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Neu-Delhi: Eine Stadt erstickt

Von Josef Lehner aus Neu-Delhi, 14. Dezember 2017, 00:04 Uhr
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Bildergalerie Neu-Delhi: Eine Stadt erstickt
Bild: afp

Der Leidensweg der Menschen in Neu-Delhi, das laut Ärzten "nicht mehr als Wohnstätte geeignet" ist.

In der schmutzigsten Stadt der Welt röcheln 18 Millionen Menschen vor sich hin. Vor einem Monat jagten darüber Schreckensmeldungen rund um den Globus. Längst haben sich die Medien anderen Themen zugewendet. Die Luftverschmutzung in Indiens Hauptstadt bleibt aber alarmierend. Ein Lokalaugenschein.

Die Stoßzeit ab 16 Uhr ist apokalyptisch: Der Gestank sticht in der Nase, brennt in den Augen, die Luft ist grau in grau. Durch die Straßen wälzen sich Busse, Autoschlangen, Tuktuks und Motorräder. Am Straßenrand stehen Trauben von Menschen, hoffend, Platz in den überfüllten Transportmitteln zu ergattern. Mehrfach fahren wir in eine Gestankswolke, Signal dafür, dass wir einen undichten Kanal oder eine Industrieanlage passieren.

Die Radfahrer – viele transportieren sperrige Lasten – hechten sich im Wiegetritt mit vollen Lungenzügen Brücken und Rampen vermeintlicher Schnellstraßen hinauf. Sie überholen Männer, die mit Handkarren schwere Lasten schleppen. An den Straßen reiht sich ein Verkaufsstand an den anderen: Obst und Gemüse sind überzogen von einer grauen Schicht.

In den Garküchen wird Frittiertes gereicht. Dazwischen huschen Menschen durch, viele mit Schal oder Schutzmasken vor dem Mund. Seit Wochen ist Delhi im Notstand, seit Bauern im Norden mit dem Abbrennen abgeernteter Felder die Luftsituation eskalieren lassen. Der Air Quality Index (AQI) zeigt seither mindestens 380 Punkte. Laut "Berkeley Earth" ist ein Tag in Delhi für die Atemwege gleichbedeutend mit dem Konsum von 44 Zigaretten.

Vor kurzem schockierte "The Times of India" mit der Meldung, die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warne, Luftschadstoffe schädigten das Gehirn Ungeborener. In Südasien lebten 12,2 Millionen Babys in Gefahrenzonen. Delhi verzeichnet eine Feinstaubbelastung von mehr als 1000 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Die WHO empfiehlt als Obergrenze: 25! Gleich im Artikel daneben berichtete die Redaktion, dass es zwar eine scharfe Gesetzgebung zum Schutz von Luft und Wasser gebe, dass die Behörden jedoch im Vorjahr keinen einzigen Fall bearbeitet hätten.

Mitte November reagierte die Stadtregierung, indem sie Tausende Schulen und Behörden schloss, Bauarbeiten einstellen ließ und den Lkw-Verkehr verbannte. Nach drei Tagen endete das Lkw-Fahrverbot, weil die Versorgung kollabierte. "Die Stadt ist zur Gaskammer verkommen", sagte der regionale Regierungschef, Arvind Kejrinal.

Alle Gegenmaßnahmen sind gut, aber unzureichend. So sollen Busse und Tuktuk-Taxis auf komprimiertes Erdgas (CNG) umgestellt werden. Doch Indien müsste die Erzeugung seiner Elektrizität von Kohle und Öl auf umweltfreundliche Träger umstellen. Der motorisierte Individualverkehr müsse auf Busse und U-Bahnen umgeleitet werden, stellt die "Times of India" fest. Doch die Regierung tue nichts.

