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Häuptling Schnepfenstrauß

Von Helmut Atteneder, 04. März 2017, 00:04 Uhr
Häuptling Schnepfenstrauß
Adelheid Pingitzer-Reischek in den Donauauen in Eferding Bild: Alexander Schwarzl

Adelheid Pingitzer-Reischek, genannt "die Heidi", ist eine echte Maori-Häuptlingsfrau. Vor drei Jahren hat man ihr das Dahoam genommen. Jetzt wohnt sie nur noch. Und ihr Uropa ist in Neuseeland ein schwarzes Schaf. Wie das alles zusammen passt? Die Geschichte von der Heidi und dem lieben Vieh.

Eine echte Maori

Vor drei Jahren hat man Adelheid Pingitzer-Reischek, genannt "Heidi", die Heimat genommen. Jetzt wohnt die 61-Jährige nur noch. Nämlich in Eferding. Mit ihrem Mann Adolf, genannt "Dolfi", und ein paar Katzen, die sie aus der verlorenen Heimat ins Zuhause mitgenommen hat. Und auf einem Ikea-Regal im Esszimmer liegen ein paar Schädelknochen, von Katzen und Kaninchen, die sie exhumiert hat. "Sie waren so liebe Tiere." Wovon schreiben wir hier eigentlich?

16 Jahre lang hat die Lehrerin für Englisch und Biologie in Gstocket bei Alkoven, direkt neben der Donau, eine Art Gnadenhof für Tiere geführt. Was mit einem ausrangierten, 26 Jahre alten, Haflinger aus Ampflwang begann, endete mit einer letzten Bleibe für gut 100 Viecher aller Art, darunter 33 Katzen. Ihr Mann Dolfi hat ihr, als er noch gesund und vital war, einen schönen Holzverschlag an einem Bauernhof in der Nähe gemacht.

Die Heidi in den Donauauen Eferdings     Bild: (Alexander Schwarzl)

Die Leute sind gekommen und haben ihre altersschwachen Tiere gebracht, und so manchem Tierarzt hat die Heidi ein unheilbares Viecherl abgenommen und so dem Tod "von der Schaufel" gestohlen. Und es wieder aufgepäppelt. So ist es halt mehr und mehr geworden, bis der Enkel der Besitzerin den Hof übernommen hat. Ein Jäger. Das verträgt sich nicht mit Katzen. "Mir wurde die Lebensader zerschnitten", sagt die Tierliebhaberin. Ein Teil der Tiere ging an Gut Aiderbichl, ein paar an Private, und wenige Katzen, wie die Mutzi-Mutz, die gerade am Balkon sitzt, übersiedelten mit.

Die gebürtige Frau Reischek und das liebe Vieh. Das hat eine Geschichte. Und die führt zu Andreas Reischek, dem Urgroßvater der Heidi. Der lebte von 1845 bis 1902 in Linz, war zunächst Bäcker, bevor ihn sein Forschergeist nach Neuseeland trieb. Als Autodidakt in Zoologie und Botanik führten ihn acht Expeditionen in das Land am wilden Pazifik und da vor allem zu den Maori. Mit seinem Hund Cäsar forschte er, schrieb Bücher und brachte viele Gegenstände nach Österreich, darunter eine ornithologische Sammlung mit 16.000 Objekten. Und Teile von mumifizierten Maori-Leichnamen.

Lektüre: Bücher von und über Alfred Reischek, Heidis Urgroßvater     Bild: (Alexander Schwarzl)

"Der Uropa hat Leichen gefleddert"

Die Heidi: "Ja, der Uropa hat Leichen gefleddert." Die wurden dann 2015 restituiert. Bis zum heutigen Tag gilt Andreas Reischek – sein Leben und Wirken ist Teil der Ausstellung im Linzer Schlossmuseum (siehe Seite 39) – in Neuseeland als "schwarzes Schaf". Wieder ein Tier, allerdings eines mit eingeschränktem Popularitätsgrad. Während also dem Uropa im Land der Maori heute noch vorgeworfen wird, er habe ganze Vogelarten ausgerottet, war dem Urenkerl eines immer heilig – das Wohl ihrer Tiere.

Aber es gibt Gemeinsamkeiten. Abgesehen vom Entdeckergeist, von der Liebe zur Natur und deren Beobachtung, bezeichnet sich auch die Heidi frank und frei als unstet. Im räumlichen Sinn. Allein acht Wohnortwechsel bestätigen das. "Heidi steht für Neues", sagt die schlanke, hochgewachsene, lebensfrohe Tierliebhaberin.

Die Heidi, der Dolfi und eine Ziege im Gnadenhof in Gstocket bei Alkoven     Bild: (Privat)

Die als solche, und das sei hier unter dem Begriff Ehrensache vermerkt, seit gut 30 Jahren jeglichem kulinarischen Fleischgenuss widersagt.

Als einzige Nachfahrin von Alfred Reischek hat die Heidi auch einen Titel geerbt, den die Maori in guten Tagen einst ihrem Urgroßvater verliehen haben: "Ihaka Reiheke Te Kiwi Rangitira Autiria". Soll heißen: Häuptling Reischek, der Schnepfenstrauß Fürst von Österreich.

