"Das ist ein Jahrhundertprojekt, keine Frage"

Von Wolfgang Braun   14.März 2019

Er war Chef der Linzer Elisabethinen und ab 2012 Geschäftsführer der Malteser Deutschland gemeinnützige GmbH. Am 1. Juni übernimmt Franz Harnoncourt die Leitung der Gesundheitsholding Oberösterreich, mit 14.500 Mitarbeitern der größte Arbeitgeber im Bundesland. Ein Gespräch über politischen Einfluss, Alphatiere und Führungsstil.

Video: Die neue Gesundheitsholding war auch Thema in der gestrigen Ausgabe von OÖN-TV

 

OÖNachrichten: Sie haben in Deutschland einen großen Gesundheitskonzern geleitet und kehren jetzt nach Oberösterreich zurück. Was gab den Ausschlag?

Franz Harnoncourt: Die Zusammenführung eines Uni-Klinikums in Linz mit den Spitälern der Gespag in den Regionen und dazu die Einbindung der Uniklinik in die Johannes-Kepler-Universität – das ist ein Projekt, das meines Wissens einzigartig ist. Das hat mich, der ich im Herzen immer Oberösterreicher geblieben bin, selbstverständlich gereizt. Natürlich bin ich auch ein Familienmensch. Ich habe eine 88-jährige Mutter am Attersee und Kinder, die hier geblieben sind, weil sie studieren. Das hat die Entscheidung auch beeinflusst.

Es wird Ihnen nicht entgangen sein, dass die Erwartungen an Sie sehr groß sind.

Ja ... aber das muss man mit Gelassenheit nehmen. Es ist schön, wenn die Leute große Erwartungen haben, aber es ist natürlich auch eine gewaltige Herausforderung. Es geht vor allem um ein Zusammenführen verschiedener Kulturen. Das ist ein Aspekt, der auch in der Wirtschaft oft unterschätzt wird.

Die neue Gesundheitsholding wird mit rund 14.500 Mitarbeitern größter Arbeitgeber im Land sein. Wie lange braucht es, bis da ein Wir-Gefühl entstehen kann?

Ein Gemeinschaftsgefühl kann man in ein, zwei Jahren erreichen, eine wirkliche Identität, das braucht länger. Das ist sicher ein Programm für vier, fünf Jahre.

Es ist kein Geheimnis, dass das Verhältnis der aktuellen Führungskräfte von Animositäten geprägt ist. Werden Sie anfangs als Mediator eingreifen müssen?

Ich müsste lügen, wenn ich das nicht verfolgt hätte. Ich leiste mir den Luxus, unbefangen an die Aufgabe heranzugehen – mit großer Professionalität, aber auch mit einem Professionalitätsanspruch an andere. Führungskraft ist man nicht, wenn man kein Alphatier ist. Aber in den ersten Gesprächen orte ich große Bereitschaft, gemeinsam am Teambuilding mitzuwirken.

Stichwort Alphatier: Sie wirken wie ein sanftes Alphatier. Können Sie auch robust sein?

Auf jeden Fall, sonst hätte ich zum Beispiel die sieben Jahre in Deutschland nicht meistern können. Aber ich muss nicht dauernd mit gezogenem Colt durch die Gegend gehen. Das würde auch der Macht der Argumente ihre Überzeugungskraft nehmen.

Für Sie wurde der Gehaltsdeckel für Landesmanager aufgehoben. Ist das nicht eine Bürde angesichts der Spardebatte bei Pflege- und Gesundheitspersonal?

Die Geschichte war sicher nicht förderlich. Aber sie ist jetzt abgeschlossen.

Wie viel werden Sie verdienen?

Die Frage überrascht mich nicht, aber ich werde Ihnen keine Auskunft geben, weil das so vereinbart ist. Es ist deutlich weniger, als in den Medien kolportiert, und deutlich weniger als bisher.

