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Aufbruch in den Advent

Von Alfons Krieglsteiner, 02. Dezember 2017, 00:05 Uhr
Die "Stade" Zeit hat begonnen Bild: APA

Advent: Der Countdown für Weihnachten läuft. Für zwei Drittel der Österreicher gehört er zu den schönsten Zeiten des Jahres, ergab eine Umfrage des Linzer market Instituts – trotz allen Trubels, trotz überfüllter Straßenbahnen und Einkaufsstraßen, die auf der Jagd nach Last-Minute-Geschenken Kampfzonen gleichen.

Und auch, wenn der Spiritus Sanctus (= der Heilige Geist) jetzt manchmal im Punsch herniedersteigt – romantisches Feeling bleibt mit dem Advent verbunden.

22 Tage, vom 3. bis 24. Dezember, dauert er heuer. Damit erleben wir seine kürzestmögliche Variante. Allein schon deshalb wird die Zeit diesmal knapp. Zeit erübrigen, das gelingt uns ohnehin immer weniger, um uns weihnachtlich zu stimmen. Picksüßer Punsch, verschütteter Glühwein, honigträufelnde Bratäpfel beim festlichen Budenzauber. Kaufrausch in den glitzernden Shopping Malls. Der LED-leuchtende Christbaum in der Innenstadt. Solche Assoziationen drängen sich auf, wenn vom Advent die Rede ist. Und mit seiner christlichen Tradition können heute viele auch nichts mehr anfangen.

Einmal Danke sagen!

Advent, die stade Zeit. Das geht so: Den Fernseher abschalten und das Radio. Öfter zu Hause bleiben und sich der Familie widmen. Spaziergänge machen, Nachdenkpausen einlegen, lesen. Und sich versammeln um den Adventkranz, wenn frischer Tannenduft den Raum erfüllt. Vor allem aber Danke sagen – für Obdach, Nahrung, Arbeit. Lauter Dinge, die für die Hälfte der Menschheit keine Selbstverständlichkeiten sind.

Die stade Zeit, konterkariert von der Stadtzeit. Hektisch und turbulent geht es da zu, speziell im Advent. Wie zur Ruhe finden? Otto Raich kennt einen Weg. Er führt vom Ursulinenhof zum Linzer Hauptplatz und zurück. Eine Stunde nimmt er sich dafür Zeit – mit den Teilnehmern an einer „Geh-Meditation“, eine Premiere in Oberösterreich. Termin ist Samstag, 9. Dezember, um 10 Uhr.

Der gebürtige Ternberger leitet das „Zentrum für Achtsamkeit, Yoga und Meditation“ in Linz. Er bezeichnet sich selbst als „Achtsamkeitslehrer“ in der buddhistischen Tradition. Langsam gehen, dabei aufmerksam werden auf das Fühlen der Füße, des Körpers und des Atems, das sollen die Teilnehmer üben. „Denn gerade im Adventtrubel der Stadt ist die Aufmerksamkeit im ,außen‘ zerstreut, bei jedem Schaufenster bleibt man stehen“, sagt Raich. Die Geh-Meditation hilft, dass man sich in sich selbst „verankert“, in sich selbst zurückkehrt.

Darin liegt auch eine Rückbesinnung auf den Ursprung des Advents, auf die „stade Zeit“, inmitten ihres Gegenpols, der Linzer Landstraße. „Meditation hilft, dass man in sich Fülle erlebt, ohne sich mit Konsum anzufüllen“, das will Raich den Teilnehmern vermitteln. Wie „ticken“ die Menschen in der modernen Gesellschaft? Innerlich leer, gestresst von allzu vielen Zielen, die sie erreichen wollen. Das überfordert. „Kein Wunder, dass die Diagnose Burn-out rasant zunimmt“, sagt Raich.

Der Meditation im Buddhismus entspricht die Kontemplation im Christentum. Die Mystiker haben es vorgelebt. Das Ziel ist dasselbe: „Im Buddhismus und in der mystischen Strömung des Christentums geht es um die Erfahrung der Nähe Gottes“, sagt Raich. Dazu braucht es viel Übung – die Geh-Meditation ist nur ein Anfang auf dem Weg, der über Selbst-Besinnung zur befreienden Erkenntnis führt, „dass wir alle eins sind.“

Gemeinsam statt einsam

Im christlichen Sinn bedeutet Advent so viel wie „Ankunft“. Mehr als 2000 Jahre ist es her, da wurde Jesus im Stall zu Bethlehem geboren. „Damit beginnt für die Christen die Zeit der Hoffnung“, schreibt der Linzer Liturgiewissenschafter Christoph Freilinger in der neuen, von Franz Kogler herausgegebenen Familienbibel des Bibelwerks Linz. „Sie reicht bis ans Ende der Zeiten, wenn uns Christus heimführt in das Leben bei Gott und alles Leid ein Ende hat.“

Das wird im Advent gefeiert. Durch die Erfahrung des Lichts in der dunkelsten Zeit des Jahres, wenn am Adventkranz die Kerzen brennen. Durch das gemeinsame Beten und Singen, das Herbergsuchen, die Nikolausfeiern. Aber auch durch Düfte und Klänge, Musik und Bräuche, die uns Geborgenheit erfahren lassen. Denn viele fühlen sich ungeborgen in unserer mannigfaltigen Gesellschaft, in der verbindliche Werte weitgehend verlorengegangen sind.

