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Ausg'schnapst: Barocke Jazzpartie

Von Roman Kloibhofer, 03. Juni 2017, 00:04 Uhr
Barocke Jazzpartie
Musik-philosophischer Diskurs inmitten des Innviertels: Paul Zauner (Mitte), Franz Xaver Frenzel (re.), OÖN-Redakteur Roman Kloibhofer Bild: VOLKER WEIHBOLD

Der eine ist Jazzmusiker, der andere der letzte lebende Barockkomponist. Worüber spricht man mit Paul Zauner und Franz Xaver Frenzel? Über Gott und die Welt und die Musik. Und übers Hoamatland – mitten im Innviertel.

Zeit ist das Wichtigste, das jemand haben sollte, der mit Franz Xaver Frenzel und Paul Zauner diskutiert. Denn die Gespräche werden rasch philosophisch und tiefgründig – bleiben aber doch bodenständig. So, wie sich’s für zwei Innviertler gehört. Daher steht am Anfang auch eine fundamentale Frage:

 

  1. Wein oder Most?


    Franz Xaver Frenzel:
    Aaaah, Wein! Ich hab ein Problem mit der Säure ...

    Paul Zauner: Wenn der Most gut ist, absolut Most! Es gibt keinen so genialen Wein wie einen guten Most!
  2. Mundart oder Hochdeutsch?


    Zauner:
    Mundart natürlich, weil ich kann gar nicht Hochdeutsch.

    Frenzel: Da hab ich jetzt ein Problem, weil meine Mutter war Deutsche und mein Vater Wiener, und ich bin im Lungau aufgewachsen und hab zwischendurch einmal schwäbisch geredet, weil ich im Schwabenland war. Ich komm wahrscheinlich in meinem Leben auf keinen richtigen Dialekt mehr. Aber ich versteh alles. Das erste Wort, bei dem ich gegrübelt hab, das hat der damalige Rieder Stadtpfarrer gesagt: "trawig" – ich hab nicht gewusst, was er meint.
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    "Volksmusik hab ich als Kind vor allem in der Kirche gehört, weil ich jeden Sonntag in die Kirche gegangen bin."

    Paul Zauner


    Zauner: Da sind auch viele französische Wörter, die hier den Dialekt prägen. Travail – ich bin reisend. Oder "Amourjou", Ansatz bei Bläsern! (Anm.: Wie man das schreibt, weiß leider niemand). Der alte Solinger Toni hat gesagt, "Habt’s a guate Amaourjou, gell?" Im Innviertlerischen merkt man, dass das eine offene Kultur war. I geh hoam – I go home. Ich red mit meiner Mama am meisten Dialekt, sie spricht ja einen wunderbaren Dialekt. Manche Leute, die Deutsch reden, verstehen sie gar nicht, außer sie bemüht sich. Innviertlerisch ist eine farbenreiche Sprache.
  3. Auch die Volksmusik?


    Zauner: Da gibt’s einen Unterschied. Wenn bei uns im Sauwald Volksmusik gespielt und gesungen wird, das ist so wie von überall a bissl. Aber wenn du hinaufgehst Richtung Gurten, Wildenau, Richtung Braunau, dort ist die Volksmusik farbenreich. Das ist ein Riesenunterschied. Die sind rhythmisch, unfassbar, mit Gespür, das ist Weltmusik. Wahrscheinlich die originellste Musik für mich, die ich in Österreich kenne.
  4. Wodurch erklärst Du Dir das?


    Zauner: Das muss eine gewachsene Geschichte sein, weil es das schon vor 100, 150 Jahren gegeben hat. Das hörst du nirgendwo, das ist ganz speziell und wird immer weitergegeben. Das muss schon lange da sein, weil das so hoch entwickelt ist. Das kann man dort, wo das nicht so entwickelt ist, in hundert Jahren nicht aufholen.
  5. Klassik galt als elitär?


    Frenzel: Man hat lange geglaubt, dass die klassische Musik die einzig wahre ist. Aber zu glauben, wenn man nur in der Klassik komponiert, dass man da irgend etwas Neues erfindet, das ist schon … sehr überdrüber. Das werfe ich der modernen Klassik vor, die ist abgehoben. In Wirklichkeit machen die nichts Gescheites mehr, es wird nichts mehr an gewachsenen Dingen angelehnt. In der Klassik gibt es diesen göttlichen Moment, diese Eingabe, dass alles stimmt … Ein Streichquartett zum Beispiel ist so etwas wie eine richtig gute Jazzpartie.

