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Was wir meinen, wenn wir "Opfer" sagen

Von Christoph Niemand, 24. März 2016, 00:04 Uhr
Was wir meinen, wenn wir "Opfer" sagen
Bild: APA

Selbstlose Hilfeleistung, Botschaft des Glaubens, das Pendant zum Täter oder gar ein Schimpfwort: Mit dem Begriff "Opfer" verbinden wir viel.

Opfer: Viele Jugendliche sagen neuerdings Opfer, wenn sie jemanden als Schwächling oder Verlierer beschimpfen wollen: Jemand, der es zu nichts bringt und sich nicht durchsetzen kann.

Jugendsprache zeigt ungeschönt auf, was in unserer gnadenlosen Gesellschaft Sache ist: Erfolg ist das Einzige, was zählt. Plätze an der Sonne gibt es nur wenige, und den Letzten beißen immer die Hunde.

Viele europäische Sprachen verwenden allerdings zwei ganz verschiedene Begriffe gegenüber unserem deutschen Wort Opfer: Victim (englisch, vom lateinischen victima) ist jemand, der einen Unfall oder ein Unrecht erleidet, z.B. ein Verkehrs- oder Verbrechensopfer.

Sacrifice (von sacrificium) hingegen sagt man, wenn jemand von sich aus "ein Opfer bringt": Er verzichtet darauf, etwas ihm Mögliches jetzt zu gebrauchen oder durchzusetzen, weil dadurch ein größerer Erfolg oder ein wertvolleres Ziel erreichbar ist. Beim Schachspiel opfert man einen Bauern und erreicht einen Stellungsvorteil.

Manche Menschen, deren Entdeckungen oder Kunstwerke Meilensteine der Zivilisation wurden, opferten ihre Energie und ihr Lebensglück für Ideen, deren Verwirklichung oder Erfolg sie gar nicht mehr selbst erlebten. Lebensretter setzen ihr Leben für andere Menschen ein, und es kommt vor, dass sie beispielsweise bei der Suche nach einem Lawinenopfer das eigene Leben opfern. Sacri-ficium bedeutet "heiliges Tun", etwas Besonderes, Schwieriges, Außergewöhnliches, das unter dem Schutz der Götter steht.

Seltsam, dass wir im Deutschen für all das nur das eine Wort "Opfer" verwenden! Aber ganz unverständlich ist es doch nicht, es gibt ein Verbindendes: Wo Gewalt herrscht, sprechen wir von Opfern, und dass sie gebracht und gemacht werden – und wo Gewalt beendet und überwunden werden soll, geht es auch nicht ohne Opfer. Jemand muss den ersten Schritt machen und auf den nächsten Schlag verzichten. Das ist das allerschwierigste Opfer!

Und viele weitere Schritte müssen folgen: Symbolische Gaben werden ausgetauscht, Rituale der Versöhnung in Gang gesetzt (man denke an den Syrien-Krieg: Wenn irgendwann Friede werden soll, muss jemand einen riskanten ersten Verzichtsschritt setzen. Und dann beginnt die Friedensdiplomatie, ein Tanz voll symbolischer Verrenkungen – genauso seltsam wie das Eskalationsritual zu Beginn des Konflikts. Wir Menschen funktionieren eben ziemlich archaisch!). Es ist so einfach, wie es unmöglich erscheint: Wo Gewalt überwunden werden soll, muss jemand aufhören, von der anderen Seite Opfer (victim) zu verlangen, und anfangen, selbst Opfer (sacrifice) zu bringen. Genau das meinen die Christen, wenn sie sagen, Jesus Christus, sein Leben und sein Sterben, sei das Opfer, das Menschen und Welt befrieden kann. Er wusste und sagte, wie Frieden und Versöhnung funktioniert, und er hatte Macht über viele Herzen. Aber er konnte und wollte die Welt nicht gewaltsam zur Gewaltlosigkeit zwingen.

Am Schluss geriet er zwischen alle Stühle und unter alle Räder. Und auch da hat er nicht verflucht und gedroht, sondern ermutigt und vergeben. Er wurde Opfer (victima) von Missverständnissen, Eitelkeit und Interessen. Aber er hatte den Mut, sein Leben ohne Hass zu Ende zu bringen. So ist er zum Opfer (sacrificium) geworden, zu einem heiligen, besonderen Geschehen. Und es war nicht umsonst: Sein hingegebenes Leben macht etwas mit den Menschen, die sich davon betreffen und verändern lassen – bis heute!

 

Prof. Christoph Niemand, Professor für Bibelwissenschaft an der Katholischen Privat-Universität Linz Bild: KU Linz

Christoph Niemand ist Professor für Bibelwissenschaft an der Katholischen Privat-Universität Linz

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