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Ausg'schnapst: Ist's Brauch?

Von Von Bernhard Lichtenberger, 02. Dezember 2017, 00:04 Uhr
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Bildergalerie Glöckler, Keramik, Taschenfeiteln: Das ist unser Kulturerbe
Bild: Spitzbart

Perchten kommen dem Krampus ins Gai. Halloween ist bei uns gelandet. Frauen schuhplatteln. Darf das sein? OÖN-Volkskulturexperte Klaus Huber und Hans Samhaber haben sich im Freilichtmuseum Sumerauerhof in St. Florian bei Linz ausgetauscht.

Wir stehen wieder kurz vor dem Krampustag ...

Hans Samhaber: ... gefeiert wird aber der Nikolaustag, obwohl der Krampus das Übergewicht gekriegt hat. Früher hat der Krampus zwar dazugehört, aber er war nicht die Hauptfigur. Der Nikolaus hat den Kindern zugeredet, brav zu sein, weil sonst der Kramperl kommt.

Klaus Huber: Den Krampus als Begleiter halte ich für gut, denn dieses Schwarz-Weiß haben wir überall im Leben. Ich bin in den 1950er Jahren, da war ich höchstens zehn Jahre alt, als Krampus gegangen. Meine Mama hat gesagt "Nimm einen alten Rock, dreh ihn um und dann schmieren wir dich ein wenig an", und die Rute haben wir uns selbst gemacht. Wir Kinder sind aber nie als Begleiter des Nikolaus gegangen, sondern haben unseren privaten Krampuslauf in Haslach gemacht und geschaut, dass wir jemanden erwischen. Fest zugehaut haben wir aber nie, denn zu der Zeit hätt’ dir noch ein jeder eine Watsch’n gegeben.

Jetzt laufen bei uns aber nicht nur die Kramperl, sondern auch die Perchten mit dem Nikolaus.

Huber: Das ist für mich voll daneben, denn die Perchten haben mit dem Nikolaus absolut nichts zu tun. Sie kommen erst mit der Thomasnacht vom 20. auf den 21. Dezember. Gegen die Perchtenläufe an sich habe ich nichts, wenn sie’s gern machen ...

Samhaber: ..., wenn sie es nicht als große Volkskultur in unserem Landstrich verkaufen.

Huber: Es ist eine Volkskultur, die aus anderen Bundesländern, aus Tirol und Salzburg, zu uns herüberschwappt. Am ähnlichsten ist noch der große Krampuslauf in Goisern am 7. Dezember, eine fantastische Veranstaltung, die teufeln genauso umadum wie anderswo die Perchten. Aber sich über die Perchten aufzuregen, weil sie aus anderen Bundesländern stammen, ist mindestens kindisch.

Samhaber: Für mich sind die Perchtenläufe Aufführungen von eingeladenen Gruppen. Zur Volkskultur gehören sie dort, wo sie entstanden sind. Das Herüberschwappen lass’ ich mir gefallen, aber als Aufputz für den Advent haben die Perchten nichts verloren.

Mit Halloween hat Hans Samhaber überhaupt keine Freude.   Bild: (Volker Weihbold)

Und wie geht es Ihnen dann mit Halloween?

Huber: Das hat so viele Parallelen, dass man durchaus sagen kann, das ist katholisches Brauchtum aus Irland. Die Iren haben es nach Amerika gebracht. Man kann die Iren Kelten nennen, aber sie sind auch die Vorzeige-Katholiken.

Samhaber: Bei uns in St. Marienkirchen am Hausruck gibt es seit hundert, wenn nicht seit 200 Jahren das Raunachteln, das genau dasselbe ist. Wie bei Halloween kommen Kinder, vergwandt, läuten oder klopfen und bitten um einen Rauzelln. Ich frage dann: "Könnts ein Sprücherl?" Dann kriege ich zu hören: "Wir bitten um an Rauzelln, an langa, weu den kimma besser glanga" oder "An schwarzn statt an weißn, weu den kimma besser beißn." Den kriegen sie und dann gehen sie wieder. Das gehört zu den Heischebräuchen. Aber wie sich Halloween mit "Süßes, sonst gibt’s Saures" entwickelt hat, also dieses "Wenn ich nichts kriege, dann ...", das lehne ich völlig ab.

