Der (fast) unvermeidliche EU-Kandidat: Der lange Weg der ÖVP zu Karas

Von Lucian Mayringer   15.Jänner 2019

Sebastian Kurz zieht heute vor den EU-Parlamentariern in Straßburg zum letzten Mal eine Bilanz nach der halbjährigen österreichischen Ratspräsidentschaft. Die Hoffnung einiger Medien, dass der Bundeskanzler am Rande des Auftritts auch das Geheimnis lüftet, wer sein Spitzenkandidat bei der EU-Wahl am 26. Mai sein wird, werde sich aber "keinesfalls erfüllen", hieß es am Montag aus der VP-Zentrale. Wie von Kurz am Wochenende angekündigt, soll die Entscheidung bis Ende Jänner fallen. Wobei fast alles dafür spricht, dass der Delegationsleiter Othmar Karas wieder die Kampagne des Wahlsiegers von 2014 anführen wird.

Die einzigen Punkte, die bis zuletzt Zweifel an dieser Entscheidung offen gelassen haben, sind Karas’ politischer Eigensinn und seine klar ablehnende Haltung gegenüber der FPÖ. Bei der Nationalratswahl und danach auch bei der Regierungsbildung habe Kurz nur Personen ausgewählt, die ihm gegenüber hundertprozentig loyal sind. Karas hingegen "ist kein treuer Vasall und wäre damit ein neues Signal" in der Personalpolitik des Kanzlers, sagt der Politologe Peter Filzmaier.

Ansonsten spreche aber alles für den Brüsseler Evergreen. Auch dass dieser bei jeder Gelegenheit als schärfster Kritiker der FPÖ und anderer EU-kritischer Rechtsparteien auftritt. Denn damit könne Karas die überwiegende Mehrheit der Europabefürworter bei den VP-Wählern mobilisieren. Das sei wichtig, denn diese würden zu 60 Prozent zur EU-Wahl gehen. Anders als das brüsselkritische Kernklientel von FP-Spitzenkandidat Harald Vilimsky, bei dem die Wahlbeteiligung zuletzt "unter 40 Prozent" gelegen sei, rechnet Filzmaier vor. 2014 haben insgesamt nur 45,4 Prozent der Österreicher ihre Stimme abgegeben, weshalb auch diesmal das Zauberwort Mobilisierung heißen wird.

Dass Karas nicht zum Personal der türkis-blauen Harmonie-Koalition gehört, wäre für Kurz ebenfalls ein Vorteil, sagt Filzmaier. Karas könne sich so glaubwürdig in die Mobilisierungsschlacht gegen Vilimsky werfen und würde als außenstehender Angehöriger der alten schwarzen Garde das Koalitionsklima kaum trüben. Diese Abgrenzung wäre mit Karoline Edtstadler – die Staatssekretärin im Innenministerium gilt als Variante für die Spitzenkandidatur – nicht möglich.

Gemeinsamer Erfolg

Und noch einen strategischen Vorteil gäbe es für den VP-Obmann, dessen Partei in Umfragen zur EU-Wahl derzeit mit 27 Prozent knapp vor der SPÖ liegt: Gewinnt man tatsächlich, wäre es ein gemeinsamer Erfolg, eine Niederlage hätte der Spitzenkandidat zu schultern.

Die Ankündigung von Kurz, über ein Vorzugsstimmen-System die Wähler letztlich über die Reihung der Kandidaten entscheiden zu lassen, hält Filzmaier für einen "Mobilisierungsgag". Entscheidend sei, wer von der Partei erstgereiht wird. "Denn der hat dann die ganze Medienpräsenz und muss sich keine Sorgen um seine Vorzugsstimmen machen."

 

Nur Schieder ist schon fix

Die offene Listenentscheidung in der ÖVP hat naturgemäß auch Auswirkungen auf Oberösterreich. Sollte Paul Rübig (65, seit 1996 im EU-Parlament) tatsächlich nicht mehr kandidieren, gilt die Nationalratsabgeordnete und Unternehmerin Angelika Winzig (55) als Favoritin für Rübigs Listenplatz, der bisher ein fixes Ticket für Brüssel war.

Als einzige Partei hat sich die SPÖ bereits per Parteitagsbeschluss auf ihren Spitzenkandidaten festgelegt: Andreas Schieder, gefolgt von EU-Delegationsleiterin Evelyn Regner.
In der FPÖ gibt es zwar noch keine Beschlüsse, aber die öffentliche Festlegung von Parteichef Heinz-Christian Strache auf Generalsekretär und Delegationsleiter Harald Vilimsky.

Bei den Neos soll Nationalratsabgeordnete Claudia Gamon die Kampagne anführen. Sie muss sich bis zur Wahl durch die Mitglieder am 26. Jänner noch einem Hearing stellen. Die Liste Jetzt sucht noch einen Kandidaten. Im Gespräch ist der Ex-Grüne Johannes Voggenhuber. Für die Grünen steigt Bundessprecher Werner Kogler in den Ring.