"Die Detailverliebtheit der EU nervt"

Von Alexander Zens   12.Februar 2019

Angelika Winzig soll Paul Rübig im EU-Parlament nachfolgen. Im OÖN-Interview spricht Oberösterreichs ÖVP-Spitzenkandidatin für die Europa-Wahl am 26. Mai über ärgerliche EU-Richtlinien, die Alphatiere Trump und Putin und über Themen, bei denen sie sich von der FPÖ abgrenzen würde.

 

OÖNachrichten: Sie sind Unternehmerin und stellvertretende Klubchefin im Nationalrat. War und ist der Einzug ins EU-Parlament Ihr größtes Karriereziel?

Angelika Winzig: Es geht nicht um meine Karriere. Ich habe nie Druck aufgebaut, um dieses oder jenes zu werden. Es hat sich bei mir alles über die Sachpolitik ergeben. Jetzt auch: Ich habe mich schon so oft über EU-Richtlinien und -Verordnungen geärgert – von den Allergenen bis zur Gurkenkrümmung. Warum muss so etwas in Brüssel beschlossen werden? Ich will auf EU-Ebene konstruktiv mitarbeiten und Bürokratie zurückdrängen.

Um tatsächlich ins EU-Parlament zu kommen, braucht man in der ÖVP unter Sebastian Kurz viele Vorzugsstimmen. Paul Rübig schaffte rund 10.000, Sie bei der jüngsten Nationalratswahl 5000. Wie wollen Sie zulegen?

Ich mache einen intensiven Vorzugsstimmen-Wahlkampf, nicht nur in meinem Bezirk, sondern weit darüber hinaus, vor allem in ganz Oberösterreich.

Manche zweifeln daran, dass Bauernbündler und ÖAABler für Sie als Wirtschaftsbündlerin wirklich rennen werden.

Ich wurde einstimmig als Spitzenkandidatin nominiert. Ich denke, so selbstbewusst wären ÖAAB und Bauernbund, dass sie dagegen gestimmt hätten, wenn sie nicht einverstanden wären.

Die Wahlbeteiligung bei den EU-Wahlen ist immer sehr niedrig, sie lag 2014 unter 50 Prozent. Was läuft da schief?

Viele Bürger nehmen die EU nur wahr, wenn es um Negativthemen geht. Positives wie Frieden, Reisefreiheit oder Förderungen für unsere Kleinbetriebe wird nicht gesehen. Darum haben wir während der EU-Ratspräsidentschaft 300 Veranstaltungen in den Bundesländern gemacht. Das wurde von den Leuten sehr gut angenommen. Kommunizieren ist wichtig.

Migrationsdebatte, Brexit, Bürokratie – es gibt Probleme in Europa. Rund ein Fünftel der Österreicher wünscht sich den EU-Austritt. Was muss sich ändern?

Die EU soll sich um die großen Themen kümmern, ihre Detailverliebtheit nervt. Und wir müssen die Menschen überzeugen, dass wir eine stärkere EU brauchen. Alphatiere von Trump bis Putin haben kein Interesse an einem starken, geeinten Europa. Wir haben Mitbewerber von den USA bis China, und jeder ist nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht. Der Brexit tut da natürlich besonders weh.

Gerade beim emotionalen Thema Asyl und Außengrenzschutz geht seit Jahren nichts weiter. Sehen Sie die EU hier so kritisch wie Innenminister Herbert Kickl?

Ich sehe sie gefordert. Man muss hinterfragen, ob es im EU-Rat immer Einstimmigkeit braucht. Das erste Mal, dass ich wirkliche Einigkeit in der EU empfinde, ist unter den 27 Staaten beim Brexit. Weil die Not so groß ist. Wir bräuchten Einigkeit und Entscheidungskraft aber auch bei Themen wie Sicherheit und Wettbewerbsfähigkeit.

Paul Rübig ist seit 23 Jahren EU-Parlamentarier und einer der wenigen EU-Politiker, die so viel erreicht haben, dass sie zuhause bekannt und geschätzt sind. Wollen Sie das auch schaffen?

Also die Zeitspanne schaffe ich sicher nicht. Aber inhaltlich möchte ich einige seiner Themen vorantreiben. Besonders liegen mir Berufsausbildung und Ausbildung von Jugendlichen am Herzen. Für Oberösterreich als starkes Export- und Industriebundesland mit kleinteiliger Struktur ist es wichtig, jemanden in Brüssel zu haben.

Sind Sie eine schwarze oder eine türkise Vertreterin der ÖVP? Oder haben Sie sich mit beiden Strömungen arrangiert?

Ob schwarz oder türkis, ist kein Thema. Es geht um die Weiterentwicklung der ÖVP. Es wurde schon vor 2017 an der Erneuerung in der Partei gearbeitet. Was die bündischen Strukturen betrifft, gibt es ein sehr gutes Miteinander. Das muss sein, denn die Grenzen verschwimmen. Bauern üben oft auch ein Gewerbe aus, ÖAABler machen sich nebenbei selbstständig.

Ihr Kollege auf der EU-Liste, Othmar Karas, distanziert sich regelmäßig von Ihrem Koalitionspartner FPÖ. Werden Sie das im Wahlkampf auch machen?

Es kommt darauf an, um welches Thema es geht. National setzen wir unser gemeinsames Regierungsprogramm um.

Was wären Themen, bei denen Sie sich abgrenzen würden?

Wenn beispielsweise irgendwelche Ausstiegsszenarien aus der EU thematisiert würden.

Sie kommen aus der Wirtschaft und gelten als Faktenmensch, gefällt Ihnen das politische Geschäft da überhaupt?

Ich versuche auch in der Politik, faktenorientiert zu arbeiten. Persönliche Eitelkeiten und heiße Luft sind jedenfalls nicht meins.

 

Zur Person

Angelika Winzig aus Attnang-Puchheim, die am Europatag (9. Mai) 1963 geboren wurde, ist geschäftsführende Gesellschafterin des Pulverbeschichtungsbetriebs Powder Tech in Redlham mit zehn Mitarbeitern. Sie ist seit 2011 Vizepräsidentin des Europäischen Wirtschaftsbundes und seit 2013 im Nationalrat. Vor gut einem Jahr wurde sie Klubobmann-Stellvertreterin und Budgetsprecherin der ÖVP. Winzig ist seit 25 Jahren mit ihrem Lebensgefährten liiert und hat keine Kinder.