Ein Punkt im Gesundheitswesen ist immer die Politik. Wie viel Einflussnahme vertragen Sie?

Die Politik als Eigentümervertreter muss bestimmten Einfluss haben. Aber ich habe den Eindruck, dass uns ein hohes Maß an Eigenverantwortung und Gestaltungsmöglichkeit eingeräumt wird.

Die Spitalskosten in Oberösterreich steigen massiv. Wie eng wird Ihr Spielraum sein?

Der ist in allen Gesundheitssystemen der Welt relativ eng. Selbstverständlich werden wir Synergien nutzen müssen, zum Beispiel beim Einkauf. Es gibt die Perspektive, dass man mit der Holding eine vernetzte 4.0-Versorgung entwickelt. Das bedeutet auch eine Stärkung der regionalen Standorte durch den Zugang zu Kompetenzen in der Zentrale. Selbstverständlich gilt es auch auf Gebieten, in denen Frequenzen entscheidend für die Qualität sind, Kräfte zu bündeln. Aber wenn ich das alles mit Deutschland vergleiche, wo es im Gesundheitssystem eine große Gewinnorientierung gibt, leben wir in einer sehr angenehmen Welt.

Wo sehen Sie den größten Unterschied zu Deutschland?

Der größte Unterschied ist die totale Kommerzialisierung des deutschen Gesundheitssystems. Gesundheitsstrukturen gestaltet in Deutschland der Markt und nicht die Politik. Das hat bis zu einem gewissen Punkt seinen Reiz, weil es einen zwingt, effizient zu sein. Das hat aber auch seine Grenzen – und die sind jetzt erreicht, weil Gesundheit zu einem handelbaren Gut wird, und das ist hochbedenklich.

Filetstück der Gesundheitsholding ist das Kepler-Uniklinikum. Wie lange wird es dauern, bis man hier internationales Spitzenformat erreichen kann?

Man kann nicht in fünf Jahren 300 Jahre Heidelberg aufholen. Auf der anderen Seite hat die JKU mit dem Kuk in einzelnen Bereichen schon hohen internationalen Standard, etwa bei der Künstlichen Intelligenz. Ich glaube, dass es gelingen kann, in drei bis fünf Jahren international beachtete Schwerpunkte zu etablieren. Wir können nicht übermorgen die Spitzenuniversität sein, das wäre vermessen. Aber in Einzelbereichen sind wir schon erstaunlich weit. Die Medizin-Fakultät und das Kepler-Klinikum, das ist ein Jahrhundert-Projekt, keine Frage.

Sie sind Träger eines klingenden Namens, Ihr Vater war Dirigent Nikolaus Harnoncourt. War das manchmal auch eine Last?

Ich bin nicht als Sohn eines berühmten Dirigenten geboren. Mein Vater war ein ganz normaler Orchestermusiker, und wir sind in einfachen Verhältnissen aufgewachsen. Ich bin mit der zunehmenden Bekanntheit meines Vaters mitgewachsen. Das war Teil meines Lebens.

Hat sich während Ihrer Zeit in Deutschland der Blick auf Oberösterreich verändert?

Ja, sicher. Die Entwicklung unseres Gesundheitswesens sehe ich nun positiver. Wir übersehen manchmal, dass wir ein wirklich gut funktionierendes System haben. Bei uns geht es darum, das für die Zukunft zu sichern und nicht darum, katastrophale Zustände zu beseitigen. Was man aber von der Ferne vor allem sieht, ist, was für ein liebenswertes Land Oberösterreich ist.

Daten und Fakten

Franz Harnoncourt wurde 1961 geboren, sein Vater ist der 2016 verstorbene Dirigent Nikolaus Harnoncourt. Franz Harnoncourt ist verheiratet und hat vier Kinder.

Oberösterreichs Gesundheitsholding wird am 1. Juni ihren Betrieb aufnehmen. Unter der Holding werden das Kepler-Uniklinikum (Kuk) und die Gespag zusammengeführt.