Die Heidi ist jetzt also eine Maori-Häuptlingsfrau, weil diese Ehre immer an die Erstgeborene der Hauptfrau (also ihre Mutter) weitergereicht wird. Ob sie sich als solche vor Maoris zu erkennen gäbe? "Da müsste ich mich vorher schlau machen, wie sie zum Wirken meines Urgroßvaters stehen", schmunzelt die Heidi. Und meint damit, dass einst unter den Ureinwohnern Neuseelands Kannibalismus durchaus eine Tradition hatte.

Wiewohl Neuseeland und die Heidi, das ist ein unbeschriebenes Blatt. Fast wäre es eine Lebensgeschichte geworden, weil die Heidi und ihr Dolfi vor 14 Jahren allen Ernstes überlegt haben, nach Neuseeland auszuwandern. Mit Sack, Pack und dem lebenden Teil ihres Gnadenhofs. "Ich hätte meine Heimat tatsächlich nach Neuseeland verpflanzt", sagt die Heidi, und der Dolfi nickt.

Tiermama: Die Heidi und der Kater Mutzi-Mutz auf dem Balkon ihrer Wohnung in Eferding   Bild: (Alexander Schwarzl)

Ein deutscher Auswanderer, der seine Doktorarbeit dem Wirken von Andreas Reischek gewidmet hat, hatte den Reischeks den Mund wässrig geredet. Warum sie dann heute noch da sind? "Aus finanziellen Gründen. Wir hätten einen namhaften Betrag an Versicherungsbeiträgen vorschießen müssen. Das ist sich nicht ausgegangen", sagt die Heidi. Die abgesagte Verpflanzung sei außerdem für ihren Dolfi lebensverlängernd gewesen, weil der eben in den Jahren danach "ziemlich baufällig" geworden sei. Humor à la Heidi.

Und so ist die Heidi jetzt eben nicht mit ihren Viecherln im immergrünen Neuseeland unterwegs. Dafür sieht man sie oft in den Donau-Auen herumspazieren. Gassigehen mit Shadow, dem Hund ihrer Tochter Andrea. Und die Augen auf das Wasser oder ins Geäst gerichtet. Es könnt’ ja irgendwo ein Viecherl sein, das ihre Hilfe braucht.

 

Bäcker bei den Maori

Ein Bäcker bei den Maori

Andreas Reischek, Urgroßvater von Adelheid Pingitzer-Reischek, war ein gelernter Bäcker, der aber als Forscher lebte und arbeitete. In jungen Jahren erwarb er auf ersten Reisen in Italien umfangreiches zoologisches und botanisches Wissen, das ihm eine neue berufliche Laufbahn eröffnete. Zunächst arbeitete er in Wien als Präparator und betrieb dort eine Lehrmittelhandlung. Reischek ist Teil der Ausstellung "Wir sind Oberösterreich", die am 2. April im Linzer Schlossmuseum eröffnet wird.

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(Foto: Promenad)

Von 1877 bis 1889 bereiste Reischek Neuseeland, wo er zu Beginn im Canterbury Museum in Christchurch arbeitete. Er führte eigenständig acht Expeditionen durch, die ihn vor allem in die Maori-Gebiete führten. Diese waren für Europäer damals tabu, allerdings gelang es Reischek, das Vertrauen des Maori-Königs Tawhiao zu gewinnen.

Von diesen ausgedehnten Aufenthalten in Neuseeland brachte Reischek viele Gegenstände mit nach Österreich, darunter eine ornithologische Sammlung mit 16.000 Objekten, die er dem Landesmuseum sowie dem Naturhistorischen Museum in Wien überließ. Dem Zeitgeist entsprechend brachte Reischek auch Teile mumifizierter Maori-Leichname mit, die er dem Naturhistorischen Museum übergab. Diese wurden im Jahr 2015 restituiert. Nach seiner Rückkehr ließ er sich in Linz nieder und arbeitete hier zwischen 1896 und 1902 als Custos des Oberösterreichischen Musealvereins und als Tierpräparator.

Während seiner langen Aufenthalte bei den Maori in Neuseeland konnte Andreas Reischek das Vertrauen der indigenen Bevölkerung Neuseelands gewinnen. Deren Oberhaupt Tawhiao verlieh Reischek schließlich den Ehrentitel "Ihaka Reiheke Te Kiwi Rangatira Autiria" (etwa "Andreas Reischek, der Schnepfenstrauß, Fürst von Österreich").

Auch das Geschenk von Schwanzfedern des Huia-Vogels an den Forscher war ein Zeichen hoher Wertschätzung durch den Maori-König.

Ausstellung "Wir sind Oberösterreich" – Entdecken, Staunen, Mitmachen. Die Ausstellung ist vom 2. April 2017 bis zum 7. Jänner 2018 im Schlossmuseum Linz zu sehen.

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1  Kommentar
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mitreden (28.669 Kommentare)
am 04.03.2017 10:49

alfred oder andreas, da soll sich noch wer auskennen....
qualitätsschurnalismus oder hab ich was verpasst?

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