Rendi-Wagner: "Hart diskutieren, aber dann gemeinsam dafür eintreten"

Von Annette Gantner   08.Jänner 2019

Er begann am 30. Dezember 1888 und sollte bis 1. Jänner 1889 dauern: der Hainfelder Parteitag. Vertreter der Arbeitnehmerschaft fanden sich in dem kleinen niederösterreichischen Ort im Bezirk Lilienfeld zusammen, um die radikalen und gemäßigten Kräfte in der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs zu einen.

An der Spitze stand damals wie heute ein Arzt. Victor Adler und seine Mitstreiter forderten in ihrer "Prinzipienerklärung" die Entfesselung der Arbeiterschaft, verurteilt wurden Vorrechte der Nationen ebenso wie der Geburt. Am Schluss stand eine Einigungsresolution, in der die Partei darauf hinwies, dass sich die Arbeiterklasse durch Zwist selbst schwer geschädigt habe.

Am Dienstagabend erinnerte SP-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner in Hainfeld an die Gründungsphase. Manches klingt auch heute noch aktuell. Erst vor wenigen Tagen hatte die SPÖ jegliches Bild der Eintracht zerstört und auf offener Bühne über den richtigen Zeitpunkt für die Einführung von Vermögenssteuern gestritten.

Rendi-Wagner rief die Genossen zur Einheit auf: Man müsse zurück zum Mut finden, "wo wir hart in der Sache diskutieren, aber dann gemeinsam für diese Sache auch eintreten". Schon vor 130 Jahren sei die Antwort auf die Flügelkämpfe gewesen, sich stärker auf das Wesentliche – den Menschen – zu besinnen.

Internationale Steuern zuerst

Die SP-Chefin plädierte für mehr Verteilungs-, Chancen- und Steuergerechtigkeit. Eine nationale Vermögenssteuer könne nicht allein die Antwort sein, sprach sie das interne Reizthema an und forderte eine höhere Besteuerung international agierender Konzerne.

Es wurde aber auch ein Blick zurück geworfen: Die vergangenen Jahre seien für die SPÖ keine einfachen gewesen, räumte Rendi-Wagner ein. Sie verurteilte das Pfeifkonzert gegen den damaligen SP-Kanzler Werner Faymann am 1. Mai und forderte mehr Geschlossenheit und weniger Eitelkeit.

Ob ihre Appelle fruchten werden? Politikwissenschafter Peter Filzmaier ist skeptisch: "Der Spagat zwischen den verschiedenen Gruppen wird immer schwieriger zu schaffen sein." Die SPÖ habe sich in 130 Jahren von einer Arbeiter- zu einer Volkspartei gewandelt, die jetzt schrumpfe. "Die große Stammwählerschaft der SPÖ sind heute die Pensionisten. Die SPÖ hat die Chance verpasst, sich im Zuge einer richtigen Statutenreform stärker für neue Wähler zu öffnen", sagt Filzmaier.

Es gibt immer weniger klassische "Hackler" – ihr Anteil ist im Dienstleistungs- und Digitalzeitalter auf rund zehn Prozent geschrumpft. Unter Bruno Kreisky hatte die SPÖ noch 51 Prozent der Stimmen (1979) erhalten, zuletzt lag sie bei 26,9 Prozent.

Fragwürdige Erfolgsbilanz

Inhaltlich sieht der Politologe auch für die kommenden Jahrzehnte Potenzial für die SPÖ. Die Themen Chancen- und Verteilungsgerechtigkeit seien nach wie vor aktuell. Vor allem im Bildungsbereich sei die Chancengleichheit nachweislich nicht gegeben.

Das Manko der Sozialdemokratie sei aber, dass sie trotz jahrelanger Kanzlerschaft in diesem Bereich zu wenig umgesetzt habe. "Die Frage für die Zukunft der SPÖ wird sein, hier mehr Glaubwürdigkeit zu vermitteln", sagt Politologe Filzmaier.