Huber: Diese Fehlentwicklung ist aber erst bei uns passiert. In Irland und Amerika kommt das Brauchtum ganz normal rüber. Das ist auch ein sprachliches Problem: Die sagen "Trick or Treat", was nichts anderes heißt als "Ich spiel’ dir einen Streich, wenn du mir nichts Süßes gibst." Ein Streich ist nichts Böses. Das ist wie bei uns in der Unruhe-nacht: Wenn du deine Möbel draußen stehen lässt, dann geb’ ich sie dir auf den Baum hinauf. Aber wir haben keine geeignete Übersetzung gefunden, weil die deutsche Sprache dem Englischen bei kurzen Ausdrücken immer unterlegen ist, da wir auch nur wenige einsilbige Wörter haben. Bei uns hat sich "Süßes, sonst gibt’s Saures" angeboten – aber jemandem Saures zu geben, ist eigentlich eine Drohung.

Aber auch unsere Unruhe- und Bosheitsnächte ufern bisweilen aus.

Huber: Überall schlagen die Leute über die Stränge, aber ich kann nicht das Grundsätzliche schlecht finden, nur weil ein paar Närrische übertreiben.

Was ist Brauchtum?

Samhaber: Etwas, das irgendwo entsteht und sich entwickelt. Alles bewegt sich.

Der 24-jährige Obmann der Pramtaler Volkstanzgruppe hat gesagt, dass es passt, wenn die Schuhplattlerinnen zu Pop und Rock platteln, "aber greift mir ja nicht den Innviertler Landler an". Ist demnach Brauchtum, wie’s einem gerade gefällt?

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Brauchtum

"Den Innviertler Landler anzugreifen wäre, wie 'Stille Nacht' mit dem Schlagzeug zu spielen."

Klaus Huber

Huber: Den Innviertler Landler anzugreifen, wäre, wie "Stille Nacht" mit dem Schlagzeug zu spielen. Der Innviertler Landler ist eine Marke. Du kannst auch nicht die Toselli-Serenade auf der Gitarre spielen, denn es ist nun einmal ein Geigenstück. Der Landler ist musikalisch, tänzerisch und gesanglich etwas Eigenes. Und das mit dem Platteln versteh ich. Im Jahr 2000 sind beim Fest der Volkskultur in Wallern zum ersten Mal Schuhplattler der Landjugend aufgetreten. Da hat es innerhalb des Forums für Volkskultur einen Aufstand gegeben. Die geistig Alten haben gesagt: "Schuhplatteln ist kein Brauchtum, das gehört nicht zu uns, sondern hinüber nach Salzburg oder Tirol." Aber der Hans Samhaber als Präsident des Forums hat alle mit seiner Ruhe und der beschwichtigenden Kunst des Redens wieder besänftigt. Und heutzutage regt sich niemand mehr auf.

Und wie stehen Sie zu Frauen als Schuhplattler?

Huber: Das ist auch schon völlig wurscht. Wenn’s die Menscher tun, ist es gleich weit fescher.

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Brauchtum

"Wenn Dirndln in einer Musikkapelle unbedingt in Lederhosen gehen müssen, so finde ich das nicht schön."

Hans Samhaber

Samhaber: Wenn Sie es tun wollen, sollen sie es tun. Ich betrachte es nicht unbedingt als Volkskultur, und sie haben dabei eine Gaudi. Aber das Frauenschuhplatteln taugt mir nicht extra. Da geh’ ich sogar noch weiter: Wenn Dirndln in einer Musikkapelle unbedingt in Lederhosen gehen müssen, so finde ich das nicht schön. Eine schöne Tracht sagt mir da mehr zu.

