"Es ist schlimm, wie wir in der Sozialhilfe Geld herumschicken"

Von Barbara Eidenberger und Josef Lehner   17.August 2017

SP-Landesvorsitzende Birgit Gerstorfer über den Nationalratswahlkampf und die Konflikte, die sie als Soziallandesrätin mit ÖVP und FPÖ auszutragen hat.

 

OÖN: Nach der Verhaftung von SPÖ-Berater Tal Silberstein – kann es noch schlimmer kommen für die SPÖ?

Birgit Gerstorfer: Herr Silberstein ist kein Mitglied der SPÖ, er hat sich nicht mit seiner Bilanz vorgestellt, und man kann in einen Menschen nicht hineinsehen. Die SPÖ hat das Richtige getan und sich sofort von ihm getrennt. Damit ist die Sache aber nicht erledigt, weil sie natürlich bewegt und Schlagzeilen produziert. Für uns geht es jetzt darum, zu zeigen, dass wir unser Programm haben und etwas für die Bürger erreichen wollen.

Haben die Parteien damit übertrieben, sich Spin-Doktoren aus aller Herren Länder zu holen?

Umfragen und Zielgruppenanalysen sind wichtig. Da braucht es Kompetenz, die man sich bei externen Experten holt. Und dass man in der Politik versucht, sich die Besten zu holen – no na net.

Das Ganze passt ins Bild, dass die SPÖ eher durch den Wahlkampf stolpert, als dass es so richtig läuft. Wie schätzen Sie die Chance ein, in Oberösterreich stärkste Partei zu werden?

Wir haben einen klaren Wahlkampfplan, der Hausbesuche, eine große Telefonaktion, soziale Medien und Veranstaltungen umfasst. Wir müssen den Menschen zeigen, dass wir für die Themen stehen, die jeden persönlich betreffen: Mindestlohn, Kinderbetreuung, mehr Lehrkräfte und mehr Polizisten ... Wenn ich mir die Themen von ÖVP und FPÖ ansehe, dann finde ich nichts. Bei der FPÖ geht es immer nur um Ausländer. Bei der ÖVP weiß noch niemand, wohin die Reise inhaltlich geht.

Das klingt, als würden Sie einen Themenwahlkampf erwarten. Es sieht aber derzeit eher nach einem Personenwahlkampf aus.

Keine Frage, es gibt eine starke Positionierung auf die Personen Kurz und Kern. Kern hat Managementerfahrung, Wirtschaftskompetenz und Zielortientierung. Das war ganz klar zu sehen bei der Präsentation des Plan A und dem, was dann auch rasch umgesetzt wurde, zum Beispiel die Abschaffung des Pflegeregresses, das Bildungspaket oder die Aktion 20.000. Und alles, was man von der ÖVP in diesem halben Jahr gesehen hat, waren Verzögerungstaktik und Widerstand.

Wie ist das Klima in der Landesregierung?

Momentan nicht so rosig, weil bestimmte Dinge, die ich als klug empfinde, von VP und FP komplett torpediert werden. Für die Aktion 20.000 werden massive bürokratische Hürden geschaffen, sodass es fast unmöglich wird, ältere Arbeitslose in Gemeinden zu beschäftigen. Auch das Land könnte hier seit 1. Juli als Dienstgeber auftreten und zeigt kein Interesse. Dabei kostet das nichts. Die Kosten trägt das Arbeitsmarktservice. Das wird nur abgelehnt, weil es ein SPÖ-Vorschlag ist.

VP und FP wollen im Herbst die Ausgaben Ihres Sozialressorts unter die Lupe nehmen. Angst?

Nein, ich freue mich darauf. Wenn die schwarze Landesregierung in der Lage war, in 50 Jahren drei Milliarden Schulden aufzubauen, dann fallen davon 150 Millionen oder fünf Prozent in die Verantwortung des Sozialressorts. Wir haben für alle Bereiche exakte Daten. Es ist aber schlimm, wie wir in dem Bereich das Geld herumschicken. Über den Finanzausgleich geht es ans Land, dann an die Gemeinden, von dort an die Sozialhilfeverbände. Es gibt verschiedenste Leistungen, abgerechnet über unterschiedlichste Schlüssel. In Zeiten von Digitalisierung und Entbürokratisierung muss man die Sozialhilfe völlig neu sehen. Jahrzehnte alte Modelle entsprechen nicht dem, wie man heute Service für Menschen organisiert. Wir brauchen einfache Strukturen. Wenn Bezirkshauptmannschaften zusammengelegt und Gemeindeverbände geschaffen werden, wäre es nur logisch, über eine moderne Sozialhilfe zu reden, die optimal abläuft, orientiert an den Bedürfnissen der Menschen. Gemeinden, die in einer Region zusammen gehören, könnten in der Sozialhilfe kooperieren.