Land der Räder
Acht Etappen durch die Nationalparks Kalkalpen und Gesäuse laden E-Biker dazu ein, Landschaft und Hütten, Tier- und Pflanzenwelt genussvoll und aus nächster Nähe zu erleben.
Ein deftiges Tellerfleisch beim Jagahäusl im Bodinggraben ist sicher nicht die schlechteste Möglichkeit, so eine Tour zu beginnen: E-Mobility-Chef Rainer Aichinger vermietet die KTM-Bikes, die die kleine Gruppe drei Tage lang über unzählige Höhenmeter tragen werden.
"Die E-Bikes entwickeln sich so schnell weiter, dass man für die nächsten Jahre schon mit bis zu 80 Prozent Verkaufsanteil rechnet. Damit kommen auch Gäste auf die Almen, die diese Landschaft sonst am Rad nicht erreichen könnten", sagt Aichinger. Er hat sich in Steyr auf E-Bikes spezialisiert und schwärmt von der Mühelosigkeit des Fahrens, die selbst anspruchsvollen Trails den Schrecken nimmt. Den Beweis liefern die Bikes gleich auf dem ersten Streckenabschnitt, vom Bodinggraben über den Steyrsteg hinüber zur Villa Sonnwend bei Windischgarsten: Schlechtwetter zieht auf, ein Gewittersturm ist im Anmarsch – und die Fahrt wird zur Flucht vor dem Regen. "Wir haben nur zehn Minuten Vorsprung", sagt Guide Berni Huber und mahnt zur Eile und die Federung der Bikes kann auf dem steinigen Pfad beweisen, dass sie die grobstolligen Reifen auch bei "Vollgas" immer schön am Boden hält.
34 verschiedene "Waldgesellschaften" hält der Nationalpark Kalkalpen bereit, langsam holt sich die Natur die Täler und Gräben zurück und es werden auch nicht alle Wege für die "Bergradler" freigegeben: "Es geht um einen vernünftigen Ausgleich", sagt Nationalpark-Marketingleiter Franz Sieghartsleitner.
Nur wenn genügend attraktive Routen auf die Almen freigegeben würden, könne man das "wilde" illegale Biken in den Griff bekommen und zugleich die Chance für Tourismus und Naturerlebnis nutzen. Das Nationalpark-Hotel Villa Sonnwend in Windischgarsten ist Stützpunkt für Biker und bietet Ladestationen an. Es gehört zu einem Netzwerk von Bike-Spezialisten in der Region, die sich grenzüberschreitend auch im Gesäuse einen Aufschwung durch die E-Biker erhoffen.
Auf der steirischen Seite gilt "Kölblwirt" Altbürgermeister Ludwig Wolf als einer der Pioniere für Nationalpark-und Bike-Tourismus: "Er hat uns geholfen, als anfangs noch ganz viele Widerstände bei Jagd- und Grundbesitzern zu überwinden waren", lobt David Osebik vom Tourismusverband Gesäuse. Die "Universität des Bergsteigens" mit ihren markanten Gipfeln ist seit den 1960er Jahren mehr und mehr in einen Dornröschenschlaf versunken. Zu Glanzzeiten arbeiteten 7000 Männer am Erzberg und zur Eisengewinnung wurden die Wälder der Umgebung komplett abgeholzt.
Heute prägt Abwanderung die schlafenden Dörfer … aber im Tourismus mit Wassersport (Kajak, Rafting) und Bikern sieht man neue Chancen. So führt von Johnsbach aus eine Route etwa zur Kölblalm und auf der "Almenrunde" erradelt man sich idyllische Hütten bis zur verdienten Jause auf der Zeiringalm, der letzten vor der Rückkehr ins Tal.
