Individuell ein Motorrad-Rebell
Ein Motorrad von der Stange ist an sich eine tolle Sache, ein selbst geplantes Individual-Bike hingegen das Maß aller Dinge. Ein Besuch bei Spezialisten für Individualisten. Plus: Zehn Seen, eine Runde – Ein Tourenvorschlag für Helden.
Man braucht schon ein Auge dafür. An einem Motorrad herumzupfuschen, das ja von den am besten bezahlten Designern auf die Räder gezeichnet wurde, kann kräftig in den Stein gehen. Das Internet ist voll von Bildern verunglückter Versuche, ein Motorrad zu verschönern, zu pimpen, zu veredeln oder schlichtweg zu individualisieren. Gelungene Beispiele sind eher rar. Sie setzen voraus, dass hier jemand mit Gefühl am Werk war, jemand mit Kenntnis der Genesis eines Bikes, jemand, der in der Materialkunde aufgepasst hat und jemand, der einen Meter Zubehörkataloge im Kopf hat. Einer wie Alexandre Stix. Was seinem Vater, Werner Stix, die Szene um das Reiseschiff Honda Goldwing war, ist dem Filius die Umbaugemeinde. Zwei Dutzend Motorräder wurden in der Werkstatt der "Stixe" in Meggenhofen bereits customized. Auf der vergangenen "Bike" im Linzer Design Center schoppten sich die Interessenten vor den Interpretationen der beiden.
Wie so vieles kommt der Trend aus dem anglikanischen Raum. Die Custom-Szene ist in Großbritannien und in den USA seit den 1950er-Jahren nicht wegzudenken. Am Anfang schraubten amerikanische Kriegsveteranen aus Motorradteilen Chopper zusammen (engl. to chop = zerteilen), in den 1960er-Jahren entwickelte sich in England eine Subkultur, deren Bikes man bald Café Racer nannte. Rocker trafen sich vor Szenebeisln, etwa dem legendären Ace Café in London, um illegale Straßenrennen bis zum nächsten Kreisverkehr und retour zu veranstalten. Die umgebauten Maschinen besaßen Stummellenker und höllisch röhrende Schall"dämpfer".
Den Café-Racer-Trend hat man schon vielfach totgesagt, mittlerweile bringen etliche Hersteller eigene Retro-Bikes dieser Ausprägung auf den Markt, etwa Moto Guzzi, BMW oder Triumph.
Doch die Custom-Szene hüpft dem Trend voraus. "Wir räumen die Bikes fast völlig ab", erzählt Alexandre Stix von einer der möglichen Vorgangsweisen. "Die Scheinwerfer werden getauscht, kleine Blinker verbaut, das Heck wird erleichtert, um die Krümmer kommt ein Wickelband, ein neuer Auspuff ..." Nicht zu laut, versteht sich. Ein individualisiertes Bike zu fahren, bedeutet logischerweise nicht, dass man sich durch Lautstärke bemerkbar machen muss, das erledigt das Design. Welches zum Einsatz kommt, diskutieren Alexandre und sein Mechaniker ("ein Mann mit enormem Materialgespür und 25 Jahren Erfahrung") mit den Kunden. Meist haben Umbauwillige schon ein Bild im Kopf, Anstöße für Detaillösungen bringen gelungene Vorbilder und Zubehöranbieter.
Grundsätzlich steht beim Customizing der Motor im Mittelpunkt, ob ein eingehauster Motorblock wie von der BMW K100 (Titelbild), den die Briten " flying brick", also "fliegenden Ziegel" nennen oder ein schöner Reihenvierzylinder mit Kühlrippen und Krümmer wie aus einer Sinfonie.
Darüber werden Sitzbänke platziert, die um vieles leichter wirken als die Originale und mit fein gesteppten, oft farbig kontrastierenden Bezügen glänzen. Meist wird auch das Heck gekürzt und der Tank verschönert. "Für solche Arbeiten ist eine Werkstatt unumgänglich", sagt die graue Eminenz, Werner Stix: "Man braucht zum Beispiel unbedingt eine Anlage zum Sandstrahlen von Bauteilen."
Mit dem Gesetz gerät eine fachmännisch aufgebaute Maschine nicht in Konflikt. "Die Umbauten werden von uns typisiert", sagt Alexandre Stix. Und mit der Euro-4-Abgasnorm gebe es auch kein Problem, weil die ja nur für die neueste Generation der Motorräder gelte, nicht für Gebrauchte. Bei Beistellung einer solchen ist mit Umbaukosten ab 5000 Euro zu rechnen. Dafür hat man dann etwas, das keiner hat.
Zehn Seen, eine Runde
Groß hat er schon angeklopft heuer, der Sommer. Hinaus müssen Mensch und Maschine. Ein
Tourenvorschlag für Helden.
Zum See fahren, baden – das mögen jene mit Schwimmhäuten tun. Solche aber, die sich in lederne Häute hüllen, um mit sicherem Gasgriff den Feuerstuhl zu befehligen, zieht es an gleich mehrere Seen, vielleicht gar an zehn in einem Schwunge.
