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Gastkommentar: Was Menschen an die Kirche bindet – und was sie vertreibt

13. Jänner 2011, 00:04 Uhr
Was Menschen an die Kirche bindet – und was sie vertreibt
Warum kehren viele der Kirche den Rücken?

Genau 13.942 Menschen haben in der Diözese Linz im Jahr 2010 die katholische Kirche verlassen. In ganz Österreich waren es 87.393. Was hat die Menschen bewogen zu gehen? Wir haben die Ausgetretenen im Juli und August selbst gefragt.

Genau 13.942 Menschen haben in der Diözese Linz im Jahr 2010 die katholische Kirche verlassen. In ganz Österreich waren es 87.393. Was hat die Menschen bewogen zu gehen?

Wir haben die Ausgetretenen im Juli und August selbst gefragt. 55 Prozent nannten als Grund die Kirchensteuer. Der Kurs der Kirche störte 40 Prozent. Die Sexualmoral der katholischen Kirche hat 36 Prozent zum Gehen gebracht. Der sexuelle Missbrauch rangiert mit 29 Prozent relativ weit unten in der Liste.

Aber sind wir hier schon bei den Ursachen? Oder sind es eher „Anlässe“, einen Schritt zu tun, den man schon länger mit sich trägt? Immerhin haben 32 Prozent der Mitglieder aller christlichen Kirchen in Österreich einen Kirchenaustritt erwogen – in der Diözese Linz waren es 31 Prozent. Unter den Mitgliedern der evangelischen Kirche sind es mit 30 Prozent annähernd so viele.

Das ist – ganz unabhängig von der Performance der Kirche – heute eher normal. Wir leben in einer Kultur, die dem einzelnen Menschen freistellt, über sich selbst zu bestimmen. Glaube ist, so der berühmte Religionssoziologe Peter L. Berger, nicht mehr Schicksal, sondern Wahl. Wer also geht, wählt. Aber auch wer bleibt, wählt. Und wer eintritt, wählt auch.

So haben wir die 31 Prozent in der Diözese Linz, die einen Austritt erwogen haben, weiter gefragt, wie sie sich entschieden haben: Fünf Prozent sind faktisch ausgetreten; 65 Prozent aber haben sich entschieden, dennoch zu bleiben. 30 Prozent befinden sich im Austritts-Standby. Und warum haben sich die Leute so unterschiedlich entschieden? Warum treten die einen aus, treten aber weit mehr auf?

Ich beschreibe es zunächst an meiner eigenen Geschichte mit meiner Kirche. Ich kenne als ein Insider die dunklen Seiten der Kirche wahrscheinlich besser als viele, welche die Kirche verlassen haben.

Auch mich stören diese dunklen Seiten: die Unfähigkeit, die Kirchenmitglieder an wichtigen Entscheidungen zu beteiligen, der Reinheitswahn, der sich in den Bildern von einer heiligen und daher von Sexualität „bereinigten“ Kirche niederschlägt, und nicht zuletzt – was aber mit der verbogenen Sexualkultur zusammenhängt – der miserable Umgang der männlich stilisierten Kirche mit den Frauen.

Obwohl ich also ein sehr hohes Maß an Irritationen erlebe, bleibe ich „dennoch“: Weil mir das Evangelium wichtig ist, und der Auftrag Jesu an seine Jüngerinnen und Jünger, Licht der Welt und Salz der Erde zu sein. Mir ist die sonntägliche Feier der Eucharistie wichtig und die vielen gläubigen Feiern meiner Gemeinschaft, die mich in der Tiefe Gottes von meiner Angst heilen und mich zu dem werden lassen, wozu mich Gott geschaffen hat, ein solidarisch liebender und schöpferischer Mensch. Ich weiß mit 51 Prozent, dass „ohne die Kirche das Land sozial kühler“ wäre.

Die Forschung bestätigt meine eigene Erfahrung. Wenn die Irritationen, die trennenden Störungskräfte groß sind, brauche ich noch größere Bindungskräfte. Fehlen diese, dann hält einen nichts mehr zu bleiben, schon gar nicht, wenn ich dafür bezahle.

Dem Satz „So wie die Kirche heute ausschaut, ist sie keine Hilfe für mein Leben“ haben von allen Mitgliedern der katholischen Kirche 42 Prozent (in Linz 57 Prozent) zugestimmt. Von den Ausgetretenen taten dies 78 Prozent (in Linz 73 Prozent). Störungen sind somit letztlich nicht die Ursache für Kirchenaustritte. Aber sie wirken wie Brandbeschleuniger.

In Austrittswellen gehen allerdings auch immer einige gut Verbundene, die mit dem Austritt ein Zeichen des Protests geben wollen. Sie sagen damit der Kirche, dass es ihnen in der Kirche zu eng ist.

Wie sehr manche ein Zeichen des Protests gesetzt haben, ist daran ablesbar, dass 33 Prozent (in der Diözese Linz 34 Prozent) unter Umständen bereit sind, wieder einzutreten, 46 Prozent von ihnen nach wie vor an Gott glauben, 55 Prozent sich für einen Christen und 57 Prozent für einen gläubigen Menschen halten. Es wandert also mit dem Austritt bei manchen auch der Glaube aus der Kirche in die säkulare Welt hinein. Die Kirche selbst tritt so besehen mit ihrem Innersten aus ihrem „Flussbett“ aus, das manchen – der Kirche selbst? – zu eng geworden ist. Ob die Kirche daraus lernt, das Flussbett zu erweitern? Der Benediktinerpater Steindl-Rast dachte laut in diese Richtung.

Solche Forschungsergebnisse zeigen der Kirche einen vernünftigen und unaufgeregten Weg inmitten der Megakrise. Es gilt, an der Seite der Menschen die Bindungskräfte zum Evangelium zu stärken. Zugleich ist der Kirche dringlich zu raten, Irritationen zu vermeiden, Frauen in einem nächsten Schritt in Leitungsämter und ins Diakonat zu bitten, Geschiedene, die wieder heiraten, wie in der streng christlichen Ostkirche zu den Sakramenten zuzulassen und die Betroffenen an wichtigen Entscheidungen angemessen zu beteiligen – also z. B. das Kirchenvolk von Graz, Feldkirch und Salzburg an der Suche nach guten Bischöfen.

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