Knackiger Anstieg mit furiosem Finale
Stärken könnte man sich perfekt im Gasthof Hensle in St. Gallen. Seniorchef Paul Gutmann brachte im Gesäuse den Gepäcktransport für die Biker in Schwung, kämpfte unermüdlich für die Freigabe der "Buchsteinrunde". Heute ist die dreitägige Tour ein Teil der acht Etappen auf der Transnationalpark und die Gästezahlen steigen langsam, aber spürbar. Selbst im Stift Admont als größtem Grund- und Waldbesitzer der Region setzt langsam ein Umdenken ein und ist man eher bereit, die Biker nicht mehr als störende Spinner im Wald, sondern als Gäste zu betrachten.
Zurück nach Oberösterreich führt ein knackiger Anstieg bei Unterlaussa, wo man im Knappenhaus von Markus Berger viel über die Geschichte der Bergbauregion erfahren kann: So wurde nicht nur Eisenerz, sondern auch Bauxit für die Aluminium-Gewinnung abgebaut, weiters der schwarze Schmuckstein Gagat mit dem die "Perlhauben" der Frauen bestickt wurden – das Gegenstück zu den Goldhauben der Wohlhabenden. Ein nachgebauter Stollen, Grubentelefon und Presslufthammer und die Trachten der Holzknechte und der "Schwarzen Grafen" erinnern an frühere Glanzzeiten.
250 Höhenmeter geht’s von hier aus hinauf auf die Mooshöhe – mit den E-Bikes ein Genuss und der direkte Übergang in eine traumhafte Abfahrt auf der Trasse der alten Waldbahn Richtung Reichraming. Eigentlich haben wir es einer Borkenkäfer-Katastrophe in den 50er Jahren zu verdanken, dass für den Abtransport des Schadholzes in aller Eile eine Bahnlinie durch die Felsen gesprengt wurde. Heute spenden Solar-Lampen in den Tunnels einen zaghaften Lichtschimmer, oft verschwindet der Vordermann auch komplett im Schwarz.
Der "Triftsteig" erinnert daran, wie gefährlich der Transport der Stämme im "Großen Bach" für die Holzknechte war: Mit Steigeisen turnten sie auf den Stämmen herum und lösten mit langen Stangen Blockaden, damit das Holz weiter talwärts trieb. Talwärts jagt auch Bike-Guide Berni die Gruppe dann in einem furiosen Finale: "Wer will, kann sich auch auf einem E-Bike voll auspowern und sportlich fahren", sagt er, schickt jedoch hinterher: Der eigentliche Sinn der Akku-Hilfe sei der Genuss, das langsame Erleben der Nationalpark-Landschaften ganz ohne Muskelkater…
Zahlen und Fakten
450 Kilometer lang sind die Etappen der „Transnationalpark“ Tour, überwiegend auf Forststraßen.
11.500 Höhenmeter überwindet die offizielle Tour, viele Abstecher zu Almen ermöglichen Erweiterungen.
5–10 Tagesetappen kann man fahren, das Tempo bestimmt wahlweise der E-Antrieb oder die eigene Kondition.
Touren
Unter dem Titel „Nature E-Biking“ werden geführte E-Mountainbike-Touren am Hengstpaß im Nationalpark Kalkalpen angeboten: Mehr Infos darüber gibt es unter www.emobility.co.at
Die Routenkarte und alle wichtigen Infos zur „Transnationalpark“ finden Biker unter www.transnationalpark.at, auch die GPS-Daten kann man dort herunterladen.
Sowohl im Hintergebirge als auch im Gesäuse ist die Tour eng mit der Geschichte der Regionen verbunden, von der „Wildererschlacht in Molln“ bis zur Bergbau-Historie im Gesäuse. Einstiegspunkte sind Losenstein, Molln, Windischgarsten, Spital am Pyhrn, St. Gallen und Admont.
Guide Berni Huber, ein gebürtiger Mollner, hat nicht nur die Beschilderung mit den blauen Tafeln organisiert, sondern kämpft mit dem „Gebirgsradverein“ und Touristikern auch um die Freigabe weiterer Wege und Übergänge, um das Bike-Netzwerk ständig zu erweitern. Die Region Pyhrn-Priel hat mit einem Trail von der Wurzeralm ins Tal einen Impuls gesetzt, weitere Bike-Angebote sollen folgen.