„In Zeiten wie diesen hat Weihnachten als emotionales Fest große Bedeutung“, sagt Klemens Hafner-Hanner, Lebensberater im Zentrum „beziehung.leben“ des Pastoralamts der Diözese Linz. Gerade um Weihnachten laufen die Telefone in der Beratungsstelle heiß. Viele Anrufer haben Trennungserfahrungen hinter sich – Scheidung, Tod des Partners, fehlende Freunde, Job-Verlust. Umso schmerzlicher empfinden sie ihre Einsamkeit.

Die meisten Menschen sind besser dran: Sie können Weihnachten im Kreise ihrer Lieben feiern, sie erwarten eine friedliche „Zeit der Ankunft“, die man gemeinsam genießt. Schnell noch die Weihnachtsgeschenke gekauft, die Kekse gebacken und die Wohnung tipptopp geputzt, dann darf das Christkind kommen. Doch die hohen Erwartungen bergen auch eine Gefahr: „Wenn dann Konflikte entstehen, werden sie umso dramatischer erlebt“, sagt Hafner-Hanner.

Die Rituale pflegen

Deshalb sollte man zur Einstimmung auf ein konfliktfreies Weihnachtsfest schon im Advent möglichst viel Zeit miteinander verbringen. „Zeit, in der der Alltag nicht mehr so präsent ist“, sagt Hafner-Hanner. Und die sollte man gut planen. Das heißt: Statt auf Handy, Tablet oder Fernseher zu starren, könnte man Gesellschaftsspiele machen, sich Geschichten vorlesen oder miteinander Tee zubereiten.

Und die traditionellen Advent-Rituale pflegen: die Kerzen am Adventkranz entzünden, gemeinsam die alten Adventlieder singen. „Auch Räuchern ist wieder groß in Mode“, sagt der Beziehungsberater. Damit der Advent ein Fest für alle Sinne wird.

 

Die Zeit der „Seelennahrung“

Was Eltern tun können, damit Kinder einen beglückenden Advent erleben.

Advent ist die Zeit, „in der Licht in die Dunkelheit kommt“, sagt Silvia Habringer-Hagleitner, Leiterin des Instituts für Religionspädagogik der Pädagogischen Hochschule der Diözese Linz. Stetig, Kerze für Kerze, wird es heller, „bis Gott seine Liebe zu uns Menschen in Gestalt eines Kindes sichtbar macht“. Im Advent „bereiten wir uns darauf vor, dass das Gotteskind auch in uns geboren wird und diese Liebe unter uns spürbar wird“, sagt Habringer.

Kinder lieben den Advent. Das sinnhafte Erleben. Die Rituale, die der Zeit Struktur verleihen. Die gelebten Beziehungen: „Mit anderen zu spielen, mit Eltern und Geschwistern zusammenzusein, das ist ihnen heilig“, sagt die Religionspädagogin.

"Stade Zeit"
Bild: VOLKER WEIHBOLD

Für Kinder ist der Advent die „Zeit der Seelennahrung“, gespendet durch gemeinsames Tun: Kekse und Lebkuchen backen, die Wohnung schmücken, eine nächtliche Laternenwanderung. Und der Adventkalender mit seinen 24 Kästchen, die jeden Tag eine Überraschung offenbaren. Das muss nicht unbedingt nur Schokolade sein. „Man könnte auch in jedes Kästchen zusätzlich einen Zettel mit einem guten Wunsch für das Kind oder einem ermutigenden Zuspruch stecken, die ihm zeigen: Es ist schön, dass es dich gibt, und jeder Tag birgt eine Freude in sich“, rät Habringer.

Adventkalender, Adventkranz und Weihrauchduft, „das gehört für meinen elfjährigen Sohn zum Advent unbedingt dazu“, sagt Habringer. Und gemeinsam Adventlieder singen. So werden auch Traditionen gepflegt und weitergegeben, die die Eltern aus ihrer eigenen Kindheit kennen.

