen Industrie, egal ob Autobauer oder Energiebetreiber, die Möglichkeit, neue Geschäftsmodelle aufzubauen. Das machen wir mit der ganzen Welt. Da gibt es Projekte in Südamerika, in Russland, in Indien. Die Hersteller wollen im eigenen Land produzieren. Es ergibt keinen Sinn, Batterien nach Indien zu schicken.

Und Sie verdienen Geld mit Lizenzen?

Teilweise. Entweder sie beauftragen uns mit einer Entwicklung, oder, wenn sie selber produzieren, gibt es eine Lizenz oder eine Partnerschaft. Also auch Anteile an einem Joint-Venture, also eine Beteiligung. An diesen Geschäftsmodellen arbeiten wir ganz intensiv.

Eine Zusammenarbeit mit einem Autobauer auf exklusiver Basis kommt nicht in Frage?

Nein, das machen wir nicht. Bosch macht das ja auch nicht. Derzeit gibt es noch große Unterschiede in der Technologie, irgendwann wird das standardisiert werden.

"Uns wurde nichts geschenkt, wir haben uns alles erarbeitet"
Markus, Johann und Philipp Kreisel

Was machen Sie dann?

Weiterentwickeln. Was wir heute fertig entwickelt haben, kommt in drei Jahren in Serie. Wir kommen bei jedem Projekt auf neue Ideen. Die großen brauchen kleine und wendige Firmen, wie wir eine sind.

Mit dem Schwerpunkt Elektromobilität? Es gibt mit dem Heimspeicher ja auch andere Produkte.

Generell Elektrifizierung. Dieses Firmengebäude ist das beste Beispiel: Wir haben Photovoltaik, einen großen Batteriespeicher, Licht- tontechnik, Zutrittskontrolle, Ladeinfrastruktur. Das haben wir uns alles selber gemacht. Das Gebäude ist ein Verkaufslokal. Wenn man sein Unternehmen zu 80 Prozent stromautark betreiben und 40 Ladepunkte haben will: Wir können das.

Ihr Heimspeicher ist aber nicht marktreif? Den kann man nur reservieren.

Ja wir sind noch in der Entwicklung. Es fehlen noch Zertifizierungen, da gibt es lange Wartezeiten. 2018 gehen wir damit in die Serie.

Es sollte eine Niederlassung in Kalifornien errichtet werden. Gibt es die schon?

Das ist derzeit nur ein Büro. 20 Prozent des Marktes sind die USA, 50 Prozent ist China und der Rest ist Europa und der Rest der Welt. Wir haben viele Anfragen aus den USA, um diese zu kanalisieren, sind wir dort vertreten.

Thema Elektromobilität: Wenn viele Autos schnell laden wollen, fehlt die Stromkapazität.

Ja, wenn eine Million Autobesitzer zur gleichen Sekunde einstecken, bricht das Netz zusammen. Gleiches passiert aber auch, wenn alle gleichzeitig den Fön einschalten. In die Infrastruktur wird investiert werden müssen, auch in die Speicherkapazitäten. Das können auch Elektroautos sein, ein Auto steht ja 23 Stunden am Tag. Wenn wir das alles intelligent miteinander verknüpfen, können wir Stromspitzen ausgleichen.

Was ist Ihre Vision: Wie schnell wird die E-Mobilität wachsen?

Wenn die Infrastruktur ausgebaut ist, gibt es keinen Grund, warum es nicht funktionieren sollte. Es ist wie beim Popcorn. Sobald ausreichend Fahrzeuge günstig zur Verfügung stehen und die Infrastruktur ausgebaut ist, wird das Popcorn knacken. 2025, 2026 werden 60 Prozent der Neuanmeldungen 100 Prozent elektrisch sein. 2019, 2020 kommt ein Elektroauto auf den Markt, das 23.000 Euro kosten wird mit 50 kWh, also mit theoretisch 420 Kilometer Reichweite. Das kostet dann nicht mehr als ein Verbrenner. Wieso sollte man dann nicht ein umweltfreundliches Elektroauto kaufen? Heute zahlen wir zwölf Milliarden Euro für fossile Brennstoffe. Wenn wir die im Land lassen, können wir das in Infrastruktur investieren. Das bringt eine ganz andere Wertschöpfung.

Und die Batterien an der Tankstelle zu tauschen?

Das wird irgendwann funktionieren, wenn die Batterie standardisiert ist. In 20 Jahren vielleicht.

Wie funktioniert die Zusammenarbeit miteinander?

Super. Wir sind total normal aufgewachsen. Uns geht es nicht ums Geld, wenn jemand 400 Millionen auf den Tisch legt und sagt, ich kauf euch, dann sagen wir nein. Was soll ich mit dem Geld tun?

