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Pop-Ikone und Mörder

Von Bernhard Lichtenberger, 07. Oktober 2017, 00:04 Uhr
Bild 1 von 19
Bildergalerie Ernesto Che Guevara
Bild: Reuters

Vor 50 Jahren, am 9. Oktober 1967, wurde der Guerillero Ernesto "Che" Guevara erschossen. Bernhard Lichtenberger über die zwei Gesichter des Revolutionärs.

Nicht schießen! Ich bin Che!" Der zerlumpte, hungrige, niedergeschlagene, verwundete Mann, der am 8. Oktober 1967 im bolivianischen Dschungel vor General Gary Prado und seinen 70 Soldaten stand und seine Waffe fallen ließ, erweckte alles andere als einen heldenhaften Eindruck. Ernesto "Che" Guevara, der von einer gewaltvollen Weltrevolution besessene 39-jährige Argentinier, wurde gefesselt, zu einer Schule im Dorf La Higuera gebracht und am nächsten Tag um 13.10 Uhr von Armee-Feldwebel Mario Terán mit neun Schüssen getötet – ohne Gerichtsverfahren, auf Befehl des bolivianischen Präsidenten, der einerseits der Sicherheit seiner Gefängnisse nicht traute und andererseits dem Guerilla-Kämpfer keine Bühne für dessen Ansichten bieten wollte.

Mit dem Hubschrauber wird Guevaras Körper nach Vallegrande geflogen, der Leichnam im Waschhaus aufgebahrt. "Sie wollten dich töten. Aber was sie erreicht haben, ist, dass du für immer lebst – in jeder Ecke der Welt, wo sie die Fahne der Freiheit hissen wollen", ist heute an einer Wand in diesem Raum zu lesen. Das Bild des toten Che, mit dem die Weltpresse gefüttert wurde, befeuerte dessen Märtyrer-Mythos, den auch die 1968er-Revolutionäre transportierten.

CHE GUEVARA
Berühmt: 1963 schoss der Schweizer Fotograf René Burri in Havanna sein berühmtestes Bild – Ernesto „Che“ Guevara auf dem Gipfel seiner politischen Macht. Bild: René Burri

Das berühmteste Foto

Die Studentenbewegung heftete sich ein Abbild auf die Fahnen, das am 5. März 1960 dem kubanischen Fotografen Alberto Korda gelang und zu einer Ikone der Popkultur wurde. Das Porträt zeigt Che, die Baskenmütze mit rotem Stern auf dem Kopf, den entschlossenen Blick in die Ferne, vielleicht in eine bessere Zukunft gerichtet. Seit 50 Jahren ziert dieses symbolisch aufgeladene Bild, das für den Widerstand gegen Ausbeutung und Unterdrückung stehen soll, massenhaft Poster, T-Shirts, Fassaden, Wodkaflaschen. Che blickte sogar vom Bikini, den Supermodel Gisèle Bündchen 2002 bei der Modewoche in São Paulo auf dem Laufsteg spazieren führte.

Das Abbild ist dem Original entrissen, auf dem rechts noch das Blatt einer Palme und links ein Trauergast bei einem Begräbnis für getötete "Anhänger der Revolution" in Havanna zu sehen sind. Korda hatte sein Foto dem italienischen Verleger Giangiacomo Feltrinelli geschenkt, der das Porträt in Che Guevaras Todesjahr gewinnbringend in Umlauf brachte und die bis heute in vielen Köpfen herumgeisternde Heldenverehrung befeuerte. Hat er, den der französische Philosoph und Dichter Jean-Paul Sartre den "vollständigsten Menschen seiner Zeit" nannte, tatsächlich ein Leben gelebt, das dieser Idealisierung gerecht wird?

Der am 14. Juni 1928 in der argentinischen Stadt Rosario geborene Ernesto Rafael Guevara de la Serne, den sie später nur Che nannten, durchquerte während seines Medizinstudiums mit dem Motorrad den südamerikanischen Kontinent. In seinen Reisetagebüchern beklagte er das erfahrene Elend der Landbevölkerung und die großen sozialen Gegensätze. "Dieses ziellose Streifen durch unser riesiges Amerika hat mich stärker verändert, als ich glaubte", schrieb er.

