Zwischen Brexit und Bruckner

Von Wolfgang Braun aus London   05.Mai 2018

Mitten im Londoner Geschäftsviertel Canary Wharf ist in nur sechs Monaten Bauzeit direkt an einem Seitenarm der Themse ein architektonisches Meisterwerk entstanden: eine 300 Meter lange, futuristische Dachkonstruktion aus Holz, Glas und Stahl für die Crossrail-Station Canary Wharf.

Die Crossrail, eine Schnellbahn, ist eines der größten Verkehrsprojekte Europas und soll Ende des Jahres ihren Betrieb aufnehmen. Entworfen wurde die Crossrail-Station vom renommierten Architekturbüro Foster & Partners, das für Planung, Statik und Durchführung auf Know-how aus Oberösterreich setzte: Die Glasbauteile lieferte der Schörflinger Fassadenbauer Seele, Holzbau und Stahlkonstruktion kamen vom Innviertler Unternehmen Wiehag.

1414 eigens in Oberösterreich angefertigte Holzträger, 72 Stahlträger, 564 Stahlknoten, Auftragsvolumen rund zehn Millionen Euro – Wiehag-Chef Erich Wiesner zählt mit Leidenschaft die technischen Details des Auftrags auf. "Wir sind sehr stolz, es ist ein absolutes Referenzprojekt für uns", sagt Wiesner, der mit einer oberösterreichischen Delegation diese Woche nach London gekommen ist.

Im Brexit-Nebel

So erfreulich die Aufträge für Wiehag & Co in Großbritannien sind, so unklar ist die Zukunft der bilateralen Beziehungen seit dem Brexit-Votum. Großbritannien ist immer noch der neuntwichtigste Markt für österreichische Exporte, das Exportvolumen lag 2017 bei 3,9 Milliarden Euro. 250 österreichische Unternehmen haben eine Niederlassung in Großbritannien, 70 davon kommen aus Oberösterreich, darunter die voestalpine, Polytec, Greiner, FACC.

Das Wirtschaftswachstum in Großbritannien hat sich seit dem Ja zum Austritt aus der EU im Juni 2016 abgeschwächt, es fiel von 2,3 Prozent im Jahr 2015 auf rund 1,5 Prozent heuer – die tatsächliche Wucht des Brexits lässt sich dadurch allerdings nicht abschätzen. Noch sind die Austrittsverhandlungen nicht einmal richtig angelaufen, frühestens im Herbst dieses Jahres dürften erste Details zum Brexit vorliegen.

In Großbritannien ist die Stimmung immer noch gespalten, Umfragen sehen eine 50-zu-50-Lage zwischen EU-Befürwortern und EU-Gegnern. 

"Gerade in dieser Phase der Unsicherheit ist es wichtig, Netzwerke in Großbritannien aufrechtzuerhalten und für unsere Unternehmen ein Türöffner zu sein", sagt Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (VP), der die Landes-Delegation in London anführte.

Gemeinsam mit Landeshauptmann-Stv. Michael Strugl (VP) und dem Rektor der Linzer Johannes-Kepler-Universität, Meinhard Lukas, unterzeichnete Stelzer dann auch ein Kooperationsabkommen zwischen der Linzer JKU und dem Imperial College London.

Kooperation mit einer Top-Uni

Das Imperial College landet in Hochschul-Rankings regelmäßig unter den Top-Ten der Universitäten weltweit. Imperial College und JKU wollen künftig gemeinsam auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz forschen. "Die Zusammenarbeit mit einer solch exzellenten Spitzenuniversität eröffnet für Oberösterreich natürlich riesige Chancen. Ich verspreche mir von dieser Kooperation sehr viel", sagt Strugl, in der Landesregierung für Forschungsagenden verantwortlich.

Dass auch Kultur in Nach-Brexit-Zeiten eine Brücke nach Großbritannien sein kann, zeigte am Donnerstagabend schließlich das Linzer Bruckner Orchester, das derzeit eine erfolgreiche Tournee auf der britischen Insel absolviert. Beim Konzert in der Cadogan Hall gab es Standing Ovations eines begeisterten Publikums.

 

Delegation in London

Von Mittwoch bis Freitag besuchte eine oberösterreichische Delegation London.
Angeführt wurde sie von Landeshauptmann Thomas Stelzer (VP), weitere Mitglieder waren Landeshauptmann-Stv. Michael Strugl (VP), die Landtagsabgeordneten Alexander Nerat (FP), Gisela Peutlberger-Naderer (SP) und Severin Mayr (Grüne), JKU-Rektor Meinhard Lukas, JKU-Professor Marc Streit und Landeskulturdirektor Reinhold Kräter.

Im Zuge des Besuches kam es unter anderem zur Unterzeichnung eines Kooperationsabkommens der JKU mit dem Londoner Imperial College, einer der renommiertesten Universitäten weltweit. 17.000 Studenten aus 125 Ländern studieren an dieser Hochschule, rund ein Fünftel kommt aus der EU.