 

Die Ausgezeichneten

In einer Garage sind Markus, Johann und Philipp Kreisel 2012 gestartet und haben erste Fahrzeuge elektrifiziert, also umgebaut. Die Tüftler haben neue leichtere und leistungsstärkere Akkus entwickelt. Inzwischen stellen sich große Automobil-Konzerne an. 2017 sind die Brüder richtig durchgestartet. Im laufenden Geschäftsjahr (bis 31. März) wird ein Umsatz von 20 Millionen Euro erwartet. Das wäre eine Verdoppelung gegenüber 2017 und eine Vervierfachung gegenüber 2016. Alle drei sind in der Geschäftsführung.

Markus Kreisel hat eine kaufmännische Ausbildung und ist Verantwortlicher für Vertrieb und Außenauftritt. Der 39-Jährige ist verheiratet und hat zwei fast erwachsene Töchter.

Johann ist der Elektriker. Der 41-Jährige ist der Tüftler und in der Geschäftsführung für Produktion und Personal verantwortlich. Auch er ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Philipp ist der Maschinenbauer und mit 28 Jahren deutlich jünger als seine Brüder und verantwortlich für die Entwicklungen.

 

Die Firmengeschichte

 

Das elterliche Elektrogeschäft in Freistadt bildet den unternehmerischen Hintergrund für die Kreisel-Brüder. Das Unternehmen wurde vom Vater der drei Brüder und dessen Bruder vor 40 Jahren gegründet.
Markus, Johann und Philipp wuchsen quasi im Unternehmen auf. Daher kommt auch der Bezug zur Elektrik und zur Elektronik. Markus hat 20 Jahre im elterlichen Betrieb gearbeitet, auch sein Bruder Hans hat dort Elektriker gelernt und seit der Lehre im Betrieb gearbeitet.

Gemeinsam haben die zwei älteren Brüder und der jüngere – Philipp ist elf Jahre jünger als Markus – hobbymäßig das erste Auto umgebaut. Ende 2012 haben die Brüder den Neuwagen des Vaters auf ein Elektroauto, einen Audi A2, umgebaut. „Das ging relativ schnell“, sagt Markus. 2014 wurde ein Auto für einen Kunden umgebaut. 2015 wurde die Firma Kreisel Electric gegründet. 2015 brauchte ein Elektro-Taxi-Bauer eine flache Batterie, die er auf dem Markt nicht fand. „Wir haben gesehen, wir haben was, was die anderen nicht können. Eine leichtere Batterie als andere bei höherer Leistung.“

Die Kreisels und die Schwarzeneggers
Promis und Politiker reisten zur Eröffnung nach Rainbach.

Die Kreisels und die Schwarzeneggers

Eine Verbindung, die beiden Seiten nützt

Die Kreisel-Brüder sind nicht nur gute Tüftler, sie sind auch gute Verkäufer. Das erste Auto, das sie für die ausgewanderte steirische Eiche, Arnold Schwarzenegger, elektrifiziert haben, machte international Schlagzeilen, die das junge Unternehmen zu nutzen wusste.

Die Eröffnung des Firmensitzes, der um drei Millionen Euro großzügig mit Wellnessbereich errichtet wurde, geriet zu einem internationalen Society-Event. Auch für die Ausrichtung dieses Events mit 1000 Gästen gab es heuer übrigens einen Preis, jenen für das beste Business-Event im Land.

Stargast war wiederum Arnold Schwarzenegger, dessen Anwesenheit vor allem für den US-Markt hilfreich war. Arnie knüpfte den Kontakt zu seinem Neffen, Patrick Schwarzenegger-Knapp, der inzwischen 16 Prozent an Kreisel Electric hält. „Er hat nichts investiert, wir haben ihm Anteile gegeben“, erklärt Markus Kreisel. „Wir haben kein Kapital gebraucht.“ 63 Prozent halten die Brüder, Geschäftsführer Christian Schlögl 21 Prozent, der für die Strategie verantwortlich ist.

"Uns wurde nichts geschenkt, wir haben uns alles erarbeitet"
Stargast der Eröffnung war Arnold Schwarzenegger, der bereits ein zweites Auto bei Kreisel auf Elektroantrieb umbauen lässt.

Während die Kreisel-Brüder zu anderen Dingen sehr offen sind, zu Umsatz und Ertragszahlen sagen sie nichts. „Wir sind gut unterwegs, wir finanzieren uns über den Cash-Flow“, sagt Markus Kreisel. Und je länger man das durchhalte, umso interessanter werde die Firma, so die Logik der Mühlviertler, gepaart mit der Einsicht: „In der Garage hätte uns sowieso keiner Geld gegeben.“

 

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25. April 2024