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Kindheit: Wegen seiner Asthma-Anfälle wurde Ernesto anfangs von seiner Mutter Celia daheim unterrichtet. Bild: AFP/AIN/HO

In Guatemala wird Che, der den Kapitalismus zu seinem erbitterten Feind erklärt, 1954 Zeuge eines vom US-Geheimdienst CIA unterstützten Putsches gegen den fortschrittlichen Präsidenten, der mit Mindestlöhnen und einer Landreform für mehr Gerechtigkeit einstand. Im Jahr darauf begegnete er Fidel Castro im mexikanischen Exil, schloss sich dessen "Bewegung des 26. Juli" an, ließ sich militärisch ausbilden und spielte als Comandante eine entscheidende Rolle während der Kubanischen Revolution, die 1959 schließlich zum Sturz des Diktators Batista führte.

Mörderisches Idol?

Spätestens hier setzt die kritische Frage an, wie es sein kann, dass ein ideologisch verbrämter Mörder zum Idol für das Ringen um eine gerechtere Welt taugt. Denn mit der Machtübernahme der Castro-Brüder auf Kuba fiel Che Guevara die Rolle des Säuberers zu. Als gnadenloser Großinquisitor ließ er Gegner der Revolution und Anhänger des gestürzten Regimes verhören, foltern und zum Tode verurteilen. Nicht wenige Erschießungen soll Che persönlich vorgenommen haben.

Revolutionäre: 1955 schloss sich Che Guevara den Kämpfern um Fidel Castro (li.) an. 1959 stürzten sie den kubanischen Diktator Batista. Bild: Alberto Korda

"Natürlich war das grausam, aber so läuft eine siegreiche Revolution nun mal ab", sagt der Historiker Gerd Koenen, Autor des Buches "Traumpfade der Weltrevolution. Das Guevara-Projekt", in einem "Zeit"-Interview. Die Bezeichnung Kriegsverbrecher sei "genauso Unsinn wie die Verehrung als Heiliger". Unter dem neuen Regime fuhrwerkte der Stalin-Anhänger als rasend verstaatlichender Industrieminister, was sich auf die Wirtschaft des Landes katastrophal auswirkte. Die Unstimmigkeiten mit Fidel Castro mehrten sich. Guevara legte seine Ämter nieder und verschwand, um mit anderen Kämpfern seinen revolutionären Eifer erst auf den Kongo und danach auf Bolivien zu übertragen. Bis zu dem Tag, als er sich General Prado und dessen Soldaten ergeben musste.

In seinem neuen Buch "Mein Bruder Che" schreibt Juan Guevara: "Che hätte darauf gespuckt, zum Idol zu werden." Wohl auch deshalb, weil sich der größte Feind, der Kapitalismus, der linken Ikone bemächtigt hat.

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4  Kommentare
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Orlando2312 (22.319 Kommentare)
am 07.10.2017 10:16

Die meisten Menschen wären zu feige, ihr Leben für die Befreiung des eigenen Volkes zu riskieren. Ernesto Guevara hat sein Leben als Freiheitskämpfer in fremden Ländern gelebt. In Kuba hat er als Minister an den Wochenenden auf Plantagen mitgearbeitet. Nicht wie heutige Politiker mal kurz vorbeigeschaut, sondern selber Hand angelegt.

Er wurde in Bolivien nicht einmal vor ein Gericht gestellt und verurteilt. Er wurde vor einem Erschiessungskommando ermordet.

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AlfDalli (3.986 Kommentare)
am 07.10.2017 10:05

Gegenüber dem vielfachen Mörder G.W. Bush jr. ist "Che" geradezu ein Friedensengel!

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mitreden (28.669 Kommentare)
am 07.10.2017 09:07

Die Amilandpräsidenten machen es nichr anders, nur sind das die Auftraggeber zum Mord und müssen nicht selber Hand anlegen....

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oblio (24.784 Kommentare)
am 07.10.2017 08:21

Endlich kratzt jemand an diesem
falschen Image des "Che"!

Die Motive mögen ja noch akzeptabel
sein, nur die Umsetzung primitiv und
mörderisch!

Ich habe nie verstanden, was an dem
so heroisch sein sollte!

Die Fotos und davon die Cover sind
eine Meisterleistung des Fotographen,
nicht mehr und nicht weniger!

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