Start mit drei Milliarden Euro Schulden

Von Heinz Steinbock   12.Juli 2017

Das Sitzungszimmer der Landesregierung war extra ummöbliert: Für die Journalisten waren weiße Stehtische aufgestellt, ihnen gegenüber postierten sich die beiden Finanzexperten, Wirtschaftsprofessor Teodoro Cocca von der Kepler-Uni und Wolfgang Baaske vom Studienzentrum für internationale Analysen hinter einem Rednerpodium. Neben ihnen standen Landeshauptmann und Finanzreferent Thomas Stelzer, Landeshauptmann-Stv. Michael Strugl (beide VP) und Landeshauptmann-Stv. Manfred Haimbuchner (FP).

„Alles zusammengerechnet“

Es sollte wohl auch ein optisches Zeichen der „neuen Finanzpolitik“ sein, die Stelzer angekündigt hatte: eine Null-Neuverschuldungspolitik. Cocca und Baaske hatten den Auftrag, dafür die „Startbilanz“ zu erstellen.
Die beiden Experten legten die Karten auf den Tisch: Oberösterreich hat knapp drei Milliarden Euro Schulden.
„Die Finanzverpflichtungen des Landes sind in den letzten Jahren drastisch gestiegen“, kamen sie zu ihrem Schluss. Das sei die „Kenngröße“, sagte Baaske, denn „man wird sie irgendwann alle zurückzahlen müssen“.
Alleine die Finanzschulden im Kernhaushalt (Ist- und bereits sichere Soll-Schulden) betrugen per 31. Dezember 1,471 Milliarden Euro. Damit haben sie sich seit 2008 mehr als verdreifacht.

Ausgelagerte Schulden

Wesentlich sind aber auch die Maastricht-Schulden, die auch „außerbudgetäre Einheiten“ umfassen, also vor allem die Schulden landeseigener Unternehmen und Gesellschaften. Mit diesen (1,879 Milliarden Euro) ergibt sich die Gesamtverschuldung des Landes von 2,968 Milliarden Euro.

Die hohen ausgelagerten Schulden kritisierte ähnlich auch schon der Landesrechnungshof. Cocca sagt dazu: „Bereits die Bedeckung der erwarteten Steigerungsrate der Finanzverpflichtungen stellt schon eine bedeutende Herausforderung dar.“ Wird zusätzlich investiert, was das Land müsse, um im Wettbewerb der Regionen bestehen zu können, muss der Spielraum im Budget deutlich erhöht werden.

Die derzeit erreichte freie Finanzspitze im Budget (rund neun Prozent) reicht dazu jedenfalls nicht. Cocca und Baaske rechnen mit 150 bis 200 Millionen Euro, die jährlich aus der laufenden Gebarung „freigeschaufelt“ werden müssen – also bei laufenden Ausgaben eingespart.

Stärken und Schwächen

Oberösterreich sei „noch“ in einer Position der Stärke, die Herausforderungen bei entsprechender Budgetdisziplin bewältigbar, sagen die Experten in ihrer Analyse. Noch, denn die Experten haben eindeutige Empfehlungen.
Klare Schwerpunkte müssen gesetzt werden, Strukturen optimiert und „ineffizienter Einsatz“ insbesondere im Förderwesen abgeschafft werden. Die Finanzschulden müssten „kontinuierlich abgebaut“ werden. Als Risiken gebe es „ausufernde Budgets bereits kostenintensiver Aufgabenbereiche“ (genannt wieder einmal Soziales und Gesundheit). „Die strategische Steuerung und Planung von Ausgaben ist verbesserungswürdig“, sagte Cocca.

Insbesondere im Bereich der Förderungen, die nicht einfach fortgeschrieben werden könnten. Stärken habe das Land aber auch: diese seien etwa die volkswirtschaftliche Leistungsfähigkeit und eine Reformfähigkeit, die sich bei der Spitalsreform gezeigt habe. „Unser Schluss: Die Finanzlage ist zwar solide, aber es ist jetzt die Zeit für Änderungen“, fasste Cocca zusammen.

Die versprachen die anwesenden Landespolitiker. Mit Schuldenbegriffen werde man „nicht mehr hin und her jonglieren“, sagte Stelzer: „Das Land hat drei Milliarden Euro Schulden. Unser Weg kann nicht heißen, da noch etwas draufzupacken.“ Und man müsse feststellen, dass „wir in den letzten Jahren doch über die Verhältnisse gelebt haben“.

„Bei null anfangen“

Für 2018 sei bereits ein „Zero budgeting“ vorgesehen: Alle Ausgaben müssen neu bewertet und begründet werden.

„Das ist auch ein Thesenpapier“, verglich Strugl die Expertise mit den Thesen Martin Luthers. Es sei „klar, dass wir den Landeshaushalt nicht fortschreiben können, sondern massiv verändern müssen“. Die Zeit wirtschaftlicher Erholung sei dafür günstig, „sich zurückzunehmen“. „Die Zeit politischer Geschenke ist vorbei“, sagte Haimbuchner. ÖVP und FPÖ hätten das gemeinsame Ziel: „ein ausgeglichenes Budget.“

 

Rot und Grün: Ja, aber...

Die Reaktionen der anderen Landtagsparteien: SPÖ und Grüne sagten, sie stünden zwar zu einer nachhaltigen Budgetpolitik, versahen dies aber mit einem großen „Aber“.

Der Expertenbericht zeige „bekannte Schwächen der ÖVP-Finanzpolitik“ auf, reagierte SP-Klubobmann Christian Makor. Einsparungen dürften „keinesfalls zu Lasten der sozial Schwachen“ erfolgen. Makor rügte Förderungen etwa für Denkmalpflege und landwirtschaftliche Investitionen. Dass im SP-geführten Sozialressort seit Jahren die größten Ausgaben anfallen, erwähnte er nicht.

Schuldenbremse klinge gut, „aber was heißt das?“ fragte Grünen-Klubobmann Gottfried Hirz. Man stehe zu einem sparsamen Umgang mit den vorhandenen Mitteln, „aber genauso braucht es einen politischen Spielraum“, insbesondere für Bildung und Investitionen. Er spreche sich gegen eine „pauschale Kürzung in allen Bereichen“ aus.