Wissbegier im Parlament: Von Waschmitteln bis zur EU-Armee

Von Jasmin Bürger   05.August 2015

Die auf "rein hypothetischen und unrealistischen Annahmen basierenden Fragen" könne er nicht beantworten: So brüsk reagierte Verteidigungsminister Gerald Klug (SP) jüngst auf eine parlamentarische Anfrage Susanne Winters (FP). Sie wollte wissen, "ob das Bundesheer auf einen Angriff durch die EU ausreichend vorbereitet" sei.

Winters skurriles Begehr war eine von 3850 schriftlichen Anfragen, die in diesem Parlamentsjahr an Minister gestellt wurden. Ein Rekordwert, 2013/14 hatte es 2190 gegeben. Heuer hat allein die FPÖ mit 2490 Anfragen mehr gestellt – und beinahe täglich werden es mehr: Seit zwei Jahren gibt es für die Wissbegier der Mandatare keine Sommerpause mehr.

Viele Anfragen berühren durchaus praktische Lebensbereiche: Infrastrukturminister Alois Stöger (SP) etwa wird zu zig Verkehrsprojekten befragt. Noch ausständig ist seine Antwort, welche ÖBB-Bahnhöfe in Oberösterreich mit Schalterpersonal besetzt sind und wo bis 2018 Einsparungen geplant sind.

Kontrollfunktion

Anfragen sind deshalb beliebt, "weil sie das billigste Kontrollinstrument für die Opposition sind", sagt Werner Zögernitz, Leiter des Instituts für Parlamentarismus. Stellt ein Mandatar eine Anfrage, "kann er den Bürgern zuhause sagen, er hat das Thema parlamentsanhängig gemacht", so Zögernitz.

Anders als bei Entschließungsanträgen der Opposition, die mit Regierungsmehrheit abgelehnt werden, müssen Anfragen beantwortet "oder die Nichtbeantwortung argumentiert werden" – beides binnen zwei Monaten. Gefragt werden darf zu "allen Angelegenheiten der Bundesverwaltung".

FP-Mandatar Peter Wurm wollte von Konsumentenschutzminister Rudolf Hundstorfer (SP) wissen, was er gegen "krumme Werte" bei Dosierempfehlungen von Waschmittelherstellern zu tun gedenke. Wurms Sorge: Wie sollen Wäscher 93 Milliliter messen, "wenn in die Dosierhilfe nur 73 Milliliter passen?" Hundstorfers Replik: Zur "geschilderten Problematik hat es bisher noch keine Anfragen gegeben", weshalb er nicht plane, "an Hersteller heranzutreten".

Wozu "Hundeseelenflüsterer"?

Sigrid Maurer (Grüne) etwa will von Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner (VP) wissen, warum beim "Science Talk" des Ressorts ein "Hundeseelenflüsterer" auftrat. Maurer fürchtet, dass die Wissenschaftsvermittlung durch die Präsenz von "Esoterikern" leide.

Skurrilitäten sind dennoch die Ausnahme, die Opposition setzt mit Anfragen auch auf Kontrolle.

Zum Debakel der Hypo Alpe Adria gab es zig Anfragen, auch Ausgaben der Ministerien – etwa für Förderungen – werden ständig gestellt. Solche Serienanfragen sind mit ein Grund für die Anfragenflut.

Niki Scherak (Neos) erfragte jüngst die Mitarbeiterkosten in den Kabinetten; dass die Minister 2014 rund 500.000 Kilometer mit Dienstwagen unterwegs waren, ist Ergebnis einer grünen Anfrage, offen blieb die Privatnutzung.

Bis September begehrt Martina Schenk (Team Stronach) Auskunft über "den Einsatz von Stilberatern, Friseuren und Visagisten" – bei allen Regierungsmitgliedern.

Stichwort

Eine parlamentarische Anfrage kann von fünf Nationalratsabgeordneten oder drei Bundesräten an Minister gestellt werden. Die Fragen können alle „Angelegenheiten der Bundesverwaltung“ betreffen, die Themenpalette ist also sehr breit gefächert.

Von den 3850 Anfragen im Parlamentsjahr 2014/15 (der bisherige Höchststand waren 3425 im Jahr 2007/08) stellte die FPÖ 2496, allein 424 davon Walter Rosenkranz.

Von den Neos kamen 418 Anfragen, davon 142 von Nikolaus Scherak.

Vom Team Stronach waren es 393 Anfragen, Spitzenreiterin dort ist Martina Schenk mit 142.

Die Grünen fragten 366 Mal schriftlich nach, mehr als 60 Mal Justizsprecher Albert Steinhauser.

SP-Abgeordnete stellten 114 Anfragen, 50 kamen von VP-Mandataren.