Unsere "10-Seen-Runde" ist etwas für hartgesottene Reiter, für – man möge den Szenejargon verzeihen – Eisenärsche. Es kommen zwar nur rund 250 Kilometer zusammen, aber die Strecke ist anspruchsvoll und braucht ihre Zeit, um genau zu sein, rund fünf Stunden reine Fahrzeit.
Um auf wirklich zehn Seen zu kommen, ist eine kleine Herausforderung in die Runde eingebaut. Ein Spaziergang. Ja, das ist eine Art Bewegung, die das Bedienen von Füßen voraussetzt. Jedenfalls besuchen wir den Hinteren Langbathsee, der eine halbe Stunde vom Vorderen entfernt idyllisch zwischen den Bergen liegt. Nur sitzen, auch wenn es auf dem Eisenbock ist, kann langweilig werden. Nach der Wanderung hat man sich jedenfalls ein Eis (siehe Tipps unten) oder einen Sprung ins kühle Nass verdient. Dann wieder hinein ins Leder.
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Einkehrtipps
1 | Gasthaus Seehaus: Am Ende des Almsees gelegen, offeriert man hier Saiblinge und Bachforellen aus dem See. Super Küche auch beim Jagasimmerl, ein paar Kilometer talauswärts.
2 | Konditorei Grellinger: Im Gmundner Zentrum – Mehlspeisen wie zu Kaisers Zeiten. Supergut.
3 | Langbathsee Stüberl: 20 Meter vom See entfernt, lockt ein Eis.
4 | Seegasthof Gamsjaga: In Gschwandt am Wolfgangsee lässt sich im Gastgarten trefflich entspannen, der Blick ruht auf der mächtig-prächtigen Drachenwand.
5| Edenbergers Café am See: Näher am Wasser geht es nicht in Fuschl.
6 | Gasthof zum Seewirt: Von Zell am Moos und von diesem schattigen Gastgarten aus schöner Landschaftsblick.
7 | Buffet Loibichl: Abkühlung im Mondsee gefällig? Tipp: Badeplatz Loibichl. Alter Baumbestand.
8 | Die Röhre: Architektonisch schräges Restaurant zwischen Mond- und Attersee. Ambitionierte Speisekarte.
9 | Trawöger: Die besten Steckerlfische (Saiblinge) weitum gibt’s hier in Altmünster.
Spannende Gespanne
Die einen meinen, Beiwägen versammeln die Nachteile von ein- und zweispuriger Fortbewegung, andere wollen nur Vorteile von Beiwagenmaschinen sehen. Eine Nachfrage von Klaus Buttinger.
Faszination Beiwagen? Irgendwo zwischen Fliegen und doch noch Fahren agiert der Biker auf seiner Solo-Maschine. Der Fliehkraft wird er mit Schräglage Herr. Gespannfahrer hingegen thronen immer aufrecht auf ihrem Gefährt und ernten dennoch alle Aufmerksamkeit. Und doch sind sie mittlerweile selten zu sehen, die dreirädrigen Maschinen, die noch in den 50er- und 60er-Jahren als Oberklasse der gesamten motorisierten Zunft galten.
"Mit einem Gespann fällt man im Fahrzeugeinerlei sofort auf", sagt Hari Schwaighofer, Europa-Importeur von Gespannen und Solomaschinen der Marken Dnepr und Ural. Im Marchtrenker Standort seiner Firma teilen sich die Retro-Maschinen aus der Ukraine bzw. Russland den Schauraum mit Bikes des indischen Herstellers Enfield. Allesamt keine Hochleistungsapparate. Muss auch nicht sein. Sie bedienen den Trend zur Entschleunigung.
"Bequem" lautet ein Stichwort zur Faszination Beiwagen: erste Reihe fußfrei, mit Windschild, eventuell mit Sitzheizung. Thema Sicherheit: Kinder fahren im Beiwagen ab 12 Jahren mit, angegurtet und mit Überrollbügel.
Ähnliches gilt für Haustiere. "Man stelle sich einen Golden Retriever oder einen Pudel auf dem Soziussitz einer Ducati Monster oder einer Afrika Twin vor", witzelt Schwaighofer. Wieder ernst betont er die enorme Zuladung, die mit einem Beiwagen auf Reisen möglich wird. Apropos: "Das Passieren von Ländergrenze zwischen verfeindeten Nachbarstaaten ist sicher leichter mit einem urigen Ural-Gespann", sagt er: "Böse dreinblickende Grenzsoldaten interessieren sich mehr für Marke und Leistung des seltsamen Fahrzeuges als für Pässe."
Auf jeden Fall bedeutet das Reiten eines Gespanns ein Mehr an Individualität, selbst wenn die Fahrwerksgeometrie nicht jedermanns Sache ist. Aber das soll es ja auch nicht sein.
Super Alexander, gefällt mir sehr!