Eines sollten Advent und Weihnachten aber nicht sein: ein „Privatissimum“ im Familienkreis. Das Christliche bleibt nicht „an der eigenen Familie kleben“, sagt Habringer. Christliche Gesinnung schließt alle Menschen ein, sie will solidarisch wirken. Solidarisch ist es, wenn man etwa seinem Nachbarn im Advent das Friedenslicht bringt. Aber auch, wenn man gemeinsam Kekse für Adventmärkte bäckt, deren Verkaufserlös Flüchtlingskindern zu Gute kommt, oder Kindern, die Weihnachten im Spital verbringen müssen: Kleine Symbole für die Liebesenergie, die in der Zuwendung zu anderen ihren Ausdruck findet.

Anregungen zur Adventgestaltung gibt ein Adventbuch der Jungschar mit Rezepten, Bastelanleitungen und Weihnachtsgeschichten. Erhältlich um einen Euro im Diözesanhaus in der Kapuzinerstraße 84 in Linz, Tel. 0732/76100.

 

Mut zur Dunkelheit

Advent – das verbinden heute die meisten Menschen mit Licht, köstlichen Düften, Jahrmarktstimmung und Behaglichkeit. Und das ist gut so. All das macht Freude, unterbricht die Routine und nimmt der „Pressung des Alltags“ (Goethe) den sonst so übermächtigen Druck.

Der Advent hat jedoch noch mehr zu bieten als diese wohlig-schöne „Oberfläche“. Wer religiös erfahren ist, der weiß, dass mit dem Glauben eine besondere Dimension ins Spiel kommt: die Tiefe. Von der Oberfläche zur Tiefe des Lebens, zu dem, was Halt, Weite und Sinn eröffnet – darum geht es im Christentum und in den großen Festen wie Weihnachten und Ostern sowie im Advent und in der Fastenzeit. Um diesen „Tief-Gang“ des Advents zu erleben, braucht es allerdings das Gegenteil von Dauerbeleuchtung und Dauerbeschallung. Es braucht Leer-Räume inmitten der vorweihnachtlichen Über-Fülle, offene Ohren – und Mut zur Dunkelheit. Der Advent lädt nämlich dazu ein, die eigenen Ängste nicht zu verstecken, sondern den Fragen und Sorgen ihren Raum zu geben. Zugleich dürfen wir aber entdecken, wie mit dem zunehmenden Licht der Kerzen auf dem Adventkranz auch unsere Zuversicht wächst. Denn in den adventlichen Texten der Bibel begegnen uns Worte und Bilder, die unser Denken wandeln, unsere Blicke weiten, unsere Herzen stärken und uns langen Atem geben. Ganz in diesem Sinn ist im Lukas-Evangelium zu lesen: „Durch die barmherzige Liebe unseres Gottes wird uns besuchen das aufstrahlende Licht aus der Höhe, um allen zu leuchten, die in Finsternis sitzen und im Schatten des Todes, und unsere Schritte zu lenken auf den Weg des Friedens“ (Lukas 1,78-79).

Christinnen und Christen vertrauen darauf, dass wir gehalten und getragen sind – im Erfolg genauso wie im Misserfolg, im Gelingen genauso wie im Scheitern, mitten in der Blüte des Lebens genauso wie am Ende des Lebens. Denn Gott hat uns eine bedingungslose Zusage gegeben: „Ich bin für dich da, auch und gerade dann, wenn es brennt und in dornigen Zeiten“.

Zu Weihnachten feiern Christinnen und Christen, dass dieses tröstende und aufrichtende „Ich-bin-da“ Hände und Füße, ein Gesicht und eine konkrete Gestalt bekommen hat. In Jesus zeigt sich demnach: dieser Gott ist wirklich ein „Gott mit uns“, ein Gott an unserer Seite, ein Gott, der alles mit uns teilt. So verstanden lädt der Advent ein, immer mehr diesem Mut-machenden „Ich-bin-da“ Vertrauen zu schenken. Auch wenn die Adventkränze und Weihnachtsbäume längst verwelkt und die Stände der Weihnachtsmärkte abgebaut sind, vermag dieses Vertrauen in Gottes gute Nähe seine Kraft zu entfalten, mitten im Alltag – und mitten in einer müde gewordenen Welt. Zum Schluss deshalb ein Wunsch für die kommende Adventzeit:

Zwischen den Lichtern
Aufmerksamkeit für das Dunkle
Zwischen den lauten Tönen
Raum für Stille
Zwischen dem Treiben
Ahnung von Gelassenheit
Zwischen dem Glitzern
Wissen um SEINE Tiefe
Und Sehnsucht nach Mehr

Dr. Stefan Schlager, Theologe, Erwachsenenbildner, Hochschullehrer und Autor. Er leitet das Referat „Theologische Erwachsenenbildung & Weltreligionen“ im Pastoralamt der Diözese Linz und lehrt Ethik an der Fachhochschule Oberösterreich (Linz).

 

 

 

 

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