Auch erfreuliche Ursachen

Unser Führer wirkt resigniert: "Wir sind in den vergangenen Jahren zur schmutzigsten Stadt der Welt aufgestiegen, haben Mexiko City und Peking überholt." Das hat auch eine erfreuliche Ursache: Vielen ist es gelungen, in die Mittelklasse aufzusteigen. Sie fahren Auto statt Moped und Bus. Die zweite unkontrollierte Entwicklung ist die Landflucht. In der Metropole leben Millionen Zuzügler illegal in Slums. Sie betreiben stinkende Herdfeuer. Vom Eindämmen dieser Entwicklungen gibt es jedoch keine Spur. Da könnte ein Ereignis aufrütteln: Indiens Nationalsportart Cricket kann in der Hauptsaison bald nicht mehr ausgeübt werden. Beim Ländermatch gegen Sri Lanka rückten viele Besucher mit Schutzmasken an und sahen, wie sich ein Gästespieler am Grün übergab. Die Times warnte ihre Leser vor den Folgen solcher Berichte: Ausländische Investoren würden fernbleiben, der Tourismus nehme schon schweren Schaden.

Allerdings werden Regen und Wind das Problem bald lindern. Im Frühjahr sei Delhi nur noch eine von vielen schmutzigen Städten – bis zum nächsten Winter.

Pariser Klimakonferenz

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat die Welt beim Pariser Klimagipfel eindringlich aufgefordert, sich mehr anzustrengen. „Wir sind dabei, die Schlacht zu verlieren“, sagte er vor Vertretern von fast 130 Staaten. Mit den bisherigen Klimaschutz-Plänen steuere die Welt auf eine Erderwärmung um 3 oder 3,5 Grad zu.

Der von Macron initiierte „One Planet Summit“ sollte konkrete Klimaschutz-Vorhaben vorantreiben. Ein Schwerpunkt lag auf der Einbindung von Firmen und Investoren im Kampf gegen den Klimawandel.

Zahlreiche Unternehmen kündigten an, sich stärker für den Klimaschutz zu engagieren. So will der französische Finanzkonzern Axa den Neubau von Kohlekraftwerken nicht mehr versichern. Die Weltbank kündigte an, nach 2019 die Erschließung und Förderung von Öl- und Gas-Vorkommen nicht mehr zu finanzieren. Das bei der UN-Weltklimakonferenz in Bonn ins Leben gerufene Bündnis für den Kohle-Ausstieg wuchs auf fast 30 Länder und Regionen an.

    Bild: Afp
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4  Kommentare
4  Kommentare
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( Kommentare)
am 14.12.2017 12:52

In unseren Breiten, da reinigt der Regen sehr viel. Ebenso ist die Windbewegung für ein besseres Klima in den Zentralräumen verantwortlich. Derartiges kennt man in Indien nicht. Der einzig grosse Regen ist der Monsun zum Ende des Sommers. Nachher staut sich die Luft.

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thomas277 (102 Kommentare)
am 14.12.2017 09:52

Ich bin alle 2 Monate in Bangalore, da ist es auch nicht besser.

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fanfarikuss (14.172 Kommentare)
am 14.12.2017 07:05

>>Die Times warnte ihre Leser vor den Folgen solcher Berichte: Ausländische Investoren würden fernbleiben, der Tourismus nehme schon schweren Schaden.<<

Na hoffentlich!

Die unerträgliche Gier der börsennotierten Heuschreckenkonzerne haben die Situation doch erst eskalieren lassen!
Was kümmert es einen Broker im Armani Anzug und Lamborghini in der Garage, wenn in den indischen Slums die Leute verrecken, solange ein Produkt unter unsäglichen Arbeits- und Sicherheitsbedingungen um 10Cent billiger hergestellt werden kann?

Eines jedoch wundert mich: Gegen Bauern, welche Felder illegal abbrennen´, sollte doch etwas asuzurichten sein, oder?

Indien ist für mich nicht begreifbar. Einerseits Atom- und IT - Weltmacht, andererseits bitterste Armut.
Einerseits das großartige Yoga,andererseits das mittelalterliche Kastensystem.

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il-capone (10.378 Kommentare)
am 14.12.2017 06:04

Und bei uns jammern die völlig Überfütterten über den Lufthunderter ... 😖

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