Stellt man nicht gerade im Brauchtum die Frauen oft auf ein Nebengleis? 

Huber: Das sehe ich schon so. Es gibt so viele Dinge, die nur Männer machen, etwa das Paschen ...

Samhaber: Na und – ist das schlecht?

Huber: Aber was spricht dagegen, dass das Frauen auch tun?

Samhaber: Das ist ein moderner Trend, dass die Frauen alles genauso können müssen wie die Männer. Nur Kinderkriegen können wir noch nicht.

Huber: Da geht es nicht ums Müssen, sondern ums Wollen.

Was ist unverwechselbares oberösterreichisches Brauchtum?

Huber: Der Innviertler Landler ist das Musterbeispiel schlechthin, im selben Atemzug muss man auch die Innviertler Mundart nennen und natürlich die ganzen Ausformungen im inneren Salzkammergut, die Art, wie die Goiserer musizieren.

Samhaber: Beim Liedgut ist es ganz schwer, zu sagen, das ist typisch oberösterreichisch, weil es über die Grenzen hinausgeht, nach Bayern hinüber.

Huber: Ich mache am 11. Dezember im Linzer Bildungshaus St. Magdalena eine Veranstaltung über die Geschichte unserer Weihnachtslieder. Es gibt fast kein Lied, das nicht aus Deutschland ist. "Stille Nacht" und "Still, still, still" sind aus Salzburg, "Es wird scho glei dumpa" aus Oberösterreich – und dann ist zusammengeräumt. Fast alle sind aus der ehemaligen DDR, aus Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt.

Samhaber: Die Goldhauben sind auch typisch oberösterreichisch.

Klaus Huber bedauert, dass Frauen im Brauchtum oft auf ein Nebengleis gestellt werden.     Bild: (Volker Weihbold)

Was sagt es aus, dass sich die Jungen der einstmals verpönten Tracht angenommen haben?

Samhaber: Dass es ihnen gefällt. Es ist ein Zeichen von Gemeinschaft. Da gibt es aber jene, die dann genau schauen, ob das wirklich noch eine Tracht ist – aber zu denen gehör’ ich nicht.

Huber: Das ist eine neue Art von Jugendgemeinschaft, auch wenn der "Obmann" dieses Vereins der Gabalier ist.

Gibt es Veränderungen von Traditionen, bei denen es Ihnen die Haare aufstellt?

Samhaber: Wenn’s mir die Haare aufstellt, dann ist es nicht mehr Tradition.

Huber: Am ehesten bei diesen Oktoberfest-Dirndln, da dreht sich mir schon der Magen um.

Welches Brauchtum läuft Gefahr, zu verschwinden?

Huber: Es wird dort nicht verschwinden, wo Leute in einem kleinen Ort, in einer Gemeinschaft, dahinter sind. Das Glöckeln in Ebensee kann nicht verschwinden. Und sonst kann man es eigentlich nicht vorhersagen.

 

Zu den Personen

Klaus Huber: Der 68-jährige OÖN-Kolumnist und Volkskulturexperte war 34 Jahre lang ORF-Redakteur. Huber ist seit 2009 Präsident des Stelzhamerbundes.

Hans Samhaber: Der 80-jährige Vordenker und Doyen der oberösterreichischen Volkskultur aus St. Marienkirchen am Hausruck war 50 Jahre lang Chorleiter und von 1992 bis 2007 Präsident des OÖ. Forums Volkskultur.

 

Galerie: In der heimischen UNESCO-Liste für Kulturerbe sind von 103 Einträgen 25 aus Oberösterreich

 

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1  Kommentar
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markusobermueller (466 Kommentare)
am 27.02.2018 15:04

Dinge ändan se, des is jo guat. Oides veageht, neues entsteht. Muas jo net imma so wia friha sei.

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