    Paul Zauner und FX Frenzel  Bild: (Volker Weihbold)
  6. Was würde der Komponist Frenzel aus dieser Szene hier vor dem Innviertler Bauernhof machen, und was würde ein Jazzer damit anfangen?

    Frenzel: Für mich ist das ganz einfach. Ich würde ein Divertimento schreiben. Divertimento heißt Unterhaltung. Da spielen ein paar Bläser und Streicher, die machen nette Musik, dazu kann man auch jausnen. Bei Mozart war das ja auch schon Unterhaltungsmusik auf höchstem Niveau. Ich hör das hier schon (schließt die Augen und lächelt).

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    "Ein Komponist hat eine besondere Bestimmung. Er muss ein Gefühl verpacken, sodass dies auch für andere spürbar wird."

    Franz Xaver Frenzel

    Zauner: Ich würde mit dem Wind improvisieren, mit dem Wind und mit dem offenen Raum. Das mach ich manchmal, wenn ich Wind spüre oder einen Raum besonders empfinde.

    Frenzel: Es ist aber nicht so, dass ich mir denke: Ah, das ist klass, daheim schreib ich das dann auf. In dem Moment, wie ich hier sitze, höre ich die Musik schon. Ich brauch nur fantasieren und träumen und dann fangen’s an zu spielen. Meine Aufgabe wäre es, jetzt das aufzuschreiben. Du hast es in dem Moment leichter, du hörst auch etwas, oder empfindest etwas, setzt dich hin und spielst drauf los. Aber ein Komponist, der für andere etwas machen will, der hat eine besondere Bestimmung … Das ist wie bei einem Maler, du musst dieses Gefühl, diese Stimmung, hineinverpacken, sodass auch der Betrachter plötzlich dieses Gefühl bekommt.
  7. Was verbindet ihr mit dem Begriff Schönheit?


    Frenzel: Da lass ich Dir den Vortritt, weil das ist eine schwierige Frage …

    Zauner (denkt eineinhalb Minuten schweigend nach): Schönheit für mich ist … (Pause) … für mich (Pause) … ein offener, ehrlicher Blick, ein Ausdruck. Das ist schön. Den können Leute haben, die ich gerne mag. Oder ich geh auf der Straße und seh jemanden und denk mir: Boah! Das ist ein innerer Ausdruck, bei dem das Herz spürbar wird.

    Frenzel: Interessant, dass man sofort an eine Person denkt, wenn es um Schönheit geht. Ich hab als erstes an die Geburt der Venus gedacht, an das Bild von Botticelli. Wenn du das siehst – das ist Schönheit. Aber was ist schön daran? Es spricht mich einfach an. Auch eine Landschaft kann schön sein. Was aber ist das Schöne in der Musik? Schön ist nicht glatt. Das bedeutet nicht idealistisch. Wenn es zu idealistisch ist, wird es zu nichtssagend …

    Zauner: Im Endeffekt ist es dasselbe wie beim Menschen. Ein Mensch, der nicht dem gängigen Schönheitsideal entspricht, zählt nicht. Aber da siehst du plötzlich einen alten Mann sitzen und denkst dir: total schön – wie in der Musik. In der Natur ist es immer so, dass das nicht Fassbare, das Ungewollte, das Schöne ist, das sich über lange Zeit entwickelt hat und so zu einem Ausdruck findet. Da hörst du da jemanden singen und denkst dir: Ah, so schön! Und da sitzt du hier und denkst dir: Hier, wo wir sitzen, ist es total schön – auf einem unbekannten Fleckerl, keine fünf Minuten von Ried, und es ist unglaublich schön … Schönheit ist eine Geschichte ohne bekannte Parameter, es ist etwas Innerliches, etwas Göttliches.
  8. Da hake ich gleich ein: Wir wollten ja über Gott und die Welt reden. Über die Welt haben wir schon gesprochen, aber wie drückt sich Gott aus …?

