Versammlungsrecht: Weitere Kritik an Regierungsentwurf

Von nachrichten.at/apa   14.April 2017

Nach Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International haben nun auch Sozialorganisationen, ÖGB, Arbeiterkammer und Rechtsanwälte massive Bedenken geäußert. Lob kommt hingegen nicht nur von mehreren Landespolizeidirektionen sondern auch von der Wirtschaftskammer.

Die katholische Kirche beansprucht für sich eine Ausnahme. Das Generalsekretariat der Bischofskonferenz geht davon aus, dass Versammlungen mit kirchlichem Bezug von den Bestimmungen des Gesetzes ausgenommen sind. "Aus diesem Grund wäre die beabsichtigte Teilnahme von Vertretern des Heiligen Stuhls an einer Versammlung auch nicht anzeigepflichtig", stellt die Bischofskonferenz in ihrer Stellungnahme fest.

Details im Video: 

Kritik an der Neuregelung kommt von den Arbeitnehmerorganisationen, wenn auch in unterschiedlicher Form. So lehnt die Arbeiterkammer eine Ausweitung der bestehenden Untersagungsmöglichkeiten von Versammlungen ab. Das mögliche Verbot einer Versammlung, die der politischen Tätigkeit von Drittstaatsangehörigen dient und den außenpolitischen Interessen Österreichs zuwiderläuft, stellt für die AK eine Einschränkung der Versammlungs- und der Meinungsfreiheit dar. Auch die geplante Schutzzone von 150 Metern für eine Versammlung lehnt die AK ab.

Keine Einwände hat die AK hingegen gegen die geplante Ausdehnung der Anzeigenpflicht für Versammlungen von 24 auf 48 Stunden und die einwöchige Anzeigepflicht bei der Teilnahme von Vertretern ausländischer Staaten und internationaler Organisationen. Diese beiden Punkte sieht allerdings der ÖGB kritisch. Für ersteres erkennt der Gewerkschaftsbund keine Notwendigkeit und bei zweiterem hat er die Befürchtung, dass die Teilnahme von Vertretern des EU-Parlaments oder der Internationalen Arbeitsorganisation ILO erschwert oder möglicherweise gar unmöglich gemacht wird. Auch die 150 Meter Schutzbereich für eine Versammlung hält der ÖGB für überschießend.

Wirtschaftskammer begrüßt Entwurf

Uneingeschränkt begrüßt wird der Gesetzesentwurf hingegen von der Wirtschaftskammer. Sie unterstützt sowohl die Verlängerung der Anmeldefristen als auch die Schutzzone und die Einschränkungen für Wahlkämpfe ausländischer Politiker. Die Wirtschaft wünscht sich aber weitere Maßnahmen, um Beeinträchtigungen des Wirtschaftslebens so weit wie möglich zu verhindern.

Ganz anders sieht das der Rechtsanwaltskammertag, der den Entwurf rundweg ablehnt. Die Verlängerung der Anmeldefrist auf 48 Stunden halten die Rechtsanwälte für einen "sachlich nicht gerechtfertigten Eingriff" in die Versammlungsfreiheit und auch die einwöchige Anmeldefrist ausländischer Teilnehmer ist ihrer Ansicht nach mit den Grundwerten der Verfassung "nicht in Einklang zu bringen". Auch die mögliche Untersagung einer Versammlung für die politische Tätigkeit von Drittstaatsangehörigen ist für die Rechtsanwälte "nicht praktikabel" und mit der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit "nicht in Einklang zu bringen".

Milder geben sich die Richter und Staatsanwälte in der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst. Ihnen sind einige Begriffe in dem Entwurf zu unklar formuliert, so wie etwa jener der "Drittstaatsangehörigen", der nicht definiert sei. Auch das Außenministerium verweist darauf, dass damit üblicherweise Nicht-EU/EWR-Bürger gemeint sind und dieser Begriff daher enger gefasst wäre als jener der Vertreter "ausländischer Staaten".

Heftige Kritik üben auch verschiedene Sozialorganisationen. Die Interessensvertretung Gemeinnütziger Organisationen, die 49 Institutionen vertritt, lehnt den Entwurf ab und fordert stattdessen einen Dialog mit der Zivilgesellschaft. Dieser wäre "zielführender als rechtliche Graubereiche zu schaffen und politischer Willkür neue Möglichkeiten einzuräumen". Die Volkshilfe sieht ebenfalls keinen Anlass für die "beabsichtigte Einschränkung der Versammlungsfreiheit". Die Bundesjugendvertretung befürchtet, dass durch die Verlängerung der Anmeldefrist auf 48 Stunden das Recht zur öffentlichen Partizipation und Meinungsäußerung beschnitten werden könnte. Der Städtebund hält diese Fristverlängerung hingegen für "angemessen".