"Langsam werden wir weiblich"

Von Josef Lehner   12.September 2017

Mit Gabriele Eder-Cakl (47) leitet seit 1. September erstmals eine Frau das Seelsorgeamt der Diözese Linz. Die OÖNachrichten sprachen mit ihr über weibliche Führungskräfte, die Weihe von Priesterinnen und den Islam.

 

OÖNachrichten: Papst Franziskus hat dazu aufgefordert, Frauen wichtige Aufgaben in der Kirche zu übertragen, abseits des Priesteramts. Verdanken Sie ihm Ihre Bestellung?

Eder-Cakl: Das glaube ich nicht. Der Papst tut sehr viel in Richtung Wertschätzung der Frauen. Er hat eine Kommission eingesetzt für das Diakonat von Frauen. Er hat Maria Magdalena zur Apostelin ernannt. Es tut sich in der Kirche also sehr viel für die Frauen, in großer Bandbreite. Dass ich hier als Direktorin sitze, ist ein Zeichen, dass Frauen einen Platz haben in der Kirche. In der Diözese haben wir seit 20 Jahren ein Gleichstellungsprojekt, das Frauen in Führungspositionen fördert. Es gibt Pastoralamtsleiterinnen in Innsbruck, Wien, Klagenfurt und seit 1. September auch in Salzburg. Langsam werden wir weiblich. Es ist gut, dass man auf das vertraut.

Was machen Frauen besser als Männer?

Ich glaube, es gibt keinen Unterschied. Führungsarbeit und qualitatives Umgehen mit Menschen, das kann ein Mann gut oder eine Frau – oder eben nicht. Eine Führungskraft muss, ob in Unternehmen oder Organisationen, für die Sache brennen, die Menschen mögen, gute Personalpolitik machen, eine Hand für das Budget haben.

Werden Sie in der katholischen Kirche noch die Weihe von Diakoninnen erleben?

Das weiß ich nicht. Ich wünsche es mir sehr.

Und von Priesterinnen?

Das wünsche ich mir ebenfalls. Das entscheidet aber ein Konzil oder der Papst. Ich denke aber immer nach, was wir Frauen tun können, zum Beispiel fundierte theologische Forschung und gute seelsorgliche Arbeit, wie wir sie seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil machen.

Sie leiten das Seelsorgeamt. Die Priester, die die Seelsorge betreiben, unterstehen aber nicht Ihnen, sondern sie gehören zum bischöflichen Ordinariat.

Die rund 630 Priester und rund 350 Laienmitarbeiter, auch Jugendleiter und Pastoralassistenten, gehören nicht zum Pastoralamt. Ich habe aber viele Aufgaben in der Seelsorge, in den Krankenhäusern, für die Jugend, auch die Krisenseelsorge zu verantworten. Wir haben zum Beispiel 25 Einrichtungen in der Diözese für Lebens- und Beziehungsberatung. Es gehören die Bildungshäuser dazu. Außerdem unterstützen wir vom Pastoralamt die rund 8000 Pfarrgemeinderäte.

Von einer Führungskraft der Diözese werden Sie als sehr intelligent bezeichnet, bereit zu führen und zu verändern. Was wollen Sie ändern?

Mir ist wichtig, Schwerpunkte zu setzen, die letztlich etwas verändern werden. Ich will mein Augenmerk dem realen Leben schenken. Ich will die Menschen wahrnehmen, wie sie wirklich leben. Das Verhältnis der Menschen zur Kirche verändert sich ja.

Vielen Menschen sagt das Evangelium nichts mehr.

Es sagt ihnen etwas. Sie haben aber vielleicht am Sonntag anderes zu tun. Trotzdem suchen sie den Segen für ihr Kind oder brauchen Trost und Hilfe. Das müssen wir wahrnehmen. Wie schaut das Andocken an die Kirche heute aus – das wird uns beschäftigen. Wir haben eine solche Vielfalt. Ich will für die gemeinsame Sache arbeiten. So wie du bist, bist du ein Kind Gottes, mit deinen Talenten und Fähigkeiten – das ist für mich ein bedeutender Satz Jesu. Heute muss alles schnell, besser, größer sein. Wir können einen Kontrapunkt setzen. Es gibt auch Unvollkommenheit.

Trotz Säkularisierung wollen so viele das christliche Abendland retten. Was sagen Sie zu Feindbildern im Wahlkampf, zu der Schwarz-Weiß-Politik?

Die Kirche kann gesellschaftspolitisch Stellung beziehen, sicher nicht zur Parteipolitik. Es ist Gebot der Stunde, mit unseren Schwesterreligionen in Kontakt zu sein, in diesem Fall mit dem Judentum und dem Islam. Das tun wir. Ich bin hier sehr engagiert, auch in der Bildung. Die Menschen wollen wissen, was den Islam wirklich ausmacht. Damit denken sie auch darüber nach, was das Christentum ist. Man merkt, dass wir enorm viele Gemeinsamkeiten haben – und auch Unterschiede. Das darf so sein. Deshalb sind wir zwei Religionen. Miteinander zu reden, ist enorm wichtig, in der Öffentlichkeit, nicht im stillen Kämmerlein. In der Öffentlichkeit den Dialog zu führen und aufeinander zuzugehen, das ist wichtig. Farben ins Schwarz-Weiß-Denken zu bringen und damit einer Polarisierung entgegenzuwirken, ist eine Aufgabe als Religionsgemeinschaft.

 

Gabriele Eder-Cakl (47)

 

Die Theologin aus Linz ist mit einem Obdachlosenseelsorger verheiratet und Mutter dreier Mädchen. Sie arbeitete als Religionslehrerin und Pastoralassistentin und ab 2004 als Leiterin der Kommunikation in der Diözese. 2015 wechselte sie als Chefin ins „Haus der Frau“. Nun leitet sie eines der wichtigsten Ämter der Diözese mit 300 Beschäftigten.