    Frenzel: Da sind wir an einem Punkt angelangt, dass man etwas nur so empfinden kann, wie du es gerade ausgedrückt hast. Jetzt, in diesem Augenblick, und ganzheitlich. Plötzlich ist man überwältigt von einem Eindruck. Man spürt, wie etwas einfach da und einfach nur schön ist. Dann hat man einen göttlichen Moment. Das kann einem bei einer Landschaft genauso passieren wie bei einem Gespräch. Auch in der Musik gibt es Momente, wo man das Gefühl von überwältigender Schönheit hat. Dann hat man eigentlich eine Verbindung zum Göttlichen. Sonst hat man immer diese Verbindung zum Verstand, diese hilft einem da aber nicht wirklich weiter.

    Zauner: Das Göttliche, dieser gute Geist von Menschen, ist für mich spürbar, wenn ich merke, dass der Geist brillant ist, dieses Unfassbare in der Natur, dieses Sein in Menschen, die diesen Ausdruck haben, sodass man etwas Gutes spürt. Das alles miteinander ist das Göttliche, das kann von überall her kommen und bereitet Freude. Das ist etwas unfassbar Gutes, das einfach da ist. Ich hab einmal einen Musiker mit einer Flöte gesehen – so wie der dastand und gespielt hat, hab ich mir gedacht, der hat eine Standleitung in den Himmel. Das Gute, Schöne – das ist für jeden da und zugänglich. Das ist absolut demokratisch. Vom Göttlichen ist für jeden genug da. Es ist nicht so, dass man schauen muss, das Göttliche reserviere ich mir nun, damit es nicht jemand anderer nimmt…

    Frenzel: Da ist aber die Kirche eine Institution, die das Göttliche vermitteln will. Dass jeder selbst den Zugang zum Göttlichen hat, das wird bei uns nicht ganz so vermittelt.
  9. Was bedeutet Reisen für Euch, und was bedeutet Heimkommen?


    Frenzel: Ich reise eigentlich nicht viel. Und ich reise eher im Kopf. Das ist unbeschränkt. Und Heimkommen? Das bin ich jetzt schon im Innviertel, da bin ich heimgekommen. Ich bin schon als Kind viel herumgekommen, und irgendwie hab ich immer danach gesucht, dass ich nach Hause komme. Das bin ich jetzt.
  10. Ist das jetzt Dein Hoamatland …?


    Frenzel: Ja.

    Zauner: Ich reise überall gerne hin und kann mir überall vorstellen, dass ich dort daheim bin. Wenn ich in Finnland bin, denk ich mir: Schön. Und in Ostpolen: Schön. Und dann bin ich in New York, in Köln und denke mir: Schön. Und dann sitze ich hier, wo wir gerade sind und denk mir: Schön. Ich bin noch nie irgendwo gewesen, wo ich mir gedacht hab, da könnte ich nicht dahoam sein. Meine Sehnsucht ist die nach Wärme. Und dann denk ich mir, Italien wär schön – aber im Sommer ist’s bei uns auch so schön warm. Ich hab immer so das Gefühl: Durch die Energie der Leute wird alles ausgeglichen, egal ob es eine Großstadt ist oder eine total ländliche Region. Und es ist gut, wenn man heimkommt, und alles ist vertraut, und man hat dort eine Struktur.
  11. Wo ist Dein Hoamtland?


    Zauner: Das ist da. Aber von der Energiebalance kann ich mich nicht erinnern, jemals irgendwo gewesen zu sein, wo ich nicht hätte bleiben wollen …

 

Die Personen

Barocke Jazzpartie
FX Frenzel und Paul Zauner Bild: VOLKER WEIHBOLD

Paul Zauner: Er ist Biobauer, Jazz-Posaunist und Veranstalter des "Inntöne"-Festivals in Diersbach, einem der bekanntesten Jazz-Festivals Österreichs . Zauners musikalisches Netzwerk ist weltweit ausgelegt, aber er ist bekennender Innviertler.

FX Frenzel: Franz Xaver Frenzel heißt eigentlich Friedemann Katt und nennt sich "letzter lebender Barockkomponist". Er lebt und arbeitet in Ried. Seine Kompositionen haben barocken Charakter mit Einflüssen moderner Elemente. Jüngstes Groß-Werk: "De Rerum Natura"

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