Zwei NS-Verbrecher aus Linz auf der Flucht

Von Markus Staudinger   29.April 2015

Ernst Kaltenbrunner, Chef des Reichssicherheitsamtes (RSHA), war gar nicht erfreut, seinen Untergebenen zu sehen. Er möge sich "zum Teufel zu scheren", soll er Adolf Eichmann geraten haben, als sie beide Ende April 1945 in Altaussee Unterschlupf suchten.

Als RSHA-Chef unterstanden Kaltenbrunner ab 1943 Gestapo, Sicherheitsdienst, Konzentrationslager. Adolf Eichmann organisierte schon unter Reinhard Heydrich ab Juli 1941 als Chef der Gestapo-Abteilung IV B 4 den industriellen Mord in Europas Konzentrations- und Vernichtungslagern – ab 1943 hatte er Kaltenbrunner als Vorgesetzten.

Der Jurist, der Schulabbrecher

Kennengelernt hatten sich beide schon in Linz, wo sie aufgewachsen waren. Ungleiche Typen waren sie damals, graue Maus und Herrenmensch: Da der Schulabbrecher und Mineralöl-Handelsreisende Eichmann. Dort der 1,93 Meter große Jurist Kaltenbrunner, Spross einer Anwaltsfamilie.

Nun, zu Kriegsende, ging es ihnen nur noch darum, sich der Verantwortung für ihre Taten zu entziehen. Kaltenbrunner fantasierte von Verhandlungen mit den Westalliierten, Eichmanns Anwesenheit in Altaussee hielt er da für hinderlich.

Quartier nahm Kaltenbrunner in der Villa Kerry – wo seine Geliebte, Gräfin Gisela von Westarp, im März 1945 Zwillinge zur Welt gebracht hatte. Gattin Elisabeth weilte in Strobl am Wolfgangsee.

Adolf Eichmann kam in Altaussee, Fischerndorf 8, unter. Dort wohnte seine Frau Veronika, die wieder ihren Mädchennamen Liebl angenommen hatte, mit den drei Kindern. Beim Untertauchen erwies sich Eichmann zunächst erfolgreicher. Er wird zwar im Mai von den Amerikanern verhaftet, gibt aber eine falsche Identität an.

Aus dem Internierungslager gelingt ihm die Flucht. Nach fünf Jahren als Holzhacker in der Lüneburger Heide, wird Eichmann – unter Mithilfe katholischer Geistlicher im Vatikan – nach Argentinien geschleust. Frau und Kinder, die noch in Altaussee leben, reisen 1952 nach, ein vierter Sohn kommt zur Welt.

1960 entführt ihn aber der israelische Geheimdienst Mossad: Nach einem Prozess wegen seiner Beteiligung am millionenfachen Mord an den europäischen Juden wird Eichmann in Tel Aviv zu Tode verurteilt. Er stirbt 1962 am Galgen.

Kaltenbrunner ereilt diese Strafe schon früher: Er wird am 12. Mai 1945 von US-Soldaten in einer Jagdhütte am Wildensee verhaftet. In Nürnberg wird er 1946 zum Tode verurteilt und im Oktober hingerichtet.

Die Villa Kerry wurde nach dem Krieg der Familie Kerry – entfernte Verwandte des heutigen US-Außenministers John Kerry – zurückgegeben. Im Garten fand man nach Kaltenbrunners Abzug eine Kiste Gold, 76 Kilo, vergraben im Salatbeet.

 

Das geschah am 29. April 1945

Dachau
US-Truppen befreien das KZ Dachau. Noch vor dem Häftlingsbereich stoßen sie auf einen Zug, der zuvor aus Buchenwald eingetroffen war – darin tausende verhungerte und erschossene Häftlinge. Die US-Truppen üben Vergeltung. Sie erschießen etwa
50 SS-Angehörige in Dachau.
Wien
Der sowjetische General Alexej W. Blagodatow übergibt nach einer kurzen Rede das Parlament, das bis dahin von der Besatzungsmacht beschlagnahmt war, an die neue Regierung. Kanzler Karl Renner dankt ihm und verkündet die Wiederherstellung der Republik Österreich. Auf der Ringstraße spielt die Militärkapelle den Donauwalzer, viele Menschen tanzen. Auch Radio Wien beginnt wieder zu senden.
Caserta
Die in Oberitalien kämpfende deutsche Heeresgruppe C kapituliert in Caserta vor den alliierten Streitkräften. Die Kapitulation tritt